"Der zerbrochene Krug" am Düsseldorfer Schauspiel

Feministisch aufgefrischte Kleist-Inszenierung

Eine Szene aus "Der zerbrochne Krug" in der Düsseldorfer Inszenierung
Laura Linnenbaum befasst sich in ihrer Inszenierung von "Der zerbrochne Krug" mit Machtverhältnissen der gegenwärtigen Gesellschaft. © Sandra Then
Dorothea Marcus im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Die #MeToo-Debatte lenkt unsere Aufmerksamkeit auf jahrhundertelang eingeübte Mechanismen. Darf sexuelle Aufdringlichkeit als Kavaliersdelikt durchgehen? Die Düsseldorfer Inszenierung des Kleist-Stücks "Der zerbrochne Krug" findet klare Antworten darauf.
Ob der Amtsrichter Adam die junge, unverheiratete Bäuerin Eve tatsächlich zu sexuellen Handlungen gezwungen hat, lässt Heinrich von Kleist in seinem Lustspiel "Der zerbrochene Krug" offen. Aber es ist gut möglich. Ein Krug ist in Eves Zimmer zu Bruch gegangen. Ihre Mutter verdächtigt den Bräutigam, der war’s nicht und will von seiner Braut nichts mehr wissen. Also sieht man sich, um die Ehre herzustellen, vor Gericht wieder. Und dort sitzt der Hauptverdächtige. Kleists Lustspiel ist von Laura Linnenbaum am Düsseldorfer Schauspiel neu inszeniert worden.
Die #MeToo-Debatte lenkt unsere Aufmerksamkeit auf Mechanismen, die jahrhundertlang eingeübt worden sind: Eine Frau muss sexuelle Zudringlichkeit, wenn nicht Gewalt, abwehren und sich dann vor Gericht verteidigen. In der Vergangenheit ist der Dorfrichter oft gar nicht so unsympathisch dargestellt worden. Nun aber zerlegt Laura Linnenbaum in ihrer Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus die Idee des Kavaliersdeliktes gründlich.
Die Regisseurin Laura Linnenbaum, aufgenommen am 04.10.2016 auf der Probebühne des Puppentheaters Chemnitz.
Die Regisseurin Laura Linnenbaum wurde unter anderem durch ein Theaterprojekt bekannt, das die Spur des NSU nachzeichnet.© dpa-Zentralbild

#MeToo trieft aus allen Ecken

Cennet Rüya Voß spielt die Figur der Eve sehr still. Sie ist wie zu einer Statue lebensfern erstarrt. Als personifizierte Unschuld trägt sie weiße Latzhosen und Gummistiefel. Am Ende gibt ihr Laura Linnenbaum den Monolog, den Kleist einst selbst für sie gedacht hatte, zurück. Der ist bislang fast nicht inszeniert worden. Denn als Goethe den Monolog 1808 noch selbst aufführte, floppte die Inszenierung. Daraufhin hat Kleist den Monolog der Eve, in dem sie ihre Beweggründe erklärt, weggekürzt. Dieser Monolog wird Eve nun wiedergegeben, um sich in ihrer Kraft zu entfalten. #MeToo trieft aus allen Ecken.

Eve wird am Ende trotzdem vergewaltigt

Der, der als der Demokratiewächter schlechthin auftritt, das Licht der Aufklärung vor sich herträgt, wird vom Dorfrichter Adam korrumpiert, mit Wein, Käse und Wurst. Am Ende bittet er Ruprecht zwei Minuten mit dem Handy zu stoppen, Zeit für einen Kuss. Und diese Kuss-Szene gerät zu einer echten Vergewaltigung.
Eine konzentrierte, auf den Punkt gebrachte Inszenierung. Die Figuren bleiben durch den Bau der Kulisse manchmal etwas statisch. Ansonsten werden sprachliche Funken geschlagen, es gibt große Lacher und ein schockierendes Ende. Männer-Bünde überleben und Dorfrichter Adam kommt in tailliertem Anzug wieder ins Amt.

Besetzung
Walter, Gerichtsrat - Florian Lange
Adam, Dorfrichter - Andreas Grothgar
Licht, Schreiber - Rainer Philippi
Frau Marthe Rull - Michaela Steiger
Eve, ihre Tochter - Cennet Rüya Voß
Ruprecht - Stefan Gorski
Frau Brigitte - Markus Danzeisen

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