Der Wink des Himmels
Der Romanautor und Dramatiker Michael Frayn ist hierzulande vor allem wegen seiner Theaterkomödie "Noises off" bekannt. Derzeit ist der 74-Jährige in Deutschland unterwegs und stellt sein Buch <papaya:addon addon="d53447f5fcd08d70e2f9158d31e5db71" article="135353" text="Gegen Ende des Morgens" alternative_text="Gegen Ende des Morgens" /> vor, das im Original bereits 1967 erschien und das britische Zeitungsmilieu beleuchtet.
Michael Frayn, ein schlanker Mann mit Halbglatze und randloser Brille, dunkelblauer Mantel, blau-grau-gestreifter Schal, bleibt vor dem Eingang eines Berliner Cafés stehen, direkt neben einer großen Buche. Der Herbstwind richtet seine grauen Haare immer wieder auf. Die Jahreszeit und das gelbe Laub auf dem Gehweg erinnern den britischen Autor an seine Zeit als Fernsehjournalist:
"Früher habe ich öfter Fernsehdokumentationen moderiert, in denen so ein Depp wie ich vor der Kamera steht und sagt: ‚Sehen Sie sich dieses schöne historisch bedeutende Haus da vorne an!’ Als wir im Herbst in Wien drehten, mussten wir immer wieder Einstellungen wiederholen. Schließlich fuhr ein Laubbeseitungsfahrzeug genau ins Bild, parkte und die Fahrer gingen essen. Als wir eine andere Einstellung gewählt hatten, fuhr das Laubfahrzeug wieder ins Bild. Einmal habe ich einen Film über Jerusalem gedreht. Unter anderem vor dem Teich von Siloah, an dem Jesus einen Blinden sehend machte. 18 Mal haben wir die Einstellung vergeblich gedreht. Dann, als alles perfekt war, segelte ein Blatt Papier vom Himmel, von Gott, herab. Ich glaube, Gott wollte nicht, dass ein Film über Jerusalem gedreht wird."
Immer wieder lacht Michael Frayn los, sehr oft unerwartet, nach ernsten Überlegungen, die schließlich ins Komische abdriften. So auch, als er im Café sitzt, die rechte Wange in seine Hand legt und sein Leben und seine Karriere als Journalist, Romancier und Dramatiker Revue passieren lässt. Eine äußerst wichtige Station in seinem Leben war Berlin. Die Stadt verzauberte ihn geradezu, als er sie Anfang der 70er kennenlernte. Damals berichtete er aus Berlin für den "Observer" und erlebte unter anderem die Guillaume-Affäre mit und den Rücktritt Willy Brandts. Es sollte Jahrzehnte später der Stoff sein, der die Grundlage für sein wohl berühmtestes Theaterstück "Demokratie" wurde:
"Willy Brandt war ein großartiger Mann. Er hat etwas sehr Schwieriges geschafft, etwas, das man vor ihm für politisch unmöglich gehalten hatte: Er hat die Deutschen dazu überredet, die Existenz der DDR und die Nachkriegsregelung anzuerkennen. Deutschland hatte ein Viertel des Territoriums verloren. Viele Deutsche wollten das natürlich nicht akzeptieren. Viele waren aus dem Osten vertrieben worden, andere hatten Verwandte in der DDR usw. Ich glaube, dass Brandt den Anfang vom Ende des Kalten Krieges ausgelöst hat. Nur den Anfang, aber das war sehr, sehr wichtig."
Brandt, der erfolgreiche Politiker. Das ist die eine Seite. Aber auch die andere interessierte Michael Frayn: Brandt, der Mensch, der Probleme mit Alkohol hat, der sich mit Entscheidungen schwer tut, der konfliktscheu ist.
"Wie Willy Brandt bin auch ich konfliktscheu. Ich mag nicht, wenn Konfrontation zwischen meinen Charakteren entsteht. Das aber macht doch das Theaterstück aus: die Konfrontation zwischen Charakteren, zwischen Figuren. Ich muss sehr hart arbeiten, um diese Konfrontation auf die Bühne zu bringen. Wenn es nach meinem Naturell geht, ist jeder zu jedem nett: ‚Guten Morgen! Hallo! Was für ein schöner Tag heute!’ Und dann habe ich zu mir selbst gesagt: ‚So geht das nicht. Los, da muss ein Konflikt entstehen!’ Aber von allein entsteht der bei mir nicht."
Wer Michael Frayns Roman "Gegen Ende des Morgens" liest, der 40 Jahre nach der englischen Erstausgabe nun auf Deutsch erschienen ist, kann nicht so recht glauben, dass der Autor Konflikte selbst in der Fiktion scheut. Denn die satirische Abrechnung mit dem Zeitungsjournalismus birgt im Roman so manch einen Konflikt. Zum Beispiel den des Verlegers, der seinen Chefredakteur in einem geheimen Schreiben damit beauftragt, einen unangenehmen Mitarbeiter loszuwerden. Koste es, was es wolle. Wenn er etwas schreibe, wisse er nicht, ob das komisch ist oder nicht, erzählt der 74-jährige Frayn und kneift dabei seine hellblauen Augen zusammen. Für das Theater und das Schreiben interessierte sich Michael Frayn schon als Kind:
"Ich schreibe, seit ich schreiben und lesen kann. Damals schrieb ich Kindergeschichten. Und ich hatte ein Puppentheater. Ich schrieb Stücke, um sie im Puppentheater aufzuführen. Ich war sehr ungeschickt. Das Puppentheater war krumm und schief. Nichts klappte. Dann habe ich Gedichte geschrieben. Ich habe einfach immer geschrieben."
Und so wurde er nach und nach zu einem international anerkannten Romancier, zu einem hoch gelobten Tschechow-Übesetzer und zu einem gefeierten Dramatiker. Der studierte Philosoph Michael Frayn versuchte sich allerdings auch auf anderen Feldern als jenem der Literatur: Mit 30 Jahren entdeckte er das Klavier für sich, übte 10 Jahre lang wie besessen und konnte danach kein einziges Stück annehmbar spielen. Und das, obwohl seine Mutter, die früh starb, Geige studiert hatte.
"Ihr Vater aber, ein äußerst liebenswerter Mann, mein Großvater, war ein Händler. Er gründete Firmen mit Geschäftspartnern, die dann mit dem ganzen Geld verschwanden. Er ging immer wieder bankrott. Leider auch, als meine Mutter gerade mitten im Geigenstudium an der Royal Academy war. Da musste sie das Studium aufgeben, weil kein Geld mehr für die Studiengebühr da war. Dann arbeitete sie als Verkäuferin. Als ich und meine Schwester Kinder waren, nörgelten wir, besonders an Regentagen, so lange herum, bis meine Mutter schließlich ihre Geige hervorholte und uns etwas vorspielte. Das gehört zu den tollsten Erinnerung an meine Kindheit!"
"Früher habe ich öfter Fernsehdokumentationen moderiert, in denen so ein Depp wie ich vor der Kamera steht und sagt: ‚Sehen Sie sich dieses schöne historisch bedeutende Haus da vorne an!’ Als wir im Herbst in Wien drehten, mussten wir immer wieder Einstellungen wiederholen. Schließlich fuhr ein Laubbeseitungsfahrzeug genau ins Bild, parkte und die Fahrer gingen essen. Als wir eine andere Einstellung gewählt hatten, fuhr das Laubfahrzeug wieder ins Bild. Einmal habe ich einen Film über Jerusalem gedreht. Unter anderem vor dem Teich von Siloah, an dem Jesus einen Blinden sehend machte. 18 Mal haben wir die Einstellung vergeblich gedreht. Dann, als alles perfekt war, segelte ein Blatt Papier vom Himmel, von Gott, herab. Ich glaube, Gott wollte nicht, dass ein Film über Jerusalem gedreht wird."
Immer wieder lacht Michael Frayn los, sehr oft unerwartet, nach ernsten Überlegungen, die schließlich ins Komische abdriften. So auch, als er im Café sitzt, die rechte Wange in seine Hand legt und sein Leben und seine Karriere als Journalist, Romancier und Dramatiker Revue passieren lässt. Eine äußerst wichtige Station in seinem Leben war Berlin. Die Stadt verzauberte ihn geradezu, als er sie Anfang der 70er kennenlernte. Damals berichtete er aus Berlin für den "Observer" und erlebte unter anderem die Guillaume-Affäre mit und den Rücktritt Willy Brandts. Es sollte Jahrzehnte später der Stoff sein, der die Grundlage für sein wohl berühmtestes Theaterstück "Demokratie" wurde:
"Willy Brandt war ein großartiger Mann. Er hat etwas sehr Schwieriges geschafft, etwas, das man vor ihm für politisch unmöglich gehalten hatte: Er hat die Deutschen dazu überredet, die Existenz der DDR und die Nachkriegsregelung anzuerkennen. Deutschland hatte ein Viertel des Territoriums verloren. Viele Deutsche wollten das natürlich nicht akzeptieren. Viele waren aus dem Osten vertrieben worden, andere hatten Verwandte in der DDR usw. Ich glaube, dass Brandt den Anfang vom Ende des Kalten Krieges ausgelöst hat. Nur den Anfang, aber das war sehr, sehr wichtig."
Brandt, der erfolgreiche Politiker. Das ist die eine Seite. Aber auch die andere interessierte Michael Frayn: Brandt, der Mensch, der Probleme mit Alkohol hat, der sich mit Entscheidungen schwer tut, der konfliktscheu ist.
"Wie Willy Brandt bin auch ich konfliktscheu. Ich mag nicht, wenn Konfrontation zwischen meinen Charakteren entsteht. Das aber macht doch das Theaterstück aus: die Konfrontation zwischen Charakteren, zwischen Figuren. Ich muss sehr hart arbeiten, um diese Konfrontation auf die Bühne zu bringen. Wenn es nach meinem Naturell geht, ist jeder zu jedem nett: ‚Guten Morgen! Hallo! Was für ein schöner Tag heute!’ Und dann habe ich zu mir selbst gesagt: ‚So geht das nicht. Los, da muss ein Konflikt entstehen!’ Aber von allein entsteht der bei mir nicht."
Wer Michael Frayns Roman "Gegen Ende des Morgens" liest, der 40 Jahre nach der englischen Erstausgabe nun auf Deutsch erschienen ist, kann nicht so recht glauben, dass der Autor Konflikte selbst in der Fiktion scheut. Denn die satirische Abrechnung mit dem Zeitungsjournalismus birgt im Roman so manch einen Konflikt. Zum Beispiel den des Verlegers, der seinen Chefredakteur in einem geheimen Schreiben damit beauftragt, einen unangenehmen Mitarbeiter loszuwerden. Koste es, was es wolle. Wenn er etwas schreibe, wisse er nicht, ob das komisch ist oder nicht, erzählt der 74-jährige Frayn und kneift dabei seine hellblauen Augen zusammen. Für das Theater und das Schreiben interessierte sich Michael Frayn schon als Kind:
"Ich schreibe, seit ich schreiben und lesen kann. Damals schrieb ich Kindergeschichten. Und ich hatte ein Puppentheater. Ich schrieb Stücke, um sie im Puppentheater aufzuführen. Ich war sehr ungeschickt. Das Puppentheater war krumm und schief. Nichts klappte. Dann habe ich Gedichte geschrieben. Ich habe einfach immer geschrieben."
Und so wurde er nach und nach zu einem international anerkannten Romancier, zu einem hoch gelobten Tschechow-Übesetzer und zu einem gefeierten Dramatiker. Der studierte Philosoph Michael Frayn versuchte sich allerdings auch auf anderen Feldern als jenem der Literatur: Mit 30 Jahren entdeckte er das Klavier für sich, übte 10 Jahre lang wie besessen und konnte danach kein einziges Stück annehmbar spielen. Und das, obwohl seine Mutter, die früh starb, Geige studiert hatte.
"Ihr Vater aber, ein äußerst liebenswerter Mann, mein Großvater, war ein Händler. Er gründete Firmen mit Geschäftspartnern, die dann mit dem ganzen Geld verschwanden. Er ging immer wieder bankrott. Leider auch, als meine Mutter gerade mitten im Geigenstudium an der Royal Academy war. Da musste sie das Studium aufgeben, weil kein Geld mehr für die Studiengebühr da war. Dann arbeitete sie als Verkäuferin. Als ich und meine Schwester Kinder waren, nörgelten wir, besonders an Regentagen, so lange herum, bis meine Mutter schließlich ihre Geige hervorholte und uns etwas vorspielte. Das gehört zu den tollsten Erinnerung an meine Kindheit!"