Detlef Dzembritzki: Ein Votum für Europa

Moderation: Leonie March |
Nach dem knappen Wahlausgang in Serbien sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Dzembritzki die Europäische Union in der Verantwortung. Die EU müsse den pro-europäischen Wandel in Serbien "konstruktiv begleiten", sagte der Vorsitzende der deutsch-südosteuropäischen Parlamentariergruppe.
Leonie March: Erst wurde das Ergebnis als Erfolg gefeiert, das als Votum für Europa, doch bald erfolgte Ernüchterung. Zwar hat die Liste des serbischen Präsidenten Boris Tadic bei der Parlamentswahl die meisten Stimmen bekommen, sein pro-europäisches Bündnis aber hat die Mehrheit zur Regierungsbildung verfehlt. Rein rechnerisch würde es nur dazu reichen, wenn sich auch die Sozialisten anschließen oder etwas die Partei des Ministerpräsidenten Kostunica. Mit ihm verhandeln allerdings auch die unterlegenen Nationalisten. Eines ist sicher, es wird eine schwierige Regierungsbildung. Über die politische Lage spreche ich jetzt mit dem SPD-Politiker Detlef Dzembritzki. Er ist der Vorsitzende der deutsch-südosteuropäischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen, Herr Dzembritzki!

Detlef Dzembritzki: Ich grüße Sie! Guten Morgen!

March: Ist das Ergebnis vor allem erst mal eines, ein Votum für Europa?

Dzembritzki: Aus meiner Sicht auf jeden Fall, und als ich gestern oder vorgestern so die ersten Trendmeldungen hörte und Signale wahrnehmen durfte, dass der Europablock vorn liegt, war das natürlich eine unwahrscheinliche Freude. Und dass die Partei von Tadic und die, die sich noch klarer sogar ausgedrückt haben, so gut abgeschnitten haben, das ist erst mal eine Freude. Und insbesondere die jungen Leute haben Signale gesetzt, dass sie Europa wollen, dass sie die Werte mit uns teilen wollen. Und das muss allen anderen doch massiv zu denken geben. So gesehen freue ich mich erst mal. Dann, natürlich, dass drei Sitze fehlen, das ist dann wieder ein unwahrscheinlich großer Schluck Wasser in dem Wein. Aber wir müssen gucken und dürfen jetzt vor allen Dingen nicht eines machen, die Flinte ins Korn werfen.

March: Nun könnte das Bündnis von Präsident Tadic ja mit den Sozialisten eine Mehrheit stellen, der Partei von Slobodan Milosevic. Ist das mehr als nur eine theoretische Option?

Dzembritzki: Ich sitze jetzt im Augenblick nicht an den Verhandlungstischen. Ich kann mir schon vorstellen, dass die DS, die Partei vom Präsidenten Tadic, alles machen wird, um eine Koalition zu bilden. Und auch wenn er uns schwer enttäuscht hat, ist natürlich zuerst die Frage an Kostunica. Er kommt aus dem bürgerlichen Lager. Er ist auch in den frühen Jahren sehr stark von westlichen Parteien unterstützt worden. Er gehört zur Europäischen Volkspartei, zur Gemeinschaft der konservativ-bürgerlichen Parteien in Europa. Er ist als Erster gefragt, ob ihm das Wahlergebnis nicht zu denken geben muss.

March: Aber dieses Bündnis war ja gerade erst zerbrochen?

Dzembritzki: Ja, ja. Sicher ist das zerbrochen, aber das Wahlergebnis, dass zum Beispiel die Demokraten so weit vorgezogen sind, dass sie stärkste Partei geworden sind, das kann doch ein Kostunica nicht übersehen. Ich will sagen, dass er als Allererster gefordert ist. Und Tadic muss gucken und seine Freundinnen und Freunde, wie sie eben die drei fehlenden Stimmen bekommen. Es wäre verhängnisvoll, wenn sie jetzt nur wie das Kaninchen auf die Schlange gucken und abwarten, dass die Parteien um Tomislav Nikolic dort eine Koalition bilden.

March: Nun hat die EU Tadic im Wahlkampf ja klar unterstützt. Kann sie denn in dieser Situation ihm weiter den Rücken stärken?

Dzembritzki: Auf jeden Fall will ich einmal sagen, dass es richtig war, dass die Europäische Union diese Signale gesetzt hat. Das war ja auch bei uns ein bisschen umstritten. Und dass das so aufgenommen worden ist, insbesondere von den jungen Leuten, war richtig. Und wenn man sich das anguckt, welche Bewegung innerhalb Serbiens stattgefunden hat, dann hat auf jeden Fall auch die Europäische Union weiterhin eine Verantwortung, diesen Weg konstruktiv zu begleiten. Dass mögliche Regierungsbildungen das schwer machen, gut, das wird dann noch mal eine besondere Herausforderung. Es ist nicht nur schwer in Belgrad, es ist auch schwer in Brüssel.

March: Tadic hat ja sowohl im Wahlkampf als auch direkt nach seinem Wahlsieg erklärt, dass auch eine Regierung unter seiner Führung ein unabhängiges Kosovo nicht anerkennen wird. Werten Sie das vor allem als Signal an mögliche Koalitionspartner?

Dzembritzki: Ja gut, das ist erst mal nicht überraschend. Das ist die Position von Tadic gewesen. Er hat aber, das will ich gleich dazu sagen, immer Gewalt, militärische Optionen völlig ausgeschlossen und mehr den Weg in die Generalversammlung der Vereinten Nationen und zum Internationalen Gerichtshof gesucht. Damit müssen wir ebenfalls leben. Das ist eine Entscheidung, die eben innerhalb der serbischen Parteienlandschaft getroffen worden ist. Wir dürfen ihn auch nicht überfordern. Und deswegen gehe ich mal davon aus, dass der Status, so wie er im Augenblick quasi vorhanden ist, sicherlich von Tadic in der Weise akzeptiert wird, dass er ihn nicht mit Gewalt verändern will. Dass weiterhin Bemühungen stattfinden, ihn zu verändern, ist klar. Ich sehe da wenig Hoffnung. Aber damit muss man leben.

March: Sie haben ja gerade gesagt, Sie hoffen ganz klar auf eine pro-europäische Regierung. Allerdings hat sich Kostunica im Wahlkampf ja auf die Seite der Nationalisten gestellt und damit klar gegen die Annäherung an Europa. Jetzt verhandeln beide über eine Koalition. Was würde denn ein solches Regierungsbündnis für das Verhältnis Serbiens zur EU bedeuten?

Dzembritzki: Es würde mit Sicherheit nichts Positives bedeuten, aber es würde vor allen Dingen für Serbien nichts Gutes bringen. Und man muss doch sehen, dass der größte Teil der jungen Leute Serbien dann den Rücken kehren will, weil sie keine Hoffnung, weil sie keine Alternative sehen. Und ob diese Hypothek von einer Regierung in Serbien letztendlich getragen werden kann, ich wag das ein bisschen zu bezweifeln. Da schwingt natürlich auch immer Hoffnung mit durch, dass eben doch Vernunft dort einkehrt. Aber ich will nur darauf hinweisen, weil natürlich immer die Erwartung da ist, die vom Grundsatz her auch richtig ist, dass in Serbien die Dinge geklärt werden müssen, dass mit diesem Wahlergebnis unsere Verantwortung in Europa eher noch gestiegen ist als gefallen ist. Weil wir sehen, wie zäh und wie hart die Auseinandersetzungen sind, welche Hoffnungen die jungen Menschen haben, wie der Prozess der Annäherung an Europa dort ja auch wirklich trotz dieser heftigen Auseinandersetzungen an Zustimmung gewonnen hat. Jetzt Signale zu setzen, wir lassen euch zurück, das wäre aus meiner Sicht katastrophal.

March: Detlef Dzembritzki war das, der SPD-Politiker. Er ist der Vorsitzende der deutsch-südosteuropäischen Parlamentariergruppe. Herzlichen Dank für das Gespräch!