Klauen Modemarken bei Indigenen?
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Ethno-Muster sind angesagt: Internationale Modefirmen wie "Zara" nutzen die Motive traditioneller Kunsthandwerkerinnen. Gegen die "kulturelle Aneignung" protestiert die Regierung Mexikos. Die indigenen Urheberinnen fordern Geschäfte auf Augenhöhe.
Juana García schiebt zwei Holzstäbe konzentriert von einer Seite auf die andere. Erst den Stab mit dem weißen, dann den mit dem roten Faden. Millimeter für Millimeter schafft sie sich auf dem einfachen Webrahmen voran, bis langsam eine Stoffbahn mit zahlreichen Streifen entsteht.
García arbeitet an einem Hüftwebstuhl. Sie sitzt auf einem kleinen Sessel und hat um ihre Taille einen Gürtel gespannt, der die Fäden der Bahn zusammenhält. Später näht die Indigene vom Volk der Mixteken aus dem neu gewobenen Stoff eines ihrer vielen kunsthandwerklichen Produkte.
"Wir machen hier in San Juan Colorado Blusen, Jacken, Taschen, Haarspangen, Tischdecken, Bettüberwürfe, Huipiles aus drei Stoffbahnen und einiges mehr", erzählt sie.
Knallbunte Blusen, knielange Tunikas - handgewoben
Der Huipil zählt zu den wichtigsten Kleidungsstücken in Garcías Heimat, dem südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca. Bei Hochzeiten und Dorffesten, aber auch im Alltag tragen Frauen die ärmellosen bunt bestickten Blusen oder luftigen knielangen Tunika-Kleider. Alle kennen die traditionellen Muster, mit denen schon ihre Urgroßmütter gewoben und gestickt haben.
"Ich brauche einen Monat, um einen Huipil herzustellen", sagt sie. "Schließlich haben wir Hausfrauen noch viel mehr zu tun, als nur zu weben. Wir müssen uns um den Haushalt, die Ehemänner und die Kinder kümmern."
Gerade ist Juanas Mann vom Feld zurückgekommen. Wie die meisten Männer in der 9000-Seelen-Gemeinde San Juan Colorado baut er Mais, Bohnen und Kürbisse für den eigenen Verbrauch an. Die Weberin sorgt mit ihren Arbeiten für ein kleines finanzielles Einkommen. Meist ist das Geld knapp, denn die Familie muss sechs Kinder ernähren. Alle müssen ran.
Auch Tochter Biridiana, die im Gegensatz zu ihrer Mutter und vielen anderen in der Gemeinde nicht nur Mixtekisch, sondern auch Spanisch spricht. "Alle Frauen in San Juan sind Kunsthandwerkerinnen. Unsere Familie ist in einer Gruppe mit weiteren 20 Personen organisiert. Die Händler arbeiten mit uns zusammen und kommen zu uns nach Hause. Wir stellen ihnen unsere Waren vor und verkaufen sie. Oder sie geben uns Aufträge."
Zara-Kollektion zeigt indigene Muster und Farben
17 solcher Gruppen gibt es im Dorf. Viele der Huipiles, Decken und Taschen landen in touristischen Hochburgen: an den nahe gelegenen Pazifikstränden oder in der malerischen Landeshauptstadt Oaxaca de Juárez.
Auch auf dem internationalen Markt verkaufen die Weberinnen ihre manchmal knallbunten, manchmal in Naturfarben gewobenen Stoffe mit den kleinen, abstrakten Motiven. Manche bieten ihre Waren in den sozialen Medien und auf dem Portal Amazon Handmade an.
Doch nicht nur die Frauen selbst verdienen an ihren Designs. Im Frühjahr wurde bekannt, dass das Modeunternehmen Zara die Muster der indigenen Kunsthandwerkerinnen für seine Kollektion verwendet. Der Schnitt und die Motive eines Kleides der spanischen Firma sind fast identisch mit denen eines Huipils aus San Juan Colorado. Niemand in der Gemeinde wusste vorab davon.
Juana García ist empört. "Seit ich sieben, acht Jahre alt bin, webe ich. Es ist das Einzige, was wir hier haben. Deshalb macht es mich sehr traurig, wenn große Unternehmen einfach unsere Motive stehlen. Schließlich geben wir uns viel Mühe, die Farben und die Bilder zu kombinieren. Wir zerbrechen uns den Kopf, um einen Huipil zu gestalten. Die sollten das bleiben lassen und ihre eigenen Muster entwerfen."
Auch Agustina Quiroz wusste vorab nichts von den Zara-Kleidern, eine Kollegin hatte es im Internet gesehen. Ihren Besuch holt die 66-Jährige, die von allen Doña China genannt wird, im Dorfzentrum ab. Alle paar Meter bleibt sie stehen, begrüßt jemand, bespricht wichtige Dinge. Es fällt ihr schwer, nachzuvollziehen, was die Modefirma genau tut. Eine junge Weberin erklärt es ihr.
Die Information verärgert Doña China. "Sie kopieren einfach unsere Zeichnungen. Das zu sehen, macht einen wütend. Es sind nicht ihre Muster. Wir entwerfen sie mit viel Aufwand. Der Stoff, den sie verkaufen, ist nicht einmal gewoben."
Die jüngeren Weberinnen wissen, was es heißt, dass eine internationale Modefirma die Designs ihrer Vorfahren verwertet. So etwa Flora Reyes. Die 32-Jährige arbeitet mit anderen zusammen im Hof von Doña China. Zwischen Bananenstauden und frisch geborenen Küken webt sie ihre Stoffe. Die junge Frau, die ihr dunkles dichtes Haar offen bis unter die Hüften trägt, hat den Fall der Modefirma im Internet verfolgt.
"Was Zara macht, ärgert mich sehr. Es macht mich traurig. Sie rauben unser Erbe, unseren Besitz. Das schädigt uns als Kunsthandwerkerinnen", sagt sie.
Es geht ihr nicht nur darum, dass sie nichts vom Gewinn der Zara-Produkte abbekommt. Sie hat auch nichts dagegen, dass die Motive ihrer Vorfahren weltweit von anderen verbreitet werden. "Grundsätzlich würde uns das gar nicht stören. Letztlich könnte man sagen, dass das unseren Ruf stärkt und wir dadurch unsere Produkte besser verkaufen könnten", sagt sie.
"Es ärgert uns aber, dass Firmen wie Zara die Muster identisch kopieren, aber nicht sagen, dass sie aus dem Design eines Huipil aus San Juan Colorado stammen. Sie tun so, als hätten sie das selbst entworfen. Sie eignen sich das kulturelle Eigentum der Gemeinde an."
Niemand hat nach einer Genehmigung gefragt
Auch im Rathaus spricht man über die Firma Zara. Im ersten Stock sitzt Stadtrat Gregorio Nicolás, aus dem Fenster blickt er auf den zentralen Platz der Gemeinde. San Juan Colorado lebe vom Kunsthandwerk und die Plagiate würden den ohnehin armen Familien schaden, betont Nicolás.
"Niemand ist hierher gekommen, um sich mit den Frauen treffen, mit ihnen zu sprechen und um Erlaubnis zu bitten. Niemand. Die Frauen gehen davon aus, dass ihre Produkte auf dem Markt verkauft werden", sagt er.
"Aber darüber hinaus haben sie keine Kontrolle, weil die Waren keine eigene Marke sind. Und dann erscheinen die Motive plötzlich gemalt auf Kleidungsstücken, die nicht von hier stammen. Ohne Genehmigung der Kunsthandwerkerin, der Behörden oder der Gemeinde. Das ist Diebstahl."
Nicht nur internationale Firmen, sondern auch manche Händler in Oaxaca verkauften Stoffe mit Mustern aus San Juan Colorado, die nicht von hier stammten, betont Nicolás.
"Sie nehmen sich einfach, was sie wollen"
In der neun Autostunden entfernten Landeshauptstadt Oaxaca beschäftigt sich Patricia Cruz mit den Arbeiten der Indigenen. Cruz kümmert sich im bundesstaatlichen Institut für Kunsthandwerk um die Vermarktung. Sie hat schon mehrere Fälle von Kopien verfolgt, denn Zara ist nicht das erste Unternehmen, das mit den Mustern Geschäfte macht.
"Für uns ist das eine intellektuelle und kulturelle Schädigung unserer indigenen Völker. Man eignet sich ohne Erlaubnis das Wissen, die Kenntnisse, die Designs, die Ikonografien einer Gemeinschaft an", erklärt sie.
"Besonders gravierend ist es, dass sich mexikanische und auch internationalen Unternehmen die Arbeiten unserer Kunsthandwerker aneignen und sie als ihre eigenen verkaufen. Das schädigt das Bild der Kunsthandwerker und wertet deren Tätigkeit ab."
Das Institut arbeitet mit dem Kulturfonds der mexikanischen Bundesregierung, Fonart, zusammen. Beide wollen die indigene Kultur stärken. Auch das Textilmuseum von Oaxaca, das von einer privaten Stiftung unterhalten wird, hat sich dieses Ziel gesetzt. Hector Meneses leitet das Museum. Er ist noch kritischer als Cruz.
"Die Plagiate sind ein Ausdruck der Macht von Gesellschaften, in denen man denkt, man stünde über anderen und habe es nicht nötig, um Erlaubnis zu bitten. Sie nehmen sich einfach, was sie wollen, ohne jegliche Transparenz", kritisiert er.
"Das zeigt die soziale, politische und wirtschaftliche Ungleichheit in der Welt auf. Woanders hätten sie das wahrscheinlich nicht getan, weil sie wissen, dass sie mit einer Plagiatsklage zu rechnen hätten. Aber sie denken, wenn sie das mit den Gemeinden machen, passiert sowieso nichts, weil niemand sich traut, die Stimme zu erheben."
"Die Anerkennung ist sehr wichtig"
Das Textilmuseum und das Institut von Patricia Cruz verkaufen in ihren Räumen Waren aus den indigenen Gemeinschaften: bunte Kunstfiguren aus Holz, Tongeschirr und auch Huipiles aus San Juan Colorado zu fairen Preisen. An jedem der Produkte hängt ein Schild, das auf die Herkunft hinweist.
"Die Anerkennung ist sehr wichtig. Die Welt soll wissen, dass das, was sie in ihren Händen hält, Eigentum einer Gemeinde ist und aus einer traditionellen und manchmal auch religiösen Kultur stammt. Dieses Wissen, dieser Erfahrungsschatz und jeder Einzelne, der zum Entstehen beiträgt, müssen respektiert werden. Die Stücke dürfen nicht nur als Handelsware oder industrielles Design betrachtet werden."
Zwischen diesem Anspruch und dem globalisierten Handel von Zara liegen Welten. Dennoch versucht die Regierung, Brücken zu schlagen. Der Kulturfonds Fonart organisiert Ausstellungen und betreibt in Mexiko-Stadt Läden, in denen die Waren verkauft werden.
Das Institut für Kunsthandwerk unterstützt die Produzenten beispielsweise bei der Kooperation mit Amazon Homemade. Aber auch diese Einrichtungen erfahren nur zufällig, ob die Produkte unrechtmäßig kopiert werden. Niemand sucht gezielt danach.
Kulturministerin beklagt "kulturelle Aneignung"
Nachdem bekannt wurde, dass Zara die Motive kopiert, reagierte die mexikanische Bundesregierung. In einem Brief an das Unternehmen kritisierte Kulturministerin Alexandra Frausto im Mai die, wie sie sagte, unrechtmäßige kulturelle Aneignung. Fonart schloss sich der Kritik an.
Von der Firma forderte Frausto eine Erklärung dafür, dass sie Gemeinschaftseigentum privatisiere. Im staatlichen Fernsehsender Canal 22 erklärt sie ihre Kritik: "Wir sind absolut nicht verschlossen gegenüber dem internationalen Markt. Im Gegenteil. Wir beobachten ein großes Interesse an den kulturellen und ästhetischen Elementen unserer ursprünglichen Bevölkerung. Aber die Produzenten müssen beteiligt werden. Sie sind Träger des kulturellen Erbes und schaffen tagtäglich diese Werte. Ihre Arbeit muss sich positiv auf ihre wirtschaftliche Situation auswirken."
Fraustro spricht über weitere Fälle, in denen indigene Motive ohne Genehmigung genutzt wurden. Etwa über den der Modeschöpferin Isabel Marant, die die grafischen Muster einer Gemeinde aus dem Bundesstaat Michoacán übernommen hatte.
Die Französin entschuldigte sich, nachdem sie öffentlich in die Kritik geriet. Andere nahmen die Waren aus dem Angebot. So beispielsweise die australische Marke Zimmermann. Die Firma will nun mit den Gemeinden zusammenarbeiten, damit diese vom Verkauf profitieren.
"Wir müssen eine globale Debatte führen"
Ministerin Frausto setzt auf solche Kooperationen. "Wenn diese Option genutzt wird, können wir über die Ziele der Agenda 2030 reden. Dort heißt es, dass niemand zurückgelassen werden darf und die Gemeinden im Zentrum ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung stehen müssen", sagt sie.
"Dieser Erklärung folgend müssen wir eine globale Debatte darüber führen, wie wir diese Menschen in den Markt integrieren, ausgehend davon, dass sich die am Geschäft Beteiligten auf gleicher Augenhöhe begegnen."
So könne eine Win-Win-Situation entstehen, hofft Frausto: "Wir laden zu einem konstruktiven, partizipativen Dialog ein, damit die Gemeinden bereit sind, mit der großen Modeindustrie zu kooperieren. Und zwar mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinden, die eine so reichhaltige Kultur besitzen und zugleich in sehr prekären ökonomischen Verhältnissen leben. Hier kann die Politik den Unterschied machen."
Gesetze zum Schutz des indigenen Kunsthandwerks
Im Dezember 2019 verabschiedete der Senat ein Gesetz, das das Kunsthandwerk schützen soll. Darin sind hohe Geld- und mehrjährige Haftstrafen für die unerlaubte Nutzung von Motiven vorgesehen.
Ein System zur Registrierung soll eine Art Patentierung ermöglichen und nur den Produzenten die Berechtigung zum Verkauf geben. Im August hat der Kongress des Bundesstaats Oaxaca zudem eine Verfassungsänderung beschlossen, um solche Maßnahmen zu unterstützen.
Bislang sind beide Reformen noch nicht in Kraft getreten, aber prinzipiell seien dieses Schritte gut, meint Hector Meneses von Textilmuseum Oaxaca. "Eine Gesetzgebung ist sicher nützlich. Aber es ist schwierig, Rezepte zu entwickeln, die für alle Orte passen. Jede Gemeinde organisiert sich anders. Davon hängt es ab, wie der Gewinn für die Gemeinschaft aussieht."
In manchen Dörfern machten Kunsthandwerker ihre privaten Geschäfte, in anderen werde alles in Gemeindeversammlungen geregelt. Vor allem sei es schwierig, kollektives Eigentum zu patentieren, erklärt Meneses. Denkbar wäre, dass Unternehmen Schulen, Bibliotheken oder Gesundheitszentren unterstützten. Meneses berichtet von einer Gemeinde, mit der sein Museum zusammenarbeitet.
"Die führenden Persönlichkeiten der Gemeinde sind hierhergekommen und haben uns erklärt, dass sie keine wirtschaftliche Entschädigung wollen", erzählt er.
"Sie hätten sich gewünscht, dass sich die Designerin in Tlahuitoltepec darüber informiert hätte, was diese Bluse für die Gemeinschaft bedeute. Die Bluse sei nicht nur einfach ein Produkt, sondern Teil ihres Lebensstils, eines übergeordneten Systems. Wie kann man einen Lebensstil patentieren? Das haben sie uns gefragt."
Es gibt auch faire Kooperationen
Im Dorf San Juan Colorado feiern Bürgerinnen und Bürger die Taufe mehrerer Babys vor dem Haus von Monica Hernández. Sie tanzen und essen, auf dem Feuer köchelt ein schwarzgebrannter großer Topf mit Rindereintopf.
Die 48-Jährige nimmt sich trotzdem Zeit für ein Gespräch. "Die Textilien, die Küche und die Tänze, das sind unsere Wurzeln. San Juan Colorado hat sein eigenes Essen und viele eigenen Tänze. Wir haben eine reichhaltige Kultur."
Hernández ist Lehrerin, arbeitet aber auch am Webstuhl. Im Verkauf kennt sie sich aus. Seit fünf Jahren kooperiert sie mit der Designerin Pippa Holt. Die australische Modemacherin kauft Stoffe und verarbeitet sie für ihre Kollektion. Im Gegensatz zum Vorgehen von Zara sei diese Kooperation fair.
"Pippa Holt nennt uns als Urheber und erwähnt, dass die Arbeiten aus San Juan Colorado in Oaxaca stammen. Wir wissen, dass es ein Unternehmen ist, aber wir haben eine gemeinsame Vereinbarung. Wir haben uns zusammengesetzt, die Preise festgelegt und fast alle profitieren davon."
Gemeinsame Absprachen, Geschäfte auf Augenhöhe, wirtschaftliche Vorteile fürs Dorf – das klingt so, wie Kulturministerin Frausto sich die Kooperation vorstellt. Doch auch dieses Geschäft ist umstritten. Pippa Holt verkauft Huipiles für bis zu 30.000 Pesos, etwa 1400 Euro. Die Weberinnen erhalten davon einen Bruchteil, bestenfalls 2000 Pesos. Kritiker sprechen von der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte. Doch häufig zahlen lokale Händler noch viel weniger.
Arbeiten für einen Hungerlohn
Flora Reyes verbringt oft den ganzen Tag im Hof von Doña China. Bis spät in die Nacht webt sie die Stoffbahnen. Nicht selten muss sie ihre Waren für einen Spottpreis an die Händler weitergeben.
"Wenn es mir wirtschaftlich schlecht geht, muss ich einen Huipil für 600 Peso anbieten", erzählt sie. "Die, die ihn kaufen wollen, erklären mir dann, ich soll ihn ihnen für 400 oder 300 Pesos geben. Und was macht man, wenn man das Geld braucht? Man verkauft ihn eben manchmal für 300 Pesos."
300 Pesos, also rund 13 Euro, für zwei bis vier Wochen Arbeit. Ein Hungerlohn, doch aufhören kann Reyes nicht. Die Ernte muss fürs Essen reichen, ihre Einnahmen für alles andere: für Schulhefte, Kochtöpfe, Ersatzreifen. "Die Mädchen fangen mit sechs Jahren an zu weben, mit acht machen sie bereits Jacken aus drei Stoffbahnen. Uns bleibt nichts anderes übrig", sagt sie.
Fehlende Unterstützung der Regierung
Von der Regierung ist Reyes enttäuscht. Einerseits kritisiere die Kulturministerin Modefirmen, um die Indigenen zu schützen. Andererseits interessiere sie sich nicht für die Menschen vor Ort.
"Früher hat uns Fonart einige Artikel abgekauft. Nicht unbedingt sehr viel, so ein bis drei Huipiles pro Person. Zudem gab es Schulungen und finanzielle Förderungen. Aber das ist sechs, sieben Jahre her. Inzwischen hat uns die mexikanische Bundesregierung komplett vergessen", beklagt sie.
Das Institut für Kunsthandwerk weist den Vorwurf zurück. Der Einkauf stagniere nur wegen der Pandemie. Aber auch Monica Hernández bemängelt eine fehlende Unterstützung. Es sei gut, dass Frausto die Plagiate kritisiere. Aber wie solle San Juan Colorado eine eigene Wirtschaft entwickeln, wenn man finanziell im Stich gelassen werde. Dabei bräuchte die Gemeinde nicht viel, um eine tragfähige Ökonomie aufzubauen.
Etwa eine ausgerüstete Werkstatt mit maschinellen Webstühlen. "Das müsste ein Raum im Gemeindebesitz sein, damit sich niemand die Maschinen aneignen kann und alle Frauen einen Platz hätten, um ihre Hemden, Blusen und Kosmetikartikel herzustellen. Dafür haben wir selbst kein Geld. Die Regierung hat es, aber ihr fehlt der Wille, es zu investieren."
Mit ein wenig Hilfe könnte die Gemeinde vorankommen, sagt die 48-Jährige. Genauso, wie es die Kultusministerin wortstark im Fernsehen vertrete.
"Niemand kann sich das aneignen"
Obwohl Hernández Webarbeiten an die Designerin Pippa Holt veräußert, ist sie davon überzeugt, dass sie damit nicht ihre Seele verkauft. Im Gegensatz zu Zara kopiere die Designerin Pippa Holt nicht einfach Motive, sondern verarbeite Stoffe aus San Juan Colorado. Original statt Kopie – das ist für sie entscheidend.
"Wenn wir die Kleidungsstücke erarbeiten, formen wir dabei unser Fühlen, unsere Erlebnisse, unsere Kosmovision, unsere Tiere, Blumen, Fauna und Fruchtbarkeit. Das ist die Kultur der Gemeinde. Niemand kann sich das aneignen", erklärt sie.
Keine industrielle Produktion, so hofft Hernandez, wird die Arbeit der Kunsthandwerkerinnen ersetzen können. Ein Huipil "Made in China", aufgepeppt für die schnelle Mode, das wäre das Ende der traditionellen indigenen Lebenswelt.