Der "Wandercent" im Saarland

Selbst Gottes freie Natur ist nicht umsonst

Wanderer laufen auf dem Saar-Hunsrück-Steig über den Ringwall bei Otzenhausen
Seit April 2016 können Wanderer sich finanziell am Wegeerhalt beteiligen. © dpa / picture alliance / Hunsrück-Touristik Gmbh
Von Tonia Koch und Anke Petermann |
Bis zu 500 Euro kostet die saarländischen Gemeinden der Erhalt eines Kilometer Wanderwegs im Jahr. Vor allem Tagesgäste sollen sich daher an den Kosten beteiligen: Anfang April wurde der so genannte Wandercent eingeführt: eine SMS-Spende in Höhe von zwei oder fünf Euro.
Die Bäche führen viel Wasser. Die Natur ist förmlich explodiert. Für Edi Klein, den hauptamtlichen Wegewart im Wandergebiet des nördlichen Saarlandes, gibt es daher viel zu tun.
Er führt immer eine Heckenschere mit, was geht, schneidet er von Hand, um die verwunschene Optik der Wanderwege nicht zu zerstören.
"Das ist Mädesüß, das lassen wir natürlich hier stehen, das sind typische Bachlaufpflanzen, weiße Blüten, die duften auch toll."
Zwei bis drei Mal im Jahr geht der passionierte Naturschützer die Pfade komplett ab, da kommt eine ansehnliche Kilometerleistung zusammen.
"90 Kilometer Saar-Hunsrück-Steig und 30 Traumschleifen, das sind dann insgesamt 430 Kilometer, die ich zu betreuen habe."

Die "Traumschleifen" sind Premiumwanderwege

Der Saar-Hunsrück-Steig führt 180 Kilometer vom Dreiländereck von der Mosel beim luxemburgischen Schengen und dem deutschen Perl weiter bis zur Saarschleife und von dort über die Wälder des Hochwaldes und den Hunsrück bis nach Idar-Oberstein. Rund um den Fernwanderweg sind auf saarländischer Seite viele sogenannte Traumschleifen angelegt worden. In der Sprache der Touristiker sind dies Premiumwanderwege, sechs bis 18 Kilometer lange Rundkurse eigens konzipiert für den Wanderer oder den Gelegenheitswanderer von heute. Mit konventionellen Wanderwegen hätten diese nur noch wenig gemein, sagt Peter Klein, Tourismus-Manager im Landkreis Merzig-Wadern.
"Man hat Pfade, hat weiche Wege statt Asphalt, der Wegeuntergrund ist ganz entscheidend. Der Wechsel in der Landschaft, es gibt keine monotonen Forststraßen, die durch immer gleichen Fichtenwald führen. Die Beschilderung ist deutlich besser, also, der Wanderer soll sich während seiner Wanderung beiläufig orientieren, nicht auf die Beschilderung achten und sich trotzdem nicht verlaufen. Die Möblierung ist hochwertig, es gibt interessante Natur- und Erlebnispunkte, die angebunden sind: Aussichten, Bachläufe, Felsformationen. Also insgesamt zeichnet einen Premiumwanderweg gegenüber einem normalen Wanderweg eine höhere Erlebnisdichte aus."
Und die hat ihren Preis.
"Im Schnitt kostet das rund 500 Euro pro Kilometer im Jahr. Das heißt, das addiert sich dann bei 30 Traumschleifen und 90 Kilometer Saar-Hunsrück-Steig auf gut 200.000 Euro, die an Pflegekosten anfallen und vom Landkreis Merzig-Wadern aufgebracht werden müssen."
Wer mit Kleins Namensvetter Edi unterwegs ist, der bekommt einen Eindruck davon, was nötig ist, um einen solchen Wanderweg in Schuss zu halten.
Der Traumschleifenwart hat in seiner Cargo-Hose allerhand Nützliches verstaut. Er nagelt ein fehlendes Hinweisschild - die Traumschleife Nummer 28 - an einen Baum.
"Früher hatten die Premiumwege jeder sein eigenes Logo, eine aufgehende Sonne, ein Bachtal, was auch immer und die waren wunderschön und ich will nicht wissen, wie viele davon in einer Blockhütte oder im Keller in einer Sektbar in einer Reihe hängen. Heute sind die Traumschleifen alle lila und dann macht es nicht mehr so viel Sinn und ist es wohl kein Sammlerstück mehr."
Es wird nicht das einzige sein, das geklaut wurde und das er ersetzen muss. Nach einem kurzen steilen Anstieg über mit Holz verstärkte Treppenstufen, vorbei an der ersten Felsformation, muss der Bach gequert werden. An dieser Stelle erwartet den Wanderer kein Steg sondern Trittsteine.
Es ist eine neuralgische Stelle, aber nichts ist verrutscht, alle Steine sitzen fest. Noch.
"Im Winter ist hier so viel Wasser, da mach‘ ich eine Umleitung her, dann kann man hier nicht durchgehen."
Ein Ast wird noch abgesägt, er ragt zu weit in den Weg hinein, dann geht es zurück. Wacklige Stege, defekte Stufen oder Geländer und Handläufe sind nicht Edis Sache, die meldet er in aller Regel den Bauhöfen der Kommunen, die sich darum kümmern.
"Weil ich meist allein bin oder höchstens einen Mann dabei habe, dann rufe ich den Bauhof an und die gehen zeitnah raus und machen das direkt oder es ist was ganz Wichtiges, also was sicherheitsrelevant nicht in Ordnung ist, dann sperre ich das sofort."
Heute muss er keine Gemeinde verständigen und das dürfte in den Rathäusern für Erleichterung sorgen, denn die Kosten sind ein Thema für die klammen Kommunen, selbst wenn einiges an touristischen Einnahmen zurückfließt, rechnet Tourismusmanager Klein vor. Der Wandertourismus generiert allein im Landkreis Merzig-Wadern Steuereinnahmen auf allen Ebenen von einer Million Euro im Jahr.
Trotzdem soll sich der Wanderer dauerhaft an der Wegepflege beteiligen und zwar über Spenden, den sogenannten Wandercent. Vor allem die Tagesgäste , meist Selbstversorger die vom Parkplatz über die Wege bis hin zur Ruhebank zwar die gesamte Palette der Infrastruktur nutzen aber kein Geld vor Ort lassen. Der Obolus kann ganz einfach per SMS auf den Weg gebracht werden und landet direkt in den Kassen der Gemeinden, erläutert Wolfgang Jätzold vom Verein Wandercent e.V. .
"Wir ordnen das dem Wanderweg zu und dementsprechend auch der Gemeinde, die für den Wanderweg zuständig ist. Das geschieht dadurch, dass der Wanderer, wenn er das Stichwort an die 81190 schickt, die Wegenummer hinten dran hängt, also wir sind jetzt gerade auf dem Felsenweg bei Losheim unterwegs, das ist die Traumschleife Nummer 28, da sind die Stichwörter, für eine 2 Euro – Spende Traum 28 oder halt Traum 5. Punkt 28 , um 5 Euro zu spenden."

Wanderer können zwei oder fünf Euro spenden

Wer nur das Stichwort Traum eingibt, der speist mit seinen zwei Euro den großen Topf, der allen Kommunen zur Verfügung steht, fügt Jätzold hinzu. Es beginnt erneut zu regnen im Traumschleifenland wie so häufig in diesem Sommer, deshalb ist die Aussagefähigkeit über die Spendenbereitschaft eher eingeschränkt, aber Wolfgang Jätzold glaubt fest daran, dass sich die Idee durchsetzen wird.
"Wir hatten im Mai ein recht gutes Aufkommen, der Juni war wieder sehr schwach wetterbedingt, was für uns ein Indiz dafür ist, dass die Leute es auch annehmen und bereit sind, Geld zu geben, wir bieten die Möglichkeit, 2 oder 5 Euro zu spenden per SMS und die Quote der Fünf-Euro-Spende ist überraschend hoch. Jede dritte SMS-Spende ist freiwillig 5 Euro."
Mehr als ein paar Hundert Euro sind in den ersten drei Monaten noch nicht zusammen gekommen, die zufällig angetroffen Wanderer aber zeigen sich offen für den Wandercent.
"Ich hab‘ mich noch gar nicht weiter damit beschäftigt, aber tut man gerne was dafür, dass das so erhalten wird. Ich bin gerne bereit das zu machen, weil ich die Wege toll finde. Ich finde das schon eine gute Idee, ich wär auch bereit ein bisschen was zu zahlen für einen guten Wanderweg, noch dazu wenn da nette Liegemöglichkeiten dabei sind und er gut ausgeschildert ist. Finde ich in Ordnung, schöne Wanderwege müssen auch gepflegt werden und das kostet Zeit und Arbeit und es ist ja nicht so natürlich, dass andere Menschen sich Zeit nehmen und das machen in ihrer Freizeit."
In aller Regel kümmern sich Land auf Land ab die Wandervereine und ihre ehrenamtlich tätigen Helfer um die Beschilderung und die Instandsetzung von Wanderwegen. Aber die Mitglieder werden zunehmend älter und allein über Mitgliedsbeiträge lassen sich die Kosten für den Unterhalt der Wege nicht mehr decken. Der Saarwaldverein ist daher für seine 2500 Kilometer Wanderwege ein Sponsorenkonzept aufgesetzt, das auch funktioniere, sagt der Vorsitzende Aribert von Pock.
"Dass wir zum Beispiel den Saarland-Rundwanderweg Firmen angeboten haben, uns dahingehend zu unterstützen, dass sie pro Jahr einen Betrag pro Kilometer geben. Im konkreten Fall, der Kilometer pro Jahr kostet 20 Euro, die Unternehmen sollten mindestens 50 Kilometer nehmen, sprich 1000 Euro im Jahr. Wir sind damit sehr, sehr gut gefahren und können damit ganz gut unsere Wanderwege insgesamt, nicht nur den Saarland-Rundwanderweg erhalten."
Von Pock ist skeptisch, dass die Wanderer sich auf Dauer beteiligen, schließlich sei der Wald für alle da und dafür dürften weder Gebühren erhoben werden noch sollten dafür um Spenden eingeworben werden.
"Wenn ich durch eine Kulturlandschaft über einen Kulturweg gehe, der vielleicht noch einen Park dahinter hat, dann weiß ich, dass ich Eintritt zahlen muss, aber nicht wenn ich durch einen Wald gehen will, der seit Jahrhunderten für jeden frei war, da halte ich also absolut nichts davon."

Es wird zu viel des Guten getan

Der Saarwaldverein hatte seine Mitglieder zum jährlichen Dankeschön-Fest geladen und die Funktionäre wissen, dass auch ihre Mitglieder die gut ausgeschilderten Traumschleifen schätzen. Es werde nur zu viel des Guten getan, argumentiert der Vorsitzende. Nicht jeder Weg müsse, weil es spektakulär ist, möglichst nah an der Bruchkante vorbeigeführt werden: Mehr Wandern statt mehr Erlebnis lautet seine Devise.
"Wir verkaufen die Philosophie einer freien Natur, die Illusion, die man vom Wandern hat im Gegensatz zu dem Produkt der Tourismuszentrale, die Traumschleifen verkauft und mit Punkten wirbt, das ist Produktverkauf und kein Wanderverkauf."
111 Traumschleifen weist das Saarland aus und damit ist eine Sättigungsgrenze wohl längst erreicht. Der Wandercent soll den Tourismusfachleuten deshalb auch dabei helfen zu überprüfen in wie weit diese Strategie tatsächlich trägt. Peter Klein.
"Es ist so, dass der Wandercent eine zweite Dimension hat, nämlich die, die Zufriedenheit des Wanderers auf unseren Wegen zu messen, d. h. derjenige der spendet, bringt ja nicht nur zwei oder fünf Euro in die Kasse der Kommune, die den Weg betreibt sondern zeigt damit auch die Wertschätzung für den Weg und zeigt auch eine gewisse Reihenfolge, ein Ranking der Beliebtheit der Wege. Die Leute wollen Natur haben."
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