Dessauer Trümmerhaufen

Von Christoph Richter |
Die Debatte um die Nicht-Vertragsverlängerung von Philipp Oswalt, Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, nimmt bizarre Züge an. Über die Hintergründe erfährt man wenig, es kursieren Gerüchte und Spekulationen. Der Kulturausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt sorgte nun für einen Eklat.
Unwürdig, provinziell, peinlich: So die Worte einiger Kulturausschussmitglieder. Denn obwohl sich alle Seiten vorher einig waren, den Dessauer Bauhaus-Stiftungsdirektor Philipp Oswalt in den Kulturausschuss einzuladen, um mehr über die Vorgänge der Nichtverlängerung seines Vertrages zu erfahren, wurde er dennoch auf Betreiben der Regierungsparteien von CDU und SPD wieder ausgeladen. So dass der renommierte Architekt Philipp Oswalt, obwohl er bereits extra angereist war, wieder von dannen ziehen musste. Dass man einen Mann mit diesem Ruf wie einen Schüler einfach des Raumes verweist und brüskiert, für den stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Stefan Gebhardt von der Partei Die Linke völlig unverständlich:

"Ich finde diesen Vorgang hochgradig peinlich und beschämend für den Ausschuss insgesamt. Für das Land Sachsen-Anhalt. Was gibt man für ein dämliches Bild auch nach außen ab. Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll. Wenn zwei Fraktionen offenbar, CDU und SPD offenbar Angst haben, dass ein Stiftungsdirektor was sagt. Also wie kann ich denn Angst vor den Worten des Anderen haben. Das entlarvt so eine ungemeine Schwäche."

Stiftungsdirektor Philipp Oswalt kann es immer noch nicht verstehen, dass sein 2014 auslaufender Vertrag nicht verlängert wurde. Ein Erklärungsversuch:

"Mir haben schon auch einzelne Stiftungsrat-Mitglieder signalisiert, dass es nicht ihr Drängen war. Sondern, dass es, wie es heißt, ein Wunsch des Landes war, so abzustimmen."

Im Klartext würde das bedeuten, dass das Kultusministerium die Stiftungsrat-Mitglieder gezwungen habe, für eine Neu-Ausschreibung und damit gegen den amtierenden Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt zu stimmen.

Mittlerweile sorgt der Fall auch weltweit für Aufsehen. Erst gestern wurde ein offener Brief der internationalen Architektur- und Kulturszene veröffentlicht, indem namhafte Persönlichkeiten wie Barry Bergdoll, der Chefkurator des New Yorker MoMa oder Chris Dercon von der Londoner Tate Modern sich für die Vertragsverlängerung von Philipp Oswalt stark machen, da er ihrer Meinung nach, eine inhaltliche Kontinuität der Arbeit in Dessau sicherstellen würde. Nochmal Philipp Oswalt:

"Ich mache diesen Job gerne, aber nicht unter jeder Bedingung. Also es muss ein vernünftiges Arbeiten möglich sein. Und ich hoffe, es findet sich eine Lösung, ich würde es gerne weitermachen eigentlich. Aber man muss sehen, wie es sich zusammen ruckelt. Ich bin schon irritiert über die Vorgänge der letzten Wochen."

Wenn es dabei bleiben sollte, dass es zu einer Neu-Ausschreibung der Direktorenstelle in Dessau kommen sollte, sei dass hinsichtlich des großen 100-jährigen Bauhaus-Jubiläums 2019 mehr als problematisch, sagt Kulturpolitiker Stefan Gebhardt. Und erinnert daran, dass allein das letzte Ausschreibungsverfahren anderthalb Jahre in Anspruch genommen hätte:

"Tschuldigung: Nächstes Jahr werden die Meisterhäuser eröffnet in Anwesenheit des Bundespräsidenten und des UNESCO-Chefs aus Paris und wir haben keinen Stiftungsdirektor danebenstehen. Nächstes Jahr soll der Wettbewerb losgehen für das Besucherzentrum Bauhaus, was 2019 fertig sein soll. Das Bauhausmuseum. Wer soll das denn organisieren, wer soll das denn machen. Die ganzen Konzeptionen hat nur einer geschrieben. Und das war Philipp Oswalt, wer soll denn seine Arbeit fortsetzen. Wir stehen hier vor einem riesigen Trümmerhaufen, wenn dieser Prozess nicht wirklich gestoppt wird und der eine oder andere im Stiftungsrat nicht zur Vernunft kommt."

Außerdem soll die Dessauer Bauhausstiftung ab 2014 die Geschäftsführung des gesamten Bauhaus-Verbunds übernehmen.

Über die Hintergründe, warum man den Vertrag von Philipp Oswalt nicht verlängern wolle, war auch heute von Seiten der Regierungsfraktion im Kulturausschuss absolut nichts zu erfahren.

Stattdessen wird unter vorgehaltener Hand getuschelt, dass Oswalt zu Alleingängen neige, sein Führungsstil nicht teamfähig sei. Dass er auch bei der Frage des neu zu bauenden Bauhausmuseums eigensinnig gewesen sei. Doch vor dem Mikrofon will sich dazu keiner äußern. Stattdessen wiederholt SPD Kultusminister Stephan Dorgerloh, dass man Personalfragen nicht in der Öffentlichkeit diskutieren werde:

"Es gibt eben aus der Einschätzung der Kuratoriumsmitglieder, ein durchaus gemischtes Bild. Aber es sind jetzt auch Dinge, die weniger öffentlichkeitswirksam sind, die aber für die Innenausrichtung, die strategische Ausrichtung des Bauhaus wichtig sind, die für den Umgang mit externen Partnern wichtig sind. Wo die Beurteilungen im Kuratorium durchaus so sind, dass man am Ende zu der Entscheidung kommt, wir wollen hier neu ausschreiben."

Bei der nächsten Stiftungsratssitzung am 22. November wird in Dessau über den Posten des Direktors endgültig entschieden. Doch ob Philipp Oswalt letztlich weiter zur Verfügung stehe bzw. ob er sich neu bewerben werde, sicher sei das überhaupt nicht, unterstreicht Linken-Kulturpolitiker Stefan Gebhardt:

"Also ich bin ja fast vom Stuhl gefallen, als Herr Dorgerloh im MDR-Fernsehen erklärt hat, er würde sich wünschen oder hoffen, dass sich Herr Oswalt auch bewirbt auf die Neuausschreibung. Sag mal, was ist das denn für ein Signal. Ich sage zu jemandem: Eigentlich wollen wir dich nicht mehr haben. Hast zwar tolle Arbeit gemacht, aber stell dich wieder hinten an. Wie klein sollen sich den Menschen vor einem machen, die hier einfach eine hervorragende Arbeit abgeliefert haben. An Herrn Oswalts Stelle kann ich das total nachvollziehen, wenn er sagt, ich hab die Schnauze voll. Ich will mit den ganzen Pfeifen in Sachsen-Anhalt nichts mehr zu tun haben."
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