Eine Stadt am Ende
Im Juli meldete Detroit Insolvenz an. Das einstige Zentrum der Autoindustrie mit blühendem Mittelstand ist pleite. Umgerechnet rund 13,3 Milliarden Euro Schulen hat die Stadt - und keine Chance, sie jemals abzuzahlen. So argumentierte jedenfalls der vom Staat bestellte Krisenmanager. Wie geht es weiter?
"Detroit erfüllt alle Kriterien für ein Insolvenzverfahren." Diese ernüchternde Nachricht überbrachte Konkursrichter Steven Rhodes Anfang Dezember. "Diese einst stolze und wohlhabende Stadt kann ihre Schulden nicht bezahlen." sagte er bei der Urteilsverkündung. Und weiter: "Dies macht den Weg frei für einen Neuanfang." Auch Detroits scheidender Bürgermeister Dave Bing forderte zum Blick nach vorne auf:
"Es ist ein schwerer Tag für uns alle in Detroit. Angesichts der Krise war er unvermeidbar. Niemand hat dies gewollt, aber nun ist es wichtig, zusammenzuarbeiten und uns nicht weiter gegenseitig anzugreifen."
Insolvenzverwalter Kevin Orr hat derzeit die oberste Entscheidungsgewalt in der Stadt. Er will Anfang Januar einen Plan zum Ausweg aus der Krise vorlegen.
"Während wir sehr zufrieden mit dem Urteil sind, bleiben unsere Hauptsorgen, die Schulden zu reduzieren, Serviceleistungen zu verbessern und die Stadt aus der Notverwaltung zu demokratischer Regierung zurück zu führen."
Nur neu Prozent der Kriminalfälle werden gelöst
Die Lage ist nach wie vor verheerend: Polizei und Feuerwehr sind alarmierend unterbesetzt und reagieren nur noch in absoluten Notfällen. Nur neun Prozent von Kriminalfällen werden gelöst. 40 Prozent der Straßenlaternen sind ausgefallen. Fast 80.000 Häuser stehen leer und verfallen. Jeder fünfte Bewohner ist arbeitslos. In einzelnen Stadtteilen Detroits gibt es Zeichen von Aufschwung und Stabilität. Doch klar ist: Es muss sich grundsätzlich etwas ändern in Management und Haushaltsführung. Dass Richter Rhodes dabei Pensionszahlungen ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat ruft Ängste und Proteste hervor.
Gewerkschaften und Rentner demonstrieren gegen drohende Kürzungen. Über drei Milliarden des 18,5 Milliarden-Dollar-Schuldenbergs sind versprochene Pensionen. Gewerkschaftssprecherin Sharon Levine warnt davor, gesetzlich garantierte Ansprüche von Lehrern, Polizisten und Feuerwehrleuten in Frage zu stellen.
"Wir sind sehr enttäuscht. Wir haben bereits Berufung eingelegt. Wir verstehen die Sorge des Richters, aber wir werden weiter kämpfen für Pensionen und unsere Mitglieder."
Mögliche Einnahmequelle: Versteigerung von Kunstwerken
Seit Detroit im Juli Insolvenz beantragte, hat die Stadt neben der Pensionskasse auch nach anderen Spar- und Einnahmequellen gesucht. Ganz oben auf der Liste: die Auslagerung städtischer Dienste an Privatunternehmer, der Verkauf der Wasserwerke und die
Versteigerung von Kunstwerken des Detroit Institutes of Arts
- DIA, eine der wertvollsten Sammlungen der USA und eines der letzten verbleibenden Schmuckstücke der bankrotten Stadt. Insolvenzverwalter Orr ließ ihren Wert vom Auktionshaus Christie schätzen. Das Ergebnis: 450 bis 870 Millionen Dollar.
Orr: "Niemand möchte dafür verantwortlich sein, Omas Tafelsilber zu verscherbeln. Aber: Alles muss auf den Tisch. Als Konkursverwalter muss ich das gesamte Guthaben der Stadt offenlegen. Und ganz oben steht dabei möglicherweise das Kunstinstitut."
In Detroit wächst die Kritik am Insolvenzverwalter. Der Bericht einer Expertenkommission wirft ihm vor, Millionen an Berater zu verschwenden und Banken beim Konkursverfahren zu bevorzugen. Während sich Konkursrichter Rhodes mit diesen Vorwürfen befasst beobachten US-Großstädte aufmerksam, was in Detroit geschieht. Auch in Los Angeles, Chicago und anderen Metropolen steigern hohe Pensionsansprüche das Haushaltsdefizit und verhindern Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Personal.