Mit Strichmännchen über Kulturgrenzen hinweg
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Ihr großer Erfolg ist ein Buch fast ohne Worte: Die Kommunikationsdesignerin Yang Liu nutzt Bilder und Symbole, um zu informieren – auch über kulturelle Unterschiede, die sie auf ihrem Lebensweg von Peking via Paderborn nach Berlin beobachtet hat.
Am Anfang stand eine kleine Lüge. "Meine Eltern meinten, in Deutschland müsse man nicht zur Schule gehen", erinnert sich Yang Liu, die in ihrer Heimatstadt Peking eine eher aufmüpfige Schülerin war, "dann dachte ich: Was für ein tolles Land, da muss ich hin."
"Im Privatleben eher chinesisch"
Und so kam die 13jährige Yang Liu 1990 aus Chinas Hauptstadt nach Paderborn, wo ihr Vater als Austausch-Ingenieur arbeitete. Doch auch in Ostwestfalen musste sie zur Schule, und dort lernte sie in Windeseile Deutsch. Mit 17 hatte sie einen Studienplatz für Kommunikationsdesign an der Hochschule der Künste Berlin ergattert. Heute lehrt sie das Fach als Professorin an der BTK - Hochschule für Gestaltung in Berlin und betreibt ein eigenes Design-Büro. Wieviel China steckt nach dieser Erfolgsgeschichte noch in Yang Liu?
"Ich fühle mich immer als eine Mischung von deutsch, chinesisch und allen anderen Orten, wo ich war. Ich denke, im Privatleben bin ich eher chinesisch, im Berufsleben oder auch anderen Situationen, die man als Erwachsener erlernt hat, bin ich definitiv mehr deutsch."
Deutsche und chinesische Sichtweisen im Vergleich
Aus ihren Erfahrungen in beiden Kulturen hat sie ein Buch gemacht, "Ost trifft West" - kaum Text, fast nur Piktogramme, die jeweils eine deutsche und eine chinesische Sichtweise symbolisieren.
So zeigt ein missmutiges deutsches Gesicht vor einer Regenwolke teutonische Wetterfühligkeit, während das chinesische Konterfei lächelnd Contenance wahrt. Wobei Yang Liu in Sachen Meckern über's Wetter einräumt: "Ich glaube, da bin ich schon zu lange hier, da bin ich schon sehr deutsch geworden."
Mit Piktogrammen Sprachbarrieren überwinden
Das Buch wurde ein großer Erfolg, auch außerhalb Deutschlands, denn Yang Lius aussagestarke und oft humorvolle Piktogramme, Strichmännchen und angedeutete Gesichter erschließen sich Menschen über Kulturgrenzen hinweg unmittelbar: "Piktogramme sind die ersten Versuche der Menschheit, sich zu verständigen. Man findet ja auch in den Höhlen der Ureinwohner immer diese verschiedenen Arten von Strichmännchen."
Eine Lehrerin aus Indien schrieb Yang Liu, dass sie das Buch im Unterricht benutze, um ihren Schülern den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu erklären. Mit Piktogrammen könne "man auf jeden Fall Verständnis schaffen", meint Yang Liu: Man erhalte dadurch "Gesprächsstoff".
(pag)