Der wahre Entdecker des Nordpols
Nicht der Amerikaner Robert Peary, sondern sein afroamerikanischer Begleiter Matthew Henson hat als erster Mensch den Nordpol erreicht. Dieser Wahrheit geht Simon Schwartz in seinem Comic "Packeins" auf den Grund - klug arrangiert mit nostalgischer Bildsprache.
Simon Schwartz ist einer der interessantesten jüngeren Comicautoren. In seinem Debüt "drüben!" erzählte er von der Ausreise seiner Eltern aus der DDR, mit diesem Buch wurde er 2010 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sein neues Buch "Packeis" hat ihm nun einen der wichtigsten Preise eingebracht: Es wurde beim Erlanger Comicsalon als bester deutschsprachiger Comic 2012 ausgezeichnet.
Das biographische Erzählen boomt auch bei den Graphic Novels. Simon Schwartz schwimmt mit auf dieser Welle, liefert aber sehr viel mehr als eine schlichte biographische Nacherzählung. "Packeis" verschränkt verschiedene Zeit- und Interpretationsebenen zu einem vielschichtigen Lebensbild von dem Mann, der möglicherweise als Erster den Nordpol erreicht hat. Matthew Henson heißt dieser Mann, ein Afroamerikaner, der 1866 geboren wurde, nur ein Jahr nach dem Verbot der Sklaverei in den USA. In den klassischen Berichten von der Eroberung des Nordpols wird der schwarze Entdecker üblicherweise totgeschwiegen.
Simon Schwartz bindet Matthew Hensons Geschichte ein in die mythische Weltschöpfungserzählung der Inuit. Danach lebt hoch im Norden, am kältesten Punkt der Welt, der Teufel Tahnusuk. Eines Tages erscheint ein schwarzer Mann und besiegt den Teufel auf seinem Terrain, am Nordpol. Mahri Paluk nennen die Inuit diesen Mann - Matthew Henson. Nach Grönland kam er als Begleiter des amerikanischen Offiziers Robert Peary, der seit 1891 versuchte, den Nordpol zu erreichen.
Peary nutzte Matthew Hensons großes Geschick als Schiffszimmermann, Schlittenlenker und Erkunder arktischer Überlebenstechniken, um seine verschiedenen Vorstöße zum Nordpol voranzubringen. Bei seiner - angeblichen - Entdeckung des Nordpols am 9. April 1909 hatte Robert Peary neben vier Inuit nur Matthew Henson bei sich. Da Peary stets Henson voranschickte, um ihm den Weg zu bahnen, müsste Matthew Henson als Erster den Pol erreicht haben.
Den Ruhm als Entdecker des Nordpols hat Peary aber alleine eingeheimst und Matthew Henson konsequent ins Abseits gedrängt. Simon Schwartz schildert auch, wie Henson später als Putzmann seinen Lebensunterhalt verdienen muss, die Leistungen des schwarzen Polarforschers wurden erst lange nach seinem Tod im Jahr 1955 anerkannt.
Die Wahrheit über den Wettlauf zum Nordpol ist kaum zu rekonstruieren, der Comicautor Schwartz stellt deshalb sehr verschiedene Wahrheiten nebeneinander: die Versionen von Matthew Henson, von Robert Peary und von dessen früherem Assistenten Frederick Cook, der schon ein Jahr vor Peary am Pol gewesen sein will. Eine wiederum andere Form der Wahrheit zeigt die mythische Inuit-Erzählung vom Sieg des Matthew Henson über den teuflischen Ort ganz im Norden.
Simon Schwartz hat diesen Stoff ausgesprochen klug arrangiert und in eine einfache, leicht nostalgische Bildersprache gebracht. Seine klaren Zeichnungen in Schwarz-Weiß und einem kühlen Blau ermöglichen einen sehr direkten Zugang zu dem Geschehen an wechselnden Schauplätzen, in amerikanischen Großstädten genauso wie in den arktischen Eiswüsten. Komplexer und rätselhafter wird es, wenn die Masken und Chiffren der Inuit-Mythologie auftauchen. Diese fesselnde Vielschichtigkeit der Stile und Deutungen bildet die ganz eigene Handschrift von Simon Schwartz.
Besprochen von Frank Meyer
Simon Schwartz: Packeis
Avant Verlag, Berlin 2012
176 Seiten, 19,95 Euro
Das biographische Erzählen boomt auch bei den Graphic Novels. Simon Schwartz schwimmt mit auf dieser Welle, liefert aber sehr viel mehr als eine schlichte biographische Nacherzählung. "Packeis" verschränkt verschiedene Zeit- und Interpretationsebenen zu einem vielschichtigen Lebensbild von dem Mann, der möglicherweise als Erster den Nordpol erreicht hat. Matthew Henson heißt dieser Mann, ein Afroamerikaner, der 1866 geboren wurde, nur ein Jahr nach dem Verbot der Sklaverei in den USA. In den klassischen Berichten von der Eroberung des Nordpols wird der schwarze Entdecker üblicherweise totgeschwiegen.
Simon Schwartz bindet Matthew Hensons Geschichte ein in die mythische Weltschöpfungserzählung der Inuit. Danach lebt hoch im Norden, am kältesten Punkt der Welt, der Teufel Tahnusuk. Eines Tages erscheint ein schwarzer Mann und besiegt den Teufel auf seinem Terrain, am Nordpol. Mahri Paluk nennen die Inuit diesen Mann - Matthew Henson. Nach Grönland kam er als Begleiter des amerikanischen Offiziers Robert Peary, der seit 1891 versuchte, den Nordpol zu erreichen.
Peary nutzte Matthew Hensons großes Geschick als Schiffszimmermann, Schlittenlenker und Erkunder arktischer Überlebenstechniken, um seine verschiedenen Vorstöße zum Nordpol voranzubringen. Bei seiner - angeblichen - Entdeckung des Nordpols am 9. April 1909 hatte Robert Peary neben vier Inuit nur Matthew Henson bei sich. Da Peary stets Henson voranschickte, um ihm den Weg zu bahnen, müsste Matthew Henson als Erster den Pol erreicht haben.
Den Ruhm als Entdecker des Nordpols hat Peary aber alleine eingeheimst und Matthew Henson konsequent ins Abseits gedrängt. Simon Schwartz schildert auch, wie Henson später als Putzmann seinen Lebensunterhalt verdienen muss, die Leistungen des schwarzen Polarforschers wurden erst lange nach seinem Tod im Jahr 1955 anerkannt.
Die Wahrheit über den Wettlauf zum Nordpol ist kaum zu rekonstruieren, der Comicautor Schwartz stellt deshalb sehr verschiedene Wahrheiten nebeneinander: die Versionen von Matthew Henson, von Robert Peary und von dessen früherem Assistenten Frederick Cook, der schon ein Jahr vor Peary am Pol gewesen sein will. Eine wiederum andere Form der Wahrheit zeigt die mythische Inuit-Erzählung vom Sieg des Matthew Henson über den teuflischen Ort ganz im Norden.
Simon Schwartz hat diesen Stoff ausgesprochen klug arrangiert und in eine einfache, leicht nostalgische Bildersprache gebracht. Seine klaren Zeichnungen in Schwarz-Weiß und einem kühlen Blau ermöglichen einen sehr direkten Zugang zu dem Geschehen an wechselnden Schauplätzen, in amerikanischen Großstädten genauso wie in den arktischen Eiswüsten. Komplexer und rätselhafter wird es, wenn die Masken und Chiffren der Inuit-Mythologie auftauchen. Diese fesselnde Vielschichtigkeit der Stile und Deutungen bildet die ganz eigene Handschrift von Simon Schwartz.
Besprochen von Frank Meyer
Simon Schwartz: Packeis
Avant Verlag, Berlin 2012
176 Seiten, 19,95 Euro