Deutsch als Fremdsprache

Warum in Israel Deutsch lernen?

Werbung auf einem Bus in Tel Aviv für die Deutsch-Kurse im Goethe Institut: Übersetzt steht dort "Deutsch lernen, Kultur erleben. Schreiben Sie sich jetzt ein"
Werbung auf einem Bus in Tel Aviv für die Deutsch-Kurse im Goethe Institut: Übersetzt steht dort "Deutsch lernen, Kultur erleben. Schreiben Sie sich jetzt ein" © picture alliance / dpa / Goethe-Institut Tel Aviv
Von Thomas Klatt |
Noch vor gut zwei Jahrzehnten galt Deutsch in Israel als die Sprache der Täter und der Nazis. Damals war es kaum denkbar, dass Israelis freiwillig diese schwierige Sprache erlernen wollten. Wozu auch? Was sollte man damit?
"Ich heiße Jenny und ich lerne für drei Jahre Deutsch, ich heiße Maja und ich lerne Deutsch drei Jahre..."
Schüler der 10. und 11. Klassen in der Chugim-Schule Haifa. Seit 1992 bereits wird hier als Pilotprojekt Deutschunterricht angeboten. Mittlerweile müssen die Anfänger-Kurse auf Grund der großen Nachfrage sogar geteilt werden. Lehrerin Rita Lanczet erinnert sich an die Anfänge.
"Es wurde gesagt, warum gerade? Da habe ich gesagt, Deutschland ist bereit das zu finanzieren. Ich werde bis heute über die deutsche Botschaft bezahlt. Und die Schüler bekommen das auch umsonst. Und dann haben sie gesagt, wenn wir das umsonst bekommen, warum nicht."
In ganz Israel gibt es heute sieben bis acht Schulen, die Deutschunterricht anbieten. Und es sollen noch mehr werden. Das israelische Kultusministerium plant Deutsch demnächst als ordentliches Lehrfach anzubieten, verrät Rita Lanczet. Die Jüdin ist nach dem Krieg in Berlin geboren worden. Nach dem Willen ihrer Eltern ging sie als Jugendliche nach Israel. Seit über 40 Jahren nun schon lebt sie hier. Ihr Schüler Yonathan begrüßt es, dass immer mehr Israelis nun Deutsch lernen. Der Holocaust, die Abwehr der Sprache der Nazis, ist für die mittlerweile 4. Generation scheinbar weit weg.
Yonathan: "Die Jugend mag Deutschland mehr als die anderen Generationen. Ich war schon in Deutschland und alle Zeit wir haben auch über den Holocaust gesprochen, aber nicht total böse oder was. Ich habe kein Problem mit andere deutsche Jugendliche zu sprechen, ja wir haben changed."

Deutschland als Paradies

Vier mal schon war Yonathan in Berlin. Vielleicht will er dort auch studieren. Dass Juden in Deutschland auch attackiert werden, sehen er und seine Mitschüler nicht als Problem. Sie wissen nicht einmal davon. Verglichen mit der ständigen Bedrohungslage in ihrer Heimat kommt ihnen Deutschland geradezu als sicheres Paradies vor.

"War ich in Berlin und bin mit der U-Bahn gefahren, habe ich gesessen neben einem Deutschen, 25 Jahre, ich mit zwei Freunden, und wir haben Hebräisch gesprochen, und er musste raus gehen und der sagte bei midrod everesch, aber er ist Deutsch, das war lustig, dass Deutsche auch können Hebräisch sprechen."
Ein freundliches "Auf Wiedersehen" auf Hebräisch mitten in Berlin. Neueste Umfragen etwa der Konrad Adenauer Stiftung belegen: Israelis haben ein positiveres Bild von Deutschland als umgekehrt. Deutsch ist hip. Immer mehr Israelis lernen Deutsch, allein die Kurse am Goethe-Institut in Jerusalem und Tel Aviv sind seit Jahren ausgebucht. Dessen Leiter Wolf Iro erklärt das so.
"Deutsch ist eine Sprache, die inzwischen nicht mehr stigmatisiert ist. Die Leute lernen aus verschiedenen Gründen. Weil sie sie für ihre Arbeit brauchen, weil sie sie für ihr Studium brauchen, sie möchten in Deutschland studieren. In Deutschland ist das Studium kostenlos, hier kostet es etwas. Oder sie lernen es, das ist nicht zu unterschätzen, um ihre eigene Geschichte wieder zurück zu gewinnen. Dieses Moment des reclaiming history, man kommt nach Deutschland, man befindet sich in einer unmittelbaren Beziehung zu diesem Land und man möchte die Familiengeschichte wieder den Händen der Nazis entwinden und ich werde mir davon nicht meine eigene Geschichte nehmen lassen."
Roynik: "Rammstein ich höre gerne, das gibt mir Ruhe, um gut zu arbeiten. Meine Kinder sie sprechen ein bisschen Deutsch nur wegen Rammstein. Sie können sogar ein oder zwei Songs singen. Die Nachbarn sagen nichts, weil sie nichts verstehen..."
Nathalie Roynik arbeitet als Tierärztin auf dem Land. Sie liebt die Musik der deutschen Band Rammstein. Nur wollte sie endlich auch deren Texte verstehen. Seit fünf Jahren nun schon lernt sie im privaten Beit Rutenberg Institut Haifa Deutsch in Abendkursen. 70 Jahre nach dem Holocaust ist das immer auch noch eine Generationenfrage.
"Viele Menschen sie fragen, warum Deutsch? Sogar meine Mutter, die nicht in Israel geboren ist, sondern in Bulgarien, versteht nicht, warum ich Deutsch lerne und warum ich nach Deutschland fahre zwei Mal im Jahr. Warum habe ich deutsche Freunde und warum habe ich dieses Interesse? Auch mein Mann versteht es nicht. Meine Antwort ist, weil Deutschland und Israel haben diese böse problematische Geschichte. Darum es ist für mich so interessant die Sprache zu verstehen und auch mit Menschen zu sprechen. Und Deutschland ist sehr sehr schönes Land."

Schönes, nettes Land

Schönes Land schon, aber auch nett, nicht nur zu Israelis, sondern auch zu Syrern, die doch seit Jahrzehnten Krieg mit Israel führen. Bei Nathalie Roynik herrscht Skepsis gegenüber der deutschen Asylpolitik vor.
"Als Israeli, ich bin hier geboren, ich war in israelischer Armee, ich habe arabische Nachbarn und ich sehe was passiert in Israel. Und ich meine die Deutschen ein Teil verstehen gar nicht, was das bedeutet, so viele Muslim zu haben und sie sind sehr sehr naiv. Sie wollen helfen, das ist sehr sehr gut und sehr sehr schön, aber sie können nicht sehen, was die Zukunft bringt mit alle diese Flüchtlinge."
Die Dämonisierung von Juden und dem jüdischen Staat war in Syrien immer Teil der Regierungspropaganda. Zumindest hat die Deutsch-Begeisterung in Israel in den letzten Monaten eine Delle erhalten. Wolf Iro beobachtet einen leichten Rückgang des Interesses an Deutschkursen.
Iro: "Die Flüchtlingsfrage, die hier sehr stark diskutiert wird. Flüchtlingsfrage, steigender Antisemitismus, was sich mehr oder weniger in Korrelation setzen lässt zur Nachfrage nach Deutschkursen hier."
Grundsätzlich aber herrscht großes Interesse an Deutschland in Israel. Seit sieben Jahren bietet das Haifa Center for German and European Studies einen Master-Abschluss an. Neben dem Erwerb der deutschen Sprache steht die Wissensvermittlung der deutschen Kultur und Politik im Mittelpunkt. Gerade die israelische Gesellschaft ist von den Jeckes, den deutschen Juden also, stark geprägt. Allein in Haifa sind die ehemaligen Siedlerhäuser im deutschen Viertel prägend. Heute ist das hier die Hauptflaniermeile. Deutsche Wörter finden sich gerade auch im Hebräischen, laut dem Institut für deutsche Sprache mehr als 1400 Lehnwörter. Shpachtel, Bienenshtish oder Weltshmerts etwa. Auch wenn Deutsch nach der Shoa in der Öffentlichkeit als "Sprache der Nazis und Täter" verpönt war, so werde doch heute vielen Israelis immer mehr bewusst, dass sie "Deutsch im Blut" hätten, sagt der älteste Deutsch-Student an der Uni Haifa, der pensionierte TV-Moderator Micha Limor, dessen Eltern aus Süddeutschland stammen .
Limor: "Meine Magisterarbeit war über die Auswirkungen, die über die deutsche Presse in Weimar-Zeit über die hebräische Presse in Palästina damals gehabt hat. Und ich behaupte, dass unsere heutige Presse, die freie kommerzielle Presse. Es gab eine Zeitung, die Vossische Zeitung, die wichtigste israelische Zeitung Haaretz eine Verlängerung von die Vossische Zeitung ist."
"Wir erlauben uns heute zu entdecken die sehr berühmte deutsche Kultur, die vor dem Krieg existierte."
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