Der Wald rauscht mächtig
Als stimmungsvollen Opernfilm bringt Regisseur Jens Neubert den "Freischütz" von Carl Maria von Weber auf die Leinwand. Wer sich oft über vermeintliche Regieexzesse auf der Opernbühne geärgert hat, wird das Kino beglückt verlassen können.
"Das Lustige ist, ich vergleiche es wirklich nicht mit Oper eigentlich. Ich konnte sehr gut in die Geschichte eintauchen, weil ich das Gefühl hatte, ich stehe neben dem. Diese Unmittelbarkeit ist wirklich interessant."
Sagt Regula Mühlemann, das Ännchen im "Freischütz"-Film. Sie ist die einzige optimistische Figur in Carl Maria von Webers Oper. Ansonsten geht es ziemlich düster zu in dieser Geschichte um einen Jägerburschen, der sich mit dem Teufel einlässt, um seine Agathe heiraten zu dürfen. Der Wald rauscht mächtig, zwielichtige Gestalten treiben sich im Unterholz herum, es spukt, Bilder fallen von der Wand und böse Vorahnungen durchziehen das ganze Stück. Nun könnte man sich auch problemlos in einem der vielen Opernhäuser gruseln, denn der "Freischütz" wird nach wie vor häufig gespielt, aber der Film wendet sich an ein anderes Publikum, meint Juliane Banse, die Sängerin der Agathe. An ein Publikum, das noch immer Vorurteile gegen die Oper hegt.
Juliane Banse : "Das ist teuer, man muss sich schick anziehen, man muss davon was verstehen, man muss von klein auf musikalisch gebildet sein, und alle diese Dinge, die ich immer wieder höre von Leuten, die sagen, ach nee, Oper, davon verstehe ich nichts. Dann ist natürlich die Investition in eine Opernkarte ein Wagnis für solche Leute. Aber für sieben oder neun Euro ins Kino zu gehen und sich mal ganz anonym in seiner Jeans mit Popcorn dahin zu setzen und zu sagen, jetzt schaue ich mir mal Oper an, mal sehen, wie das ist. Das ist absolut eine Chance für die Oper an sich."
Die Werbemasche mit den angeblichen Originalschauplätzen der Oper ist natürlich ein ausgemachter Quatsch. Denn erstens gibt es bei Sagen sowieso keinen Originalschauplatz, und zweitens steht in der Partitur "Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg" und nicht Sachsen während der Befreiungskriege, wohin Regisseur Jens Neubert die Handlung kurzerhand verlegt hat.
Napoleon stapft forsch durchs Bild und ordnet die europäische Landkarte neu, während sich die Soldaten gegenseitig totschießen, mitten im Schlachtgetümmel der Jägerbursche Max und sein zwielichtiger Kumpan Kaspar. Das funktioniert recht gut, auch wenn es nicht zwingend ist. Stimmungsvolle Schauplätze rings um Dresden bilden die Kulisse, etwa die Moritzburg nebst Fasanerieschloss, das als Forsthaus herhalten muss.
Die Wolfsschluchtszene in der Sächsischen Schweiz fällt hingegen enttäuschend aus, da hat man sich im Opernhaus schon stärker gegruselt. Überhaupt hat dieser Kostümfilm einen deutlichen Hang zum Pittoresken. Wenn Bauern auftauchen, schwingen sie garantiert Sensen und Harken. Aber nicht aus revolutionärem Überdruck, sondern nur so, zur freundlichen Begrüßung. Der Eremit ist hübsch zottelig, der regierende Fürst eher putzig in seiner Arroganz und keineswegs gefährlich.
Hervorragend gelungen ist hingegen der Umgang mit der Tatsache, dass in der Oper gesungen wird. In diesem Film fällt das nicht weiter auf, und das ist jetzt durchaus als Lob gemeint. Denn in herkömmlichen Filmversionen von Theateraufführungen kommt die Kamera den Sängern häufig so nahe, dass der Zuschauer vor allem tief in den weit geöffneten Mund und auf angespannte Halsmuskeln schauen muss, denn Singen ist nun mal harte Arbeit.
Juliane Banse: "Wir haben tatsächlich richtig mitgesungen. Wir haben nicht nur markiert, weil das sonst sofort sichtbar ist. Das ist nicht mehr glaubwürdig. Wenn man, das sind die Playback-Geschichten, die wir alle kennen von diesen Sendungen aus den Siebzigern, oder so. Wo einfach kein Mensch glaubt, dass man wirklich singt."
Regula Mühlemann: "Natürlich gibt es die Arien, vor allem von den männlichen Hauptdarstellern, vom Max und Kaspar, Michael Volle und Michael König, wo man auch die körperliche Anstrengung sehen darf, auch bei einer Nahaufnahme, weil die auch draußen sind und schmutzig sind, das ist auch wirklich in Action, die Rolle oder die Arie singen."
Daniel Harding dirigiert das London Symphony Orchestra flott und atmosphärisch dicht, zu den Sängern zählen außer den bereits erwähnten noch Olaf Bär, René Pape und Franz Grundheber - glanzvoller besetzt kriegen das auch unsere besten Opernhäuser nicht hin. Die Musik Carl Maria von Webers kommt so vollkommen zu ihrem Recht, und wer sich schon immer über die vermeintlichen Regieexzesse auf der Opernbühne geärgert hat, wird das Kino sicher beglückt verlassen.
Der Freischütz
Deutschland, Schweiz 2010, Originaltitel: Hunter's Bride
Regie: Jens Neubert, Darsteller: Michael König, Juliane Banse, Michael Volle, Franz Grundheber, Benno Schollum, Regula Mühlemann
ab 12 Jahren, 141 Minuten
Filmhomepage
Sagt Regula Mühlemann, das Ännchen im "Freischütz"-Film. Sie ist die einzige optimistische Figur in Carl Maria von Webers Oper. Ansonsten geht es ziemlich düster zu in dieser Geschichte um einen Jägerburschen, der sich mit dem Teufel einlässt, um seine Agathe heiraten zu dürfen. Der Wald rauscht mächtig, zwielichtige Gestalten treiben sich im Unterholz herum, es spukt, Bilder fallen von der Wand und böse Vorahnungen durchziehen das ganze Stück. Nun könnte man sich auch problemlos in einem der vielen Opernhäuser gruseln, denn der "Freischütz" wird nach wie vor häufig gespielt, aber der Film wendet sich an ein anderes Publikum, meint Juliane Banse, die Sängerin der Agathe. An ein Publikum, das noch immer Vorurteile gegen die Oper hegt.
Juliane Banse : "Das ist teuer, man muss sich schick anziehen, man muss davon was verstehen, man muss von klein auf musikalisch gebildet sein, und alle diese Dinge, die ich immer wieder höre von Leuten, die sagen, ach nee, Oper, davon verstehe ich nichts. Dann ist natürlich die Investition in eine Opernkarte ein Wagnis für solche Leute. Aber für sieben oder neun Euro ins Kino zu gehen und sich mal ganz anonym in seiner Jeans mit Popcorn dahin zu setzen und zu sagen, jetzt schaue ich mir mal Oper an, mal sehen, wie das ist. Das ist absolut eine Chance für die Oper an sich."
Die Werbemasche mit den angeblichen Originalschauplätzen der Oper ist natürlich ein ausgemachter Quatsch. Denn erstens gibt es bei Sagen sowieso keinen Originalschauplatz, und zweitens steht in der Partitur "Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg" und nicht Sachsen während der Befreiungskriege, wohin Regisseur Jens Neubert die Handlung kurzerhand verlegt hat.
Napoleon stapft forsch durchs Bild und ordnet die europäische Landkarte neu, während sich die Soldaten gegenseitig totschießen, mitten im Schlachtgetümmel der Jägerbursche Max und sein zwielichtiger Kumpan Kaspar. Das funktioniert recht gut, auch wenn es nicht zwingend ist. Stimmungsvolle Schauplätze rings um Dresden bilden die Kulisse, etwa die Moritzburg nebst Fasanerieschloss, das als Forsthaus herhalten muss.
Die Wolfsschluchtszene in der Sächsischen Schweiz fällt hingegen enttäuschend aus, da hat man sich im Opernhaus schon stärker gegruselt. Überhaupt hat dieser Kostümfilm einen deutlichen Hang zum Pittoresken. Wenn Bauern auftauchen, schwingen sie garantiert Sensen und Harken. Aber nicht aus revolutionärem Überdruck, sondern nur so, zur freundlichen Begrüßung. Der Eremit ist hübsch zottelig, der regierende Fürst eher putzig in seiner Arroganz und keineswegs gefährlich.
Hervorragend gelungen ist hingegen der Umgang mit der Tatsache, dass in der Oper gesungen wird. In diesem Film fällt das nicht weiter auf, und das ist jetzt durchaus als Lob gemeint. Denn in herkömmlichen Filmversionen von Theateraufführungen kommt die Kamera den Sängern häufig so nahe, dass der Zuschauer vor allem tief in den weit geöffneten Mund und auf angespannte Halsmuskeln schauen muss, denn Singen ist nun mal harte Arbeit.
Juliane Banse: "Wir haben tatsächlich richtig mitgesungen. Wir haben nicht nur markiert, weil das sonst sofort sichtbar ist. Das ist nicht mehr glaubwürdig. Wenn man, das sind die Playback-Geschichten, die wir alle kennen von diesen Sendungen aus den Siebzigern, oder so. Wo einfach kein Mensch glaubt, dass man wirklich singt."
Regula Mühlemann: "Natürlich gibt es die Arien, vor allem von den männlichen Hauptdarstellern, vom Max und Kaspar, Michael Volle und Michael König, wo man auch die körperliche Anstrengung sehen darf, auch bei einer Nahaufnahme, weil die auch draußen sind und schmutzig sind, das ist auch wirklich in Action, die Rolle oder die Arie singen."
Daniel Harding dirigiert das London Symphony Orchestra flott und atmosphärisch dicht, zu den Sängern zählen außer den bereits erwähnten noch Olaf Bär, René Pape und Franz Grundheber - glanzvoller besetzt kriegen das auch unsere besten Opernhäuser nicht hin. Die Musik Carl Maria von Webers kommt so vollkommen zu ihrem Recht, und wer sich schon immer über die vermeintlichen Regieexzesse auf der Opernbühne geärgert hat, wird das Kino sicher beglückt verlassen.
Der Freischütz
Deutschland, Schweiz 2010, Originaltitel: Hunter's Bride
Regie: Jens Neubert, Darsteller: Michael König, Juliane Banse, Michael Volle, Franz Grundheber, Benno Schollum, Regula Mühlemann
ab 12 Jahren, 141 Minuten
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