"Der Welt fehlt Schönheit“
Neuen Raum für die Bildende Kunst, unter freiem Himmel. Mit diesem Ziel entstand vor 20 Jahren der Kunstpark Mariposa in Arona, im Süden der kanarischen Insel Teneriffa. Die Mitbegründerin Helga Müller lädt dorthin bis heute Künstler aus der ganzen Welt ein, um echte Kreativität zu fördern.
Über einen gewundenen Steinweg, eingerahmt von Kakteen in Blumen- oder Finger-Form, vorbei an Skulpturen aus Holz und Stein, dringt der Besucher langsam ins Innere von Mariposa vor. Sich verlieren ist hier eine Tugend, denn Mariposa ist kein Kulturpark zum ehrwürdigen Bestaunen. Hier haben internationale Künstler ihre Werke in größtmöglicher Harmonie in die Natur integriert. In der offenen Sommerküche wartet Helga Müller mit deutschem Apfelkuchen und Schlagsahne. 20 Jahre hat sie an diesem Park gearbeitet und tut es nach wie vor.
"Das sind 25.000 Quadratmeter Land, und auf diesem Land war seit hundert Jahren kein Bauer mehr tätig, das war eine völlig verwilderte, alte Finka, es gab keine einzige intakte Mauer mehr. Es war alles überwuchert von Kakteen und wild wachsenden Pflanzen. Und dann kamen die Müllers hierher..."
Sagt Helga Müller, lacht kurz auf und steckt sich eine neue Zigarette an. Genau hier sollte ein Ort der Schönheit und Kunst entstehen, der das ästhetische Bewusstsein im Menschen wiedererwecken soll. Zu der Anfang 70-Jährigen – Jeans, weißes T-Shirt, die langen, grauen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, eine große Brille auf der Nase – passt perfekt der Ausdruck "resolut". Was sie sich in den Kopf gesetzt hat, setzt sie um, denkt man. Aber so einfach war es nicht, belehrt sie den Gast. Das Projekt Mariposa gehört zu ihrem "zweiten" Leben.
"Ich hab meinen Mann kennengelernt, da war ich 37 und war schon lange in erster Ehe verheiratet. Ich hab sehr früh geheiratet, mit 22 – da weiß man noch wenig über das Leben. Und als ich dann Hans-Jürgen kennenlernte, war ich fertig, ich hatte schon ein Leben hinter mir, ein erfolgreiches obendrein."
Die Kaufmannstochter und der Galerist
In Neustadt an der Weinstraße wird Helga Müller geboren, später zieht sie mit Mutter und Stiefvater nach Saarbrücken. Waren es kulturbegeisterte Eltern?
"O nein, ich komme aus einer Kaufmannsfamilie, bei uns zuhause hingen ... Ölschinken. Ich erinnere einen tollen Strauss von Mohnblumen auf dunklem Hintergrund à la Rembrandt gemalt."
Helga Müller lernt früh Klavier spielen, unter anderem bei dem berühmten Pianisten Walter Gieseking. Aber Musik studieren war damals für ein Mädchen undenkbar, sagt sie. Stattdessen lernt sie Sprachen, macht nach der Geburt ihrer Tochter Cosima eine Ausbildung zur Simultan-Dolmetscherin, arbeitet sich zur Assistentin des damaligen Porsche-Vorstandchefs in Stuttgart hoch. 1977 lernt sie den Galeristen Hans-Jürgen Müller kennen.
"So ein Macho, das war so mein erster Eindruck von Herrn Müller. Und was daraus wurde, das Ergebnis, das sehen Sie jetzt hier auf Mariposa, eine kämpferische, eine existentielle und eine wunderbare Liebe war das, und wir waren wirklich füreinander bestimmt."
"Ich bin ja nicht wie die Jungfrau zum Kind zur Kunst gekommmen, sondern ich habe mit elf, als ich nach Saarbrücken kam, jeden Tag im Museum verbracht. Und wenn Sie dann aus der Betrachtersituation in den inneren Bereich der Kunstvermittlung kommen, wo ich mit Hans-Jürgen hinkam, dann müssen Sie komplett umlernen."
Über ihren 2009 verstorben Mann sagt die 71-Jährige heute: Er liebte einfach die Künstler und ihre Werke. Ende der 80er dann die große Enttäuschung: Kunstwerke werden zu Spekulationsobjekten. Beide beschließen, etwas zu ändern.
"1984 saßen wir dann in der Galerie zusammen. Und in dieser Nacht kristalisierte sich heraus: Was fehlt der Welt? Der Welt fehlt Schönheit und der Welt fehlt Kultur, ich rede von der Hochkultur."
Ein Kunstpark für Visionen
"Schönheit der menschengeschaffenen, kulturellen Umgebung ist notwendig, um den Menschen geistig und seelisch gesund zu halten" steht im Vorwort zu ihrem Kunstpark Mariposa in Teneriffa, ein Zitat von Verhaltensforscher Konrad Lorenz.
Das Ehepaar Müller lädt Künstler aus der ganzen Welt ein, um den Park zu gestalten. Voraussetzung: Das Kunstwerk entsteht vor Ort und in Harmonie mit der Natur. Finanziert haben sie das Ganze aus eigener Tasche.
Hinter einer verwunschen anmutenden Baumgruppe entdeckt man eine Art Pavillon. Der Vorhang besteht aus tausenden, blauen Glasperlen. Eine Referenz an Hesses Glasperlenspiel. Der Torbogen zum Wäschehof ist aus einem Tonscherben-Mosaik gestaltet. Eine goldene Treppe führt durch das Gelände und endet an ihrer höchsten Stelle "im Himmel".
Der "Konferenzraum": ein weißes Wasserbassin, drum herum in die Natur eingebettete Steinhocker, Schatten geben Kakteen. Die Teilnehmer sitzen hier mit den Füßen im Wasser.
"Wir haben keine Visionen mehr und das ist ein riesen Problem. Kreativität, das große Modewort, und kein Mensch weiß, was das ist. Kreativität ist, sich etwas vorzustellen, was es nicht gibt, Imagination. Wo lernt man das? In der bildenden Kunst."
Helga Müller, die in Stuttgart und Teneriffa lebt, ist rund fünf Mal im Jahr in Mariposa. Seit 2006 lädt sie deutsche Schüler zu Jugend-Mariposien ein, um in der Schönheit der Natur über die Bildungsarbeit nachzudenken. Und auch Erwachsene führt Helga Müller in Mariposien zusammen – Künstler, Wissenschaftler und Politiker –, um gemeinsam einem neuen Denken Raum zu geben.
"Das sind 25.000 Quadratmeter Land, und auf diesem Land war seit hundert Jahren kein Bauer mehr tätig, das war eine völlig verwilderte, alte Finka, es gab keine einzige intakte Mauer mehr. Es war alles überwuchert von Kakteen und wild wachsenden Pflanzen. Und dann kamen die Müllers hierher..."
Sagt Helga Müller, lacht kurz auf und steckt sich eine neue Zigarette an. Genau hier sollte ein Ort der Schönheit und Kunst entstehen, der das ästhetische Bewusstsein im Menschen wiedererwecken soll. Zu der Anfang 70-Jährigen – Jeans, weißes T-Shirt, die langen, grauen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, eine große Brille auf der Nase – passt perfekt der Ausdruck "resolut". Was sie sich in den Kopf gesetzt hat, setzt sie um, denkt man. Aber so einfach war es nicht, belehrt sie den Gast. Das Projekt Mariposa gehört zu ihrem "zweiten" Leben.
"Ich hab meinen Mann kennengelernt, da war ich 37 und war schon lange in erster Ehe verheiratet. Ich hab sehr früh geheiratet, mit 22 – da weiß man noch wenig über das Leben. Und als ich dann Hans-Jürgen kennenlernte, war ich fertig, ich hatte schon ein Leben hinter mir, ein erfolgreiches obendrein."
Die Kaufmannstochter und der Galerist
In Neustadt an der Weinstraße wird Helga Müller geboren, später zieht sie mit Mutter und Stiefvater nach Saarbrücken. Waren es kulturbegeisterte Eltern?
"O nein, ich komme aus einer Kaufmannsfamilie, bei uns zuhause hingen ... Ölschinken. Ich erinnere einen tollen Strauss von Mohnblumen auf dunklem Hintergrund à la Rembrandt gemalt."
Helga Müller lernt früh Klavier spielen, unter anderem bei dem berühmten Pianisten Walter Gieseking. Aber Musik studieren war damals für ein Mädchen undenkbar, sagt sie. Stattdessen lernt sie Sprachen, macht nach der Geburt ihrer Tochter Cosima eine Ausbildung zur Simultan-Dolmetscherin, arbeitet sich zur Assistentin des damaligen Porsche-Vorstandchefs in Stuttgart hoch. 1977 lernt sie den Galeristen Hans-Jürgen Müller kennen.
"So ein Macho, das war so mein erster Eindruck von Herrn Müller. Und was daraus wurde, das Ergebnis, das sehen Sie jetzt hier auf Mariposa, eine kämpferische, eine existentielle und eine wunderbare Liebe war das, und wir waren wirklich füreinander bestimmt."
"Ich bin ja nicht wie die Jungfrau zum Kind zur Kunst gekommmen, sondern ich habe mit elf, als ich nach Saarbrücken kam, jeden Tag im Museum verbracht. Und wenn Sie dann aus der Betrachtersituation in den inneren Bereich der Kunstvermittlung kommen, wo ich mit Hans-Jürgen hinkam, dann müssen Sie komplett umlernen."
Über ihren 2009 verstorben Mann sagt die 71-Jährige heute: Er liebte einfach die Künstler und ihre Werke. Ende der 80er dann die große Enttäuschung: Kunstwerke werden zu Spekulationsobjekten. Beide beschließen, etwas zu ändern.
"1984 saßen wir dann in der Galerie zusammen. Und in dieser Nacht kristalisierte sich heraus: Was fehlt der Welt? Der Welt fehlt Schönheit und der Welt fehlt Kultur, ich rede von der Hochkultur."
Ein Kunstpark für Visionen
"Schönheit der menschengeschaffenen, kulturellen Umgebung ist notwendig, um den Menschen geistig und seelisch gesund zu halten" steht im Vorwort zu ihrem Kunstpark Mariposa in Teneriffa, ein Zitat von Verhaltensforscher Konrad Lorenz.
Das Ehepaar Müller lädt Künstler aus der ganzen Welt ein, um den Park zu gestalten. Voraussetzung: Das Kunstwerk entsteht vor Ort und in Harmonie mit der Natur. Finanziert haben sie das Ganze aus eigener Tasche.
Hinter einer verwunschen anmutenden Baumgruppe entdeckt man eine Art Pavillon. Der Vorhang besteht aus tausenden, blauen Glasperlen. Eine Referenz an Hesses Glasperlenspiel. Der Torbogen zum Wäschehof ist aus einem Tonscherben-Mosaik gestaltet. Eine goldene Treppe führt durch das Gelände und endet an ihrer höchsten Stelle "im Himmel".
Der "Konferenzraum": ein weißes Wasserbassin, drum herum in die Natur eingebettete Steinhocker, Schatten geben Kakteen. Die Teilnehmer sitzen hier mit den Füßen im Wasser.
"Wir haben keine Visionen mehr und das ist ein riesen Problem. Kreativität, das große Modewort, und kein Mensch weiß, was das ist. Kreativität ist, sich etwas vorzustellen, was es nicht gibt, Imagination. Wo lernt man das? In der bildenden Kunst."
Helga Müller, die in Stuttgart und Teneriffa lebt, ist rund fünf Mal im Jahr in Mariposa. Seit 2006 lädt sie deutsche Schüler zu Jugend-Mariposien ein, um in der Schönheit der Natur über die Bildungsarbeit nachzudenken. Und auch Erwachsene führt Helga Müller in Mariposien zusammen – Künstler, Wissenschaftler und Politiker –, um gemeinsam einem neuen Denken Raum zu geben.