Des Königs Thora
Ein Buch entzweit die jüdische Welt: Im September 2009 erschien in Israel "Torat Hamelech" oder "Des Königs Thora". Die Autoren schlussfolgern, dass (jüdische) Individuen das Recht in die eigene Hand nehmen dürfen, ihre Feinde zu töten, auch deren Frauen und Kinder.
Das sechste Gebot "Du sollst nicht töten" bezieht sich nur auf Juden. Es ist Juden demnach erlaubt, Nichtjuden mit dem Tod zu bestrafen, wenn diese die sieben Noachidischen Gebote nicht einhalten, die laut jüdischem Gesetz für alle Menschen gelten sollen. Man darf einen Nichtjuden umbringen, um das Leben eines Juden zu retten. Die jüdische Regierung darf sogar die eigenen Bürger töten, die im Krieg Fahnenflucht begehen, auch die Kinder des Feindes, damit sie nicht, wie ihre Eltern, später als Erwachsene den Juden schaden könnten. Im Kapitel "gezielte Ausschaltung von Unschuldigen" erfährt man, dass alle Angehörigen des verfeindeten Volkes Feinde sind.
Dies sind nur einige Feststellungen aus dem Buch "Torat Hamelech", Hebräisch für "Des Königs Thora". Das Buch thematisiert auf der Grundlage der jüdischen Gesetzgebung die Tötung von Nichtjuden (auf Hebräisch "Gojim"), erwähnt jedoch die Worte "Palästinenser" oder "Araber" nicht.
Die Autoren rufen zwar nicht direkt zur Selbstjustiz auf, aber dies ist aus dem Kontext heraus eindeutig. Zum Beispiel betonte die Lokalzeitung der radikalen jüdischen Siedlung Jitzhar im Westjordanland in einer Rezension, das Buch handle nicht nur von Gojim in biblischen Zeiten. Beide Buchautoren, Rabbiner Yitzak Shapira und Rabbiner Yosef Elitzur, leben in Jitzhar.
"Torat Hamelech" wird vor allem über das Internet und die Religionsschule in Jitzhar vertrieben und kostet 30 Shekel oder sechs Euro. Dieses Buch löst in Israel eine heftige Debatte aus, weil es von vier prominenten Rabbinern empfohlen wurde. Einer von ihnen ist Jaakov Yosef, Sohn des früheren Oberrabbiners und Mentors der orthodoxen Schas-Partei, Ovadia Yosef. Auf einer Tagung in Jerusalem versuchte Rabbiner Jaakov Yosef "Torat Hamelech" mit der Haggada gleich zu setzen, aus der auch nichtreligiöse Juden am Pessach-Fest vorlesen:
"Wir alle sagen in der Haggada: 'Schütte Deinen Zorn über die Gojim, die Dich nicht anerkennen und über die Königreiche, die Deinen Namen nicht ausrufen. Denn sie haben Jakob verschlungen und sein Heimatland zerstört. Verfolge und vernichte sie!‘ Wollen manche Juden daher aus der Haggada nicht mehr vorlesen? Oder diese biblischen Zitate etwa streichen?"
Ein Unterschied ist, dass diese Passage aus der Zeit der Kreuzzüge stammt und eher einen verzweifelten Ruf der verfolgten Juden als eine Bedrohung für die Christen darstellt. Das Buch "Torat Hamelech" hingegen könnte jedoch angesichts der Spannungen zwischen Juden und Palästinensern und nur 15 Jahre nach der Ermordung des Premierministers Yitzhak Rabin falsch verstanden werden: "Eine Lizenz zum Töten" - so betitelte die israelische Zeitung Maariv einen Bericht über das Buch. Die Autoren sind sehr politische Menschen, die sich öfter über die Demokratie stellten:
So schrieb zum Beispiel Rabbiner Yosef Elitzur im Siedlerblatt "Hakol Hayehudi", "die jüdische Stimme":
"Der Premierminister und die meisten Minister, die hohen Offiziere und Beamte haben jegliches jüdisches Empfinden verloren. Die israelische Polizei im Bezirk Judäa und Samaria misshandelt Juden; die Oberstaatsanwaltschaft besteht aus bekannten Judenhassern. Die Gerichte sind aggressiv und ignorieren die Verbrechen des Establishments. Der Geheimdienst, die Polizei, Armee und Justiz arbeiten gegen die jüdischen Siedler ... In dem Moment, in dem wir begreifen, dass wir starke Juden sind, die einer Macht gegenüber stehen, die das Judentum erdrosseln will, werden wir kämpfen und diesen Krieg auch gewinnen!"
Rabbiner Yitzhak Schapira lässt durch seine Studenten Flugblätter an Soldaten verteilen, in denen er sie dazu aufruft, ein Urteil des Obersten Gerichts zu ignorieren und weiterhin palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde einzusetzen.
Die Kritik gegen die Buchautoren kam auch von orthodoxen Juden und sogar von jüdischen Siedlern. Scharf äußerte sich zum Beispiel Rabbiner Yoel Bin-Nun, Mitbegründer der Siedlerbewegung, der aber als ein ausgesprochener Befürworter der Demokratie gilt und jegliche Gewalt verurteilt. Bin-Nun schrieb:
"Ich habe leider dieses abscheuliche Buch gelesen, das unsinnige sogenannte 'Genehmigungen‘ zur Tötung von Gojim enthält - auch in Friedenszeiten. Das Buch sagt eindeutig, dass jeder Jude Nichtjuden als Rache oder zur Abschreckung auch ohne offizielle Erlaubnis umbringen dürfe. Noch erstaunlicher ist, dass diese sogenannten 'Rabbiner der Fanatiker‘ die Frage debattieren, ob man auch ungläubige Juden töten könne, die die Thora leugnen."
Der "Bund zur Vertreibung der Dunkelheit", dem 19 Vereine, darunter sechs orthodoxe angehören, versuchte die Regierung zu drängen, gegen das Buch vorzugehen. Als dies scheiterte, klagte der Bund im Dezember 2009 eine einstweilige Verfügung gegen die Oberstaatsanwaltschaft ein. Die Kläger wollten wissen, warum die Kopien des Buches nicht beschlagnahmt würden und keine Anklage gegen die Autoren wegen Anstiftung zum Rassenhass und zur Gewalt erhoben wird. In der gleichen Woche, in der eine Moschee in einem arabischen Dorf angezündet wurde, warnten die Kläger, dass das Buch keine akademische Debatte sei, sondern ein Aufruf zum Blutvergießen im Namen der Thora. Das Gericht lehnte die Klage mit dem Hinweis ab, dass der Rechtsberater der Regierung die Angelegenheit "so rasch wie möglich" prüfe.
Kurz danach begann die Polizei gegen die Autoren und ihre Unterstützer zu ermitteln. Diese weigerten sich jedoch, zum Verhör zu kommen. Sechs Monate nach diesem Urteil nahmen daher die Ermittler Rabbiner Jitzhak Schapira fest. Der 45-jährige schmächtige Mann mit dem langen, hellen Bart ist elffacher Vater und spricht gelassen, auch wenn er sich über seine Verhaftung beschwert:
"Sie verdächtigen mich, einen hetzerischen Text geschrieben zu haben. Da fanden sie es richtig, um vier Uhr morgens eine Familie mit elf Kindern und zwei Enkelkindern zu wecken. Dieses Buch behandelt jedoch wichtige religiöse Fragen wie die Kriegsregelungen nach der jüdischen Gesetzgebung. Wahrscheinlich muss man in diesem Land wegen eines Thoratextes ins Gefängnis. Es ist schade, dass der Staat keinen Respekt für die Thora hat und glaubt, das Gesetz stünde über der Bibel."
Rabbiner Jakob Yosef, der das Buch empfohlen hatte, weigerte sich, zur Polizei zu gehen, weil der Staat seiner Meinung nach Rabbiner im Vergleich zu Akademikern einen Maulkorb verpasse. Das Buch empört auch Rabbiner Uri Regev, einen der Anführer des liberalen Judentums in Israel und Direktor des Vereins Chidush zur Religionsfreiheit:
"Der Inhalt dieses Textes steht im krassen Widerspruch zu meinen religiösen und liberalen Ansichten. Ich glaube an den jüdischen Grundsatz: 'Liebe deinen Nächsten‘, denn alle Menschen, Juden wie Nichtjuden, wurden in Gottes Antlitz geschaffen. Auch ein Akademiker kann übrigens nicht alles tun und sagen und dabei die Gesetze missachten. Wenn er Hetze betreibt, wird er dafür bestraft. Das Gleiche gilt auch für Rabbiner."
Auch Dov Lior, Rabbiner der Siedlung Kiryat Arba bei Hebron, hatte sich fünf Monate lang geweigert, von der Polizei befragt zu werden. Weil er ein Beamter ist, forderten mehrere Intelektuelle seine Entlassung. Lior ist einer der radikalsten jüdischen Siedler. Er befürwortet eine Übersiedlung der Palästinenser, die er mit den Nazis vergleicht. Er erlaubt Soldaten, den Befehl zur Räumung einer Siedlung zu verweigern, und verbietet es, Wohnungen an Araber zu vermieten oder sie zu beschäftigen.
Schließlich wurde Rabbiner Lior festgenommen und eine Stunde lang verhört. Als Reaktion blockierten 300 seiner Anhänger die Zugangsstraße nach Jerusalem und versuchten, ins Oberste Gericht zu dringen. Auf einer Versammlung erklärte Rabbiner Dov Lior:
"Weise Juden, die ein Buch veröffentlichen, brauchen keine Genehmigung eines Kommissars dazu, wie es damals in der Sowjetunion der Fall war. Rabbinern, die eine religiöse Forschung veröffentlichen, vorzuwerfen, sie propagierten Rassismus und Gewalt, gehört in die barbarische Welt der sogenannten aufgeklärten Völker. Dies ist eine infame Bezichtigung. Religiöse Juden sind doch gewaltfrei, sie lieben den Frieden und unterrichten über das Gute und das Böse."
Die Teilnahme orthodoxer Vereine an der Klage und die Verhaftung der Rabbiner löste eine Debatte nach den Grenzen der rabbinischen Befugnissen aus. So schlugen einige Abgeordnete der orthodoxen Shas-Partei und der Parlamentarier Michael Ben-Ari vom siedlernahen "Rechten Bund" ein Gesetz vor, dass Rabbinern generell eine Immunität bei ihren religiösen Äußerungen und Schriften gewährt.
Auch der orthodoxe Rabbiner Haim Amsellem ist Abgeordneter des israelischen Parlaments, obwohl er wegen seiner gemäßigten Einstellungen aus der Shas-Partei hinausgedrängt wurde. Amsellem erklärt, dass Rabbi Liors Empfehlung in der orthodoxen-jüdischen Welt üblich ist und bedeutet nur Respekt für den Autor und keine Genehmigung des Buches.
"Ein Gesetz, dass Rabbinern erlaubt, die Halacha zu interpretieren, ist in Ordnung. Aber ein Gesetz, dass ihnen ermöglicht, Rassismus zu verbreiten, werde ich niemals unterstützen. So ein Gesetz hat auch keinerlei Chancen im Parlament. Wer direkt oder indirekt unmoralische Taten propagiert, muss das gut begründen können, vor allem ein Rabbiner. Was Rabbi Lior betrifft, sollte ein Polizist ihn in seinem Büro verhören können. Man musste ihn nicht erniedrigen."
Ganz anders sieht es Rabbiner Jaakov Madan, Leiter einer Religionsschule im Westjordanland. Er ist ein Kritiker des Friedensprozesses, nimmt aber an der inner-israelischen Versöhnung aktiv teil:
"Dieses Buch muss verbrannt werden und den Autoren soll jede Religionstätigkeit verboten werden. Ich befürchte, dass Menschen es lesen und Selbstjustiz ausüben. Denn das Buch erlaubt das Töten und wegen dieses Buches werden noch junge Siedler lebenslang im Gefängnis sitzen. Man hätte zwar die Rabbiner nicht festnehmen sollen, aber es ist gravierender, biblische Aussagen aus dem Kontext gerissen zu zitieren als die Würde von Rabbinern zu missachten."
Im Januar 2010 wies das Oberste Gericht die Klage gegen das Buch "Torat Hamelech" ab, damit Zitat "der Rechtsberater der Regierung die Angelegenheit in angemessener Eile überprüft". Auf Anfrage schreibt das Justizministerium nun:
"Die Polizei hat 2011 die Ermittlung abgeschlossen und unsere Experten prüfen den Fall. Der Rechtsberater der Regierung wird entscheiden, ob er Anklagen erhebt."
Inzwischen erschien das Buch in der zweiten Auflage. Daher werden israelische Vereine, auch orthodoxe, bald dagegen erneut vor Gericht ziehen.
Dies sind nur einige Feststellungen aus dem Buch "Torat Hamelech", Hebräisch für "Des Königs Thora". Das Buch thematisiert auf der Grundlage der jüdischen Gesetzgebung die Tötung von Nichtjuden (auf Hebräisch "Gojim"), erwähnt jedoch die Worte "Palästinenser" oder "Araber" nicht.
Die Autoren rufen zwar nicht direkt zur Selbstjustiz auf, aber dies ist aus dem Kontext heraus eindeutig. Zum Beispiel betonte die Lokalzeitung der radikalen jüdischen Siedlung Jitzhar im Westjordanland in einer Rezension, das Buch handle nicht nur von Gojim in biblischen Zeiten. Beide Buchautoren, Rabbiner Yitzak Shapira und Rabbiner Yosef Elitzur, leben in Jitzhar.
"Torat Hamelech" wird vor allem über das Internet und die Religionsschule in Jitzhar vertrieben und kostet 30 Shekel oder sechs Euro. Dieses Buch löst in Israel eine heftige Debatte aus, weil es von vier prominenten Rabbinern empfohlen wurde. Einer von ihnen ist Jaakov Yosef, Sohn des früheren Oberrabbiners und Mentors der orthodoxen Schas-Partei, Ovadia Yosef. Auf einer Tagung in Jerusalem versuchte Rabbiner Jaakov Yosef "Torat Hamelech" mit der Haggada gleich zu setzen, aus der auch nichtreligiöse Juden am Pessach-Fest vorlesen:
"Wir alle sagen in der Haggada: 'Schütte Deinen Zorn über die Gojim, die Dich nicht anerkennen und über die Königreiche, die Deinen Namen nicht ausrufen. Denn sie haben Jakob verschlungen und sein Heimatland zerstört. Verfolge und vernichte sie!‘ Wollen manche Juden daher aus der Haggada nicht mehr vorlesen? Oder diese biblischen Zitate etwa streichen?"
Ein Unterschied ist, dass diese Passage aus der Zeit der Kreuzzüge stammt und eher einen verzweifelten Ruf der verfolgten Juden als eine Bedrohung für die Christen darstellt. Das Buch "Torat Hamelech" hingegen könnte jedoch angesichts der Spannungen zwischen Juden und Palästinensern und nur 15 Jahre nach der Ermordung des Premierministers Yitzhak Rabin falsch verstanden werden: "Eine Lizenz zum Töten" - so betitelte die israelische Zeitung Maariv einen Bericht über das Buch. Die Autoren sind sehr politische Menschen, die sich öfter über die Demokratie stellten:
So schrieb zum Beispiel Rabbiner Yosef Elitzur im Siedlerblatt "Hakol Hayehudi", "die jüdische Stimme":
"Der Premierminister und die meisten Minister, die hohen Offiziere und Beamte haben jegliches jüdisches Empfinden verloren. Die israelische Polizei im Bezirk Judäa und Samaria misshandelt Juden; die Oberstaatsanwaltschaft besteht aus bekannten Judenhassern. Die Gerichte sind aggressiv und ignorieren die Verbrechen des Establishments. Der Geheimdienst, die Polizei, Armee und Justiz arbeiten gegen die jüdischen Siedler ... In dem Moment, in dem wir begreifen, dass wir starke Juden sind, die einer Macht gegenüber stehen, die das Judentum erdrosseln will, werden wir kämpfen und diesen Krieg auch gewinnen!"
Rabbiner Yitzhak Schapira lässt durch seine Studenten Flugblätter an Soldaten verteilen, in denen er sie dazu aufruft, ein Urteil des Obersten Gerichts zu ignorieren und weiterhin palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde einzusetzen.
Die Kritik gegen die Buchautoren kam auch von orthodoxen Juden und sogar von jüdischen Siedlern. Scharf äußerte sich zum Beispiel Rabbiner Yoel Bin-Nun, Mitbegründer der Siedlerbewegung, der aber als ein ausgesprochener Befürworter der Demokratie gilt und jegliche Gewalt verurteilt. Bin-Nun schrieb:
"Ich habe leider dieses abscheuliche Buch gelesen, das unsinnige sogenannte 'Genehmigungen‘ zur Tötung von Gojim enthält - auch in Friedenszeiten. Das Buch sagt eindeutig, dass jeder Jude Nichtjuden als Rache oder zur Abschreckung auch ohne offizielle Erlaubnis umbringen dürfe. Noch erstaunlicher ist, dass diese sogenannten 'Rabbiner der Fanatiker‘ die Frage debattieren, ob man auch ungläubige Juden töten könne, die die Thora leugnen."
Der "Bund zur Vertreibung der Dunkelheit", dem 19 Vereine, darunter sechs orthodoxe angehören, versuchte die Regierung zu drängen, gegen das Buch vorzugehen. Als dies scheiterte, klagte der Bund im Dezember 2009 eine einstweilige Verfügung gegen die Oberstaatsanwaltschaft ein. Die Kläger wollten wissen, warum die Kopien des Buches nicht beschlagnahmt würden und keine Anklage gegen die Autoren wegen Anstiftung zum Rassenhass und zur Gewalt erhoben wird. In der gleichen Woche, in der eine Moschee in einem arabischen Dorf angezündet wurde, warnten die Kläger, dass das Buch keine akademische Debatte sei, sondern ein Aufruf zum Blutvergießen im Namen der Thora. Das Gericht lehnte die Klage mit dem Hinweis ab, dass der Rechtsberater der Regierung die Angelegenheit "so rasch wie möglich" prüfe.
Kurz danach begann die Polizei gegen die Autoren und ihre Unterstützer zu ermitteln. Diese weigerten sich jedoch, zum Verhör zu kommen. Sechs Monate nach diesem Urteil nahmen daher die Ermittler Rabbiner Jitzhak Schapira fest. Der 45-jährige schmächtige Mann mit dem langen, hellen Bart ist elffacher Vater und spricht gelassen, auch wenn er sich über seine Verhaftung beschwert:
"Sie verdächtigen mich, einen hetzerischen Text geschrieben zu haben. Da fanden sie es richtig, um vier Uhr morgens eine Familie mit elf Kindern und zwei Enkelkindern zu wecken. Dieses Buch behandelt jedoch wichtige religiöse Fragen wie die Kriegsregelungen nach der jüdischen Gesetzgebung. Wahrscheinlich muss man in diesem Land wegen eines Thoratextes ins Gefängnis. Es ist schade, dass der Staat keinen Respekt für die Thora hat und glaubt, das Gesetz stünde über der Bibel."
Rabbiner Jakob Yosef, der das Buch empfohlen hatte, weigerte sich, zur Polizei zu gehen, weil der Staat seiner Meinung nach Rabbiner im Vergleich zu Akademikern einen Maulkorb verpasse. Das Buch empört auch Rabbiner Uri Regev, einen der Anführer des liberalen Judentums in Israel und Direktor des Vereins Chidush zur Religionsfreiheit:
"Der Inhalt dieses Textes steht im krassen Widerspruch zu meinen religiösen und liberalen Ansichten. Ich glaube an den jüdischen Grundsatz: 'Liebe deinen Nächsten‘, denn alle Menschen, Juden wie Nichtjuden, wurden in Gottes Antlitz geschaffen. Auch ein Akademiker kann übrigens nicht alles tun und sagen und dabei die Gesetze missachten. Wenn er Hetze betreibt, wird er dafür bestraft. Das Gleiche gilt auch für Rabbiner."
Auch Dov Lior, Rabbiner der Siedlung Kiryat Arba bei Hebron, hatte sich fünf Monate lang geweigert, von der Polizei befragt zu werden. Weil er ein Beamter ist, forderten mehrere Intelektuelle seine Entlassung. Lior ist einer der radikalsten jüdischen Siedler. Er befürwortet eine Übersiedlung der Palästinenser, die er mit den Nazis vergleicht. Er erlaubt Soldaten, den Befehl zur Räumung einer Siedlung zu verweigern, und verbietet es, Wohnungen an Araber zu vermieten oder sie zu beschäftigen.
Schließlich wurde Rabbiner Lior festgenommen und eine Stunde lang verhört. Als Reaktion blockierten 300 seiner Anhänger die Zugangsstraße nach Jerusalem und versuchten, ins Oberste Gericht zu dringen. Auf einer Versammlung erklärte Rabbiner Dov Lior:
"Weise Juden, die ein Buch veröffentlichen, brauchen keine Genehmigung eines Kommissars dazu, wie es damals in der Sowjetunion der Fall war. Rabbinern, die eine religiöse Forschung veröffentlichen, vorzuwerfen, sie propagierten Rassismus und Gewalt, gehört in die barbarische Welt der sogenannten aufgeklärten Völker. Dies ist eine infame Bezichtigung. Religiöse Juden sind doch gewaltfrei, sie lieben den Frieden und unterrichten über das Gute und das Böse."
Die Teilnahme orthodoxer Vereine an der Klage und die Verhaftung der Rabbiner löste eine Debatte nach den Grenzen der rabbinischen Befugnissen aus. So schlugen einige Abgeordnete der orthodoxen Shas-Partei und der Parlamentarier Michael Ben-Ari vom siedlernahen "Rechten Bund" ein Gesetz vor, dass Rabbinern generell eine Immunität bei ihren religiösen Äußerungen und Schriften gewährt.
Auch der orthodoxe Rabbiner Haim Amsellem ist Abgeordneter des israelischen Parlaments, obwohl er wegen seiner gemäßigten Einstellungen aus der Shas-Partei hinausgedrängt wurde. Amsellem erklärt, dass Rabbi Liors Empfehlung in der orthodoxen-jüdischen Welt üblich ist und bedeutet nur Respekt für den Autor und keine Genehmigung des Buches.
"Ein Gesetz, dass Rabbinern erlaubt, die Halacha zu interpretieren, ist in Ordnung. Aber ein Gesetz, dass ihnen ermöglicht, Rassismus zu verbreiten, werde ich niemals unterstützen. So ein Gesetz hat auch keinerlei Chancen im Parlament. Wer direkt oder indirekt unmoralische Taten propagiert, muss das gut begründen können, vor allem ein Rabbiner. Was Rabbi Lior betrifft, sollte ein Polizist ihn in seinem Büro verhören können. Man musste ihn nicht erniedrigen."
Ganz anders sieht es Rabbiner Jaakov Madan, Leiter einer Religionsschule im Westjordanland. Er ist ein Kritiker des Friedensprozesses, nimmt aber an der inner-israelischen Versöhnung aktiv teil:
"Dieses Buch muss verbrannt werden und den Autoren soll jede Religionstätigkeit verboten werden. Ich befürchte, dass Menschen es lesen und Selbstjustiz ausüben. Denn das Buch erlaubt das Töten und wegen dieses Buches werden noch junge Siedler lebenslang im Gefängnis sitzen. Man hätte zwar die Rabbiner nicht festnehmen sollen, aber es ist gravierender, biblische Aussagen aus dem Kontext gerissen zu zitieren als die Würde von Rabbinern zu missachten."
Im Januar 2010 wies das Oberste Gericht die Klage gegen das Buch "Torat Hamelech" ab, damit Zitat "der Rechtsberater der Regierung die Angelegenheit in angemessener Eile überprüft". Auf Anfrage schreibt das Justizministerium nun:
"Die Polizei hat 2011 die Ermittlung abgeschlossen und unsere Experten prüfen den Fall. Der Rechtsberater der Regierung wird entscheiden, ob er Anklagen erhebt."
Inzwischen erschien das Buch in der zweiten Auflage. Daher werden israelische Vereine, auch orthodoxe, bald dagegen erneut vor Gericht ziehen.