"Der zölibatäre Priester als auratische Figur"
Schon als Kind habe ihn der katholische Glauben mit seiner Theatralik und seinen Ritualen fasziniert, sagt der "Spiegel"-Journalist Matthias Matussek. In der katholischen Bilderwelt habe er sich immer sehr geborgen gefühlt.
Anne Françoise Weber: Warum Glaube? "Weil mich die Bekenntnisarmut unseres Betriebes anödet, diese Dauerironie, in der jeder Standpunkt zur Tänzelei wird und jeder Gläubige zur Lachnummer, der aus der Zeit gefallen ist", schreibt der Journalist Matthias Matussek in seinem neuen Buch "Das katholische Abenteuer".
Er beschreibt darin nicht nur seine katholische Kindheit, sondern kombiniert Reportagen aus aller Welt mit Gesprächen über den Glauben und mit Betrachtungen über den jetzigen Papst und seine Vorgänger. Ich habe vor der Sendung mit Matthias Matussek gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das seit Freitag in Erfurt tagt, für ihn eigentlich eine überflüssige Einrichtung ist – schließlich bekennt er sich ganz klar zur undemokratischen Hierarchie der katholischen Kirche.
Matthias Matussek: Ich bekenne mich zur traditionellen Hierarchie, ob die jetzt nun undemokratisch ist, weiß ich nicht. Der Papst wird vom Konzil gewählt, das ist ja eine Form von Demokratie …
Weber: Nicht gerade Basisdemokratie, aber ja.
Matussek: Nicht gerade Basisdemokratie, das ist richtig, aber die Ursprungsfigur – Jesus - hat ja Petrus auch eingesetzt. Der hat nicht darüber abstimmen lassen, wen die Jünger am liebsten an der Spitze hätten, sondern er hat einfach bestimmt, du bist Petrus, mein Fels.
Ich glaube, dass mangelnde Demokratie jetzt nicht das Hauptproblem ist, was die katholische Kirche hat. Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, und ich glaube, das ist sehr sinnvoll, dass sie diese vielleicht feudale Zuspitzung auf einen an der Spitze hat, weil wir sonst das erleben würden, wie es die protestantischen Kirchen erlebt haben: Jeder macht seinen eigenen Laden auf, und es ist, bei jeder Detailfrage wird gleich eine neue Vereinigung gegründet, und die katholische Kirche hat es relativ geschlossen 2000 Jahre geschafft.
Weber: Aber was ist dann der Platz von einer Laienvertretung, und wozu dann einen Dialogprozess, den die deutschen Bischöfe doch angestoßen haben?
Matussek: Für meinen Glauben hat – muss ich ehrlich sagen -, ich wusste bis vor Kurzem wirklich nicht, welche Aufgabe das Zentralkomitee der Katholiken hat – für meinen Glauben spielt er keine Rolle. Er hat sich bisher sozusagen auf meinem inneren Radarschirm, weil das ZdK nie irgendeine Größe, die für mich relevant gewesen wäre.
Weber: Sie orientieren sich eher an der Spitze?
Matussek: Nee, ich orientiere mich am Glauben, an der Messe, am Evangelium, an der Liturgie, an all dem Reichtum, den die katholische Kirche hat in ihrer Formensprache und ihrer Glaubenssprache. Ich glaube, dass die öffentliche Diskussion eine Ablenkungsdiskussion ist.
Weber: Ablenkung wovon?
Matussek: Vom Bekenntnis. Vom Glauben. Von dem, was tatsächlich zählt und wichtig ist. Ich glaube nicht, dass die Weltkirche jetzt sich mit dem Zölibat in erster Linie rumschlagen – die nehmen das hin, es ist eine Tradition in der Kirche, die durch zahllose Verweise im Evangelium in irgendeiner Form gestützt ist –, die treibt eher um, wie schaffe ich es, in Pakistan oder Nigeria oder Ägypten als Katholik zu überleben.
Weber: Das heißt aber ja nicht, dass diese Diskussion nicht hier doch geführt werden könnte. Natürlich ist es eine Weltkirche, aber sie muss sich ja doch auf auch lokale Gegebenheit und lokalen Diskussionsbedarf einstellen.
Matussek: Ja, da sage ich eben, also dieser lokale Diskussionsstoff ist sehr lokal. Er ist für mich das Höchstmaß an Irrelevanz. Es ist für mich völlig schnurzepiepe, ob jemand daran Anstoß nimmt, dass es den zölibatären Priester gibt. Ich persönlich, muss ich Ihnen aus meiner religiösen Prägung und meiner Kindheit und auch meiner Adoleszenz und auch meinem Erwachsenenleben sagen, dass der zölibatäre Priester als auratische Figur und auch als Respektperson und Kontaktperson für mich immer sehr wichtig war. In meinem Buch "Das katholische Abenteuer" schildere ich ja katholische Kindheit, die auch deshalb abenteuerlich war, weil sie sehr theatralisch war. Wir haben Messe gespielt zu Hause, wir kamen als …
Weber: Da gibt es schöne Bilder davon.
Matussek: Ja, ich durfte noch nicht Ministrant sein, und meine Mutter hat uns Messdienergewänder genäht, und wir haben zu Hause tatsächlich Messe gespielt mit einer kleinen Spielzeugmonstranz. Natürlich haben wir die Wohnung eingesegnet zu Ostern, Fronleichnam, wir haben, wenn wir in den Urlaub fuhren, zum heiligen Christophorus gebetet, wenn wir was verloren haben, zum heiligen Antonius.
Dieser katholische Alltag oder diese katholische Bilderwelt, mit der ich aufgewachsen bin, das war eine derartig theatralische und abenteuerliche Landschaft und auch eine sehr geborgene Landschaft. Für mich gab es ganz naiv den lieben Gott und es gab die Schutzengel, die aufgepasst haben, und es gab ein Eingebettetsein und ein Geborgensein in diesen Glauben.
Weber: Ihr Buch trägt den Untertitel "Eine Provokation". Natürlich ist es zurzeit wirklich etwas überraschend, wenn sich jemand, der dazu früher noch Maoist war, vorbehaltlos zur katholischen Kirche bekennt, aber letztendlich ist doch auch die deutsche Gesellschaft irgendwie ziemlich geprägt von christlichen Werten. Die Kirchen haben eine wichtige gesellschaftliche Stellung immer noch, die Vertreter wurden zuletzt jetzt eingeladen, auch noch bei der Ethikkommission zur Atomkraft mitzumachen. All das, was Sie zu Hochmut, Habgier, Wollust und so weiter schreiben, das würde Ihnen, glaube ich, fast jeder Bildungsbürger – mindestens über 60 – unterschreiben. Was provoziert an Ihrem Buch?
Matussek: Wissen Sie, ich war eingeladen bei Markus Lanz, und wir wollten uns eigentlich über das Buch unterhalten. Da waren aber noch andere Leute eingeladen. Und kaum gab ich die erste Antwort zum Buch, brüllte einer der Beteiligten – in dem Falle war das Mathieu Carrière – los: Ihr seid doch eine kriminelle Vereinigung – und so weiter. Publikum klatschte. Die anderen fielen mit ein. Es ging dann sofort innerhalb von zwei Sekunden – ich konnte gar nicht zum Glauben reden – um Kindesmissbrauch, Zölibat und, und, und. Ich hätte es mir nicht so schlimm vorgestellt. Der Lanz sagte mir am Anfang der Sendung: Wissen Sie was, Herr Matussek, vor 30 Jahren wäre das Normalität gewesen, und jetzt schreiben sie Provokation darunter. Und dann entwickelte sich das innerhalb von drei Minuten, als ob das Studio sich anstrengt, die Untertitel zu belegen.
Weber: Das klingt wirklich so, als ob Sie in einer kleinen Minderheit seien, als Christ, als bekennender Christ. Nun kritisieren Sie auch noch die Protestanten für ihre Do-it-yourself-Religion, die irgendwie nicht so richtig überzeugend ist, nicht so ganz die Gegenwelt verkörpert. Sie kritisieren auch noch die katholischen Kirchenreformer, da bleibt doch wirklich nur noch ein Kern von Traditionalisten übrig, ein ehrlich gesagt ziemlich armseliges Häuflein. Ist das in dieser Zeit nicht eigentlich die falsche Strategie, müssten Sie nicht irgendwie die Arme weit ausbreiten und sagen, alle Gläubigen, kommt zu mir, wir vereinigen uns, wir treten dafür ein, dass der Glaube wieder eine wichtige Stellung hat?
Matussek: Wissen Sie, die Arme ganz weit ausbreiten, das ist schön und gut, aber ich finde es natürlich bedauerlich, dass nur noch 13 Prozent der Katholiken wirklich in die Kirche gehen. Das hat einen Grund, und ich versuche da ein bisschen Ursachenforschung zu betreiben und nehme auch mich selber und mein Erleben. Ich glaube, dass die katholische Kirche mit dem Armeausbreiten, dem Aggiornamento so ein bisschen die Seele verloren hat. Sie hat so ein bisschen ihr Geheimnis und ihren Zauber und ja, ihr Innerstes verloren.
Die ZdK macht natürlich einen wahnsinnigen Lärm, aber ich glaube, die anderen, was ich so spüre, empfinden so ein bisschen wie ich, und tatsächlich geht es im Moment ein bisschen um die Seele der Kirche. Der Papst hat ja in dem wunderbaren Buch von Seewald eine Kirche skizziert, die alles andere als armselig ist, und ich finde zum Beispiel diesen Papst – anders als das ZdK – eine sehr, sehr wichtige und kluge und für die katholische Kirche wichtige Figur.
Also da fühle ich mich eigentlich doch eher bei der Mehrheit, muss ich sagen, wenn ich darauf bestehe, dass wir ein bisschen mehr auf die Form achten, dass wir sozusagen unser dogmatisches Tafelsilber nicht einfach verschleudern, sondern wirklich wieder sozusagen der Kirche Gestalt geben. Ich habe in New York einen Priester gehabt, der gepredigt hat über die Frage Glaube und Ritual. Und der sagte: Ein Ritual ohne Glaube ist leer, aber ein Glaube ohne Ritual ist gestaltlos. Und ich hab halt diese spezifisch katholische Mischung – andere sehen das anders –, für mich ist die Formensprache vielleicht genauso wichtig wie der Inhalt.
Weber: Der "Spiegel"-Journalist und Publizist Matthias Matussek über seinen Glauben. Sein Buch "Das katholische Abenteuer. Eine Provokation" ist in dieser Woche bei der Deutschen Verlagsanstalt erschienen, umfasst 368 Seiten und kostet 19,99 Euro.
Er beschreibt darin nicht nur seine katholische Kindheit, sondern kombiniert Reportagen aus aller Welt mit Gesprächen über den Glauben und mit Betrachtungen über den jetzigen Papst und seine Vorgänger. Ich habe vor der Sendung mit Matthias Matussek gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das seit Freitag in Erfurt tagt, für ihn eigentlich eine überflüssige Einrichtung ist – schließlich bekennt er sich ganz klar zur undemokratischen Hierarchie der katholischen Kirche.
Matthias Matussek: Ich bekenne mich zur traditionellen Hierarchie, ob die jetzt nun undemokratisch ist, weiß ich nicht. Der Papst wird vom Konzil gewählt, das ist ja eine Form von Demokratie …
Weber: Nicht gerade Basisdemokratie, aber ja.
Matussek: Nicht gerade Basisdemokratie, das ist richtig, aber die Ursprungsfigur – Jesus - hat ja Petrus auch eingesetzt. Der hat nicht darüber abstimmen lassen, wen die Jünger am liebsten an der Spitze hätten, sondern er hat einfach bestimmt, du bist Petrus, mein Fels.
Ich glaube, dass mangelnde Demokratie jetzt nicht das Hauptproblem ist, was die katholische Kirche hat. Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, und ich glaube, das ist sehr sinnvoll, dass sie diese vielleicht feudale Zuspitzung auf einen an der Spitze hat, weil wir sonst das erleben würden, wie es die protestantischen Kirchen erlebt haben: Jeder macht seinen eigenen Laden auf, und es ist, bei jeder Detailfrage wird gleich eine neue Vereinigung gegründet, und die katholische Kirche hat es relativ geschlossen 2000 Jahre geschafft.
Weber: Aber was ist dann der Platz von einer Laienvertretung, und wozu dann einen Dialogprozess, den die deutschen Bischöfe doch angestoßen haben?
Matussek: Für meinen Glauben hat – muss ich ehrlich sagen -, ich wusste bis vor Kurzem wirklich nicht, welche Aufgabe das Zentralkomitee der Katholiken hat – für meinen Glauben spielt er keine Rolle. Er hat sich bisher sozusagen auf meinem inneren Radarschirm, weil das ZdK nie irgendeine Größe, die für mich relevant gewesen wäre.
Weber: Sie orientieren sich eher an der Spitze?
Matussek: Nee, ich orientiere mich am Glauben, an der Messe, am Evangelium, an der Liturgie, an all dem Reichtum, den die katholische Kirche hat in ihrer Formensprache und ihrer Glaubenssprache. Ich glaube, dass die öffentliche Diskussion eine Ablenkungsdiskussion ist.
Weber: Ablenkung wovon?
Matussek: Vom Bekenntnis. Vom Glauben. Von dem, was tatsächlich zählt und wichtig ist. Ich glaube nicht, dass die Weltkirche jetzt sich mit dem Zölibat in erster Linie rumschlagen – die nehmen das hin, es ist eine Tradition in der Kirche, die durch zahllose Verweise im Evangelium in irgendeiner Form gestützt ist –, die treibt eher um, wie schaffe ich es, in Pakistan oder Nigeria oder Ägypten als Katholik zu überleben.
Weber: Das heißt aber ja nicht, dass diese Diskussion nicht hier doch geführt werden könnte. Natürlich ist es eine Weltkirche, aber sie muss sich ja doch auf auch lokale Gegebenheit und lokalen Diskussionsbedarf einstellen.
Matussek: Ja, da sage ich eben, also dieser lokale Diskussionsstoff ist sehr lokal. Er ist für mich das Höchstmaß an Irrelevanz. Es ist für mich völlig schnurzepiepe, ob jemand daran Anstoß nimmt, dass es den zölibatären Priester gibt. Ich persönlich, muss ich Ihnen aus meiner religiösen Prägung und meiner Kindheit und auch meiner Adoleszenz und auch meinem Erwachsenenleben sagen, dass der zölibatäre Priester als auratische Figur und auch als Respektperson und Kontaktperson für mich immer sehr wichtig war. In meinem Buch "Das katholische Abenteuer" schildere ich ja katholische Kindheit, die auch deshalb abenteuerlich war, weil sie sehr theatralisch war. Wir haben Messe gespielt zu Hause, wir kamen als …
Weber: Da gibt es schöne Bilder davon.
Matussek: Ja, ich durfte noch nicht Ministrant sein, und meine Mutter hat uns Messdienergewänder genäht, und wir haben zu Hause tatsächlich Messe gespielt mit einer kleinen Spielzeugmonstranz. Natürlich haben wir die Wohnung eingesegnet zu Ostern, Fronleichnam, wir haben, wenn wir in den Urlaub fuhren, zum heiligen Christophorus gebetet, wenn wir was verloren haben, zum heiligen Antonius.
Dieser katholische Alltag oder diese katholische Bilderwelt, mit der ich aufgewachsen bin, das war eine derartig theatralische und abenteuerliche Landschaft und auch eine sehr geborgene Landschaft. Für mich gab es ganz naiv den lieben Gott und es gab die Schutzengel, die aufgepasst haben, und es gab ein Eingebettetsein und ein Geborgensein in diesen Glauben.
Weber: Ihr Buch trägt den Untertitel "Eine Provokation". Natürlich ist es zurzeit wirklich etwas überraschend, wenn sich jemand, der dazu früher noch Maoist war, vorbehaltlos zur katholischen Kirche bekennt, aber letztendlich ist doch auch die deutsche Gesellschaft irgendwie ziemlich geprägt von christlichen Werten. Die Kirchen haben eine wichtige gesellschaftliche Stellung immer noch, die Vertreter wurden zuletzt jetzt eingeladen, auch noch bei der Ethikkommission zur Atomkraft mitzumachen. All das, was Sie zu Hochmut, Habgier, Wollust und so weiter schreiben, das würde Ihnen, glaube ich, fast jeder Bildungsbürger – mindestens über 60 – unterschreiben. Was provoziert an Ihrem Buch?
Matussek: Wissen Sie, ich war eingeladen bei Markus Lanz, und wir wollten uns eigentlich über das Buch unterhalten. Da waren aber noch andere Leute eingeladen. Und kaum gab ich die erste Antwort zum Buch, brüllte einer der Beteiligten – in dem Falle war das Mathieu Carrière – los: Ihr seid doch eine kriminelle Vereinigung – und so weiter. Publikum klatschte. Die anderen fielen mit ein. Es ging dann sofort innerhalb von zwei Sekunden – ich konnte gar nicht zum Glauben reden – um Kindesmissbrauch, Zölibat und, und, und. Ich hätte es mir nicht so schlimm vorgestellt. Der Lanz sagte mir am Anfang der Sendung: Wissen Sie was, Herr Matussek, vor 30 Jahren wäre das Normalität gewesen, und jetzt schreiben sie Provokation darunter. Und dann entwickelte sich das innerhalb von drei Minuten, als ob das Studio sich anstrengt, die Untertitel zu belegen.
Weber: Das klingt wirklich so, als ob Sie in einer kleinen Minderheit seien, als Christ, als bekennender Christ. Nun kritisieren Sie auch noch die Protestanten für ihre Do-it-yourself-Religion, die irgendwie nicht so richtig überzeugend ist, nicht so ganz die Gegenwelt verkörpert. Sie kritisieren auch noch die katholischen Kirchenreformer, da bleibt doch wirklich nur noch ein Kern von Traditionalisten übrig, ein ehrlich gesagt ziemlich armseliges Häuflein. Ist das in dieser Zeit nicht eigentlich die falsche Strategie, müssten Sie nicht irgendwie die Arme weit ausbreiten und sagen, alle Gläubigen, kommt zu mir, wir vereinigen uns, wir treten dafür ein, dass der Glaube wieder eine wichtige Stellung hat?
Matussek: Wissen Sie, die Arme ganz weit ausbreiten, das ist schön und gut, aber ich finde es natürlich bedauerlich, dass nur noch 13 Prozent der Katholiken wirklich in die Kirche gehen. Das hat einen Grund, und ich versuche da ein bisschen Ursachenforschung zu betreiben und nehme auch mich selber und mein Erleben. Ich glaube, dass die katholische Kirche mit dem Armeausbreiten, dem Aggiornamento so ein bisschen die Seele verloren hat. Sie hat so ein bisschen ihr Geheimnis und ihren Zauber und ja, ihr Innerstes verloren.
Die ZdK macht natürlich einen wahnsinnigen Lärm, aber ich glaube, die anderen, was ich so spüre, empfinden so ein bisschen wie ich, und tatsächlich geht es im Moment ein bisschen um die Seele der Kirche. Der Papst hat ja in dem wunderbaren Buch von Seewald eine Kirche skizziert, die alles andere als armselig ist, und ich finde zum Beispiel diesen Papst – anders als das ZdK – eine sehr, sehr wichtige und kluge und für die katholische Kirche wichtige Figur.
Also da fühle ich mich eigentlich doch eher bei der Mehrheit, muss ich sagen, wenn ich darauf bestehe, dass wir ein bisschen mehr auf die Form achten, dass wir sozusagen unser dogmatisches Tafelsilber nicht einfach verschleudern, sondern wirklich wieder sozusagen der Kirche Gestalt geben. Ich habe in New York einen Priester gehabt, der gepredigt hat über die Frage Glaube und Ritual. Und der sagte: Ein Ritual ohne Glaube ist leer, aber ein Glaube ohne Ritual ist gestaltlos. Und ich hab halt diese spezifisch katholische Mischung – andere sehen das anders –, für mich ist die Formensprache vielleicht genauso wichtig wie der Inhalt.
Weber: Der "Spiegel"-Journalist und Publizist Matthias Matussek über seinen Glauben. Sein Buch "Das katholische Abenteuer. Eine Provokation" ist in dieser Woche bei der Deutschen Verlagsanstalt erschienen, umfasst 368 Seiten und kostet 19,99 Euro.