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Die Länder und der Einigungsvertrag
Vor 25 Jahren stimmten die Bundesländer dem Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu. Doch wie umfassend wurden sie überhaupt an den Verhandlungen beteiligt? Eine Dokumentation von Georg Gruber.
9. November 1989. In Berlin fällt die Mauer, die Bilder gehen um die Welt. Am nächsten Tag trifft sich turnusgemäß der Bundesrat in Bonn, damals noch bestehend aus den Vertretern von elf Bundesländern.
"Wer diese Nacht in Berlin erlebt hat oder diese Nacht am Fernsehschirm verfolgt hat, der wird den 9. November 1989, so denke ich, nie vergessen ..."
... erklärt Walter Momper, der Regierende Bürgermeister von Berlin, als gerade amtierender Präsident des Bundesrates.
"Gestern Nacht war das deutsche Volk das glücklichste Volk auf der Welt. Es war der Tag des Wiedersehens zwischen Menschen aus beiden Teilen Berlins, es war die Nacht, in der die Mauer ihren trennenden Charakter verloren hat."
Wie rasch der Prozess der Wiedervereinigung verlaufen würde, war damals kaum absehbar.
Stoiber: "Dass es letzten Endes dann so schnell geht, das hat mein Vorstellungsvermögen schon überstiegen."
Edmund Stoiber, CSU, damals Innenminister von Bayern.
Stoiber: "Denn wir waren ja über die Wiedervereinigung unendlich überrascht, dass das dann so stattgefunden konnte, wie es stattgefunden hat, das war ja für uns nicht vorstellbar."
Voscherau: "Wir waren alle naturgemäß auf dem falschen Fuß erwischt, also es gab eine Bandbreite von Jubel und Freude und Zustimmung, über kalte Füße, was werden die Sowjets tun und sagen, bis hin zu Zögerlichkeit, wenn nicht gar Bremsversuchen."
Henning Voscherau, SPD, von 1988 bis 1997 Erster Bürgermeister von Hamburg.
Engholm: "Denen, die die Situation mit offenen Sinnen wahrgenommen haben, war klar, es mussten schnelle Entscheidungen getroffen werden."
Björn Engholm, SPD, von 1988 bis 1993 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
"Und man musste damals auch unkonventionell vorgehen, nicht alles im Detail regeln können, das war den meisten klar, nicht allen. Ich glaube, dass die Option, eine gemeinsame Verfassung zu machen, politisch die schönere gewesen wäre, aber den Beitritt herbei zu führen, damit größere politische und soziale Erosionen verhindert werden in Deutschland, das war glaube ich die vernünftigste Entscheidung."
Am 19. Dezember 1989 trifft sich Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem DDR-Regierungschef Hans Modrow in Dresden. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters:
"Als Bundeskanzler Kohl an der Ruine der Frauenkirche in Dresden zu zigtausenden DDR-Bürgern sprach und die DDR-Führung und die DDR-Führung ihn mit der Bevölkerung allein ließ, weil man offenbar die Gleichzeitigkeit des Beifalls für Kohl und der Pfiffe für sich selber fürchtete und in dieser Nacht waren wir überzeugt, wir haben jetzt eine Chance."
Helmut Kohl formuliert an diesem Abend das Ziel der Einheit der Nation, und die westdeutschen Länder wollen den deutsch-deutschen Vereinigungsprozess von Anfang an mitgestalten. Die Ministerpräsidenten fordern deshalb kurz darauf bei einer Zusammenkunft in Bonn, dass die Länder ...
"... ihren verfassungsmäßigen Rechten entsprechend umfassend zu beteiligen seien."
Am 30. Januar 1990 trifft sich Kanzleramtsminister Seiters mit den Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder:
"Wir sind übereingekommen die Länder an den Entscheidungen der Vertragsgemeinschaft, das war damals noch so die Sprachregelung, zu beteiligen. Die Beteiligung der Länder, das war noch verhältnismäßig neutral formuliert, sollte erfolgen, soweit ihre Interessen berührt seien. Bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen hat die Bundesregierung aus staatsrechtlichen Gründen eine Beteiligung der Länder ausgeschlossen, das ist auch unstreitig gewesen, und schließlich ging es um die Verhandlungen zwischen Bonn und Ostberlin und da haben wir uns verständigt, dass die Länder beteiligt werden sollten, sobald die Finanzhoheit der Länder betroffen sei."
Der außenpolitische Rahmen der Wiedervereinigung
Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik, der DDR, Frankreich, der Sowjetunion, Großbritannien und den USA bilden den außenpolitischen Rahmen der Wiedervereinigung. Björn Engholm:
"Das war eine klassische Regierungsaufgabe. Auch die Grundfrage des 'eine neue Verfassung machen' oder 'Beitritt', da waren die Länder nur sehr bedingt zugangsberechtigt zu diesem Thema. Währungsunion war eine klassische regierungsdominante Aufgabe, Bundesregierung, Marktwirtschaftstransformation, Einrichtung der Treuhand, alles was damit zusammen hängt, auch eine klare und unbestreitbare Dominanz der Regierung. Das heißt eigentlich in diesem riesigen Aufgabenkontext beschränkten sich die Länder bei vernünftigem Nachdenken auf die Fragen: Wie soll die Gesamtfinanzierung gelöst werden? Wie können wir die Finanzierung in den unterschiedlich reichen und armen Bundesländern schultern? Wie können wir die Lasten innerhalb der Länder verteilen? Das war das eigentliche Länderthema und ich glaube dabei sind die Länder auch insgesamt nicht schlecht gefahren, was die Beteiligung angeht."
Wolfgang Clement, SPD, beklagt dennoch wiederholt als Chef der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, das damals den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne hatte, dass die Länder bei den Verhandlungen zum ersten Staatsvertrag, der Wirtschafts- und Währungsunion, nicht ausreichend beteiligt und informiert werden. Der Politologe Hanns Jürgen Küsters:
"Das ist richtig, dass die SPD-geführten Länder, aber auch die CDU-CSU geführten sich zunächst mal außen vor sahen, weil zum einen die Bundesregierung immer argumentierte, es bestehe ein hoher Zeitdruck, dem war natürlich auch so, aber sie umgekehrt auch keine Notwendigkeit sahen, nun die Länder als Interessenvertreter in diesen Verhandlungsprozess noch einzubeziehen, weil das die Verhandlungen natürlich zusätzlich verkompliziert hätten, weil weitere Interessen da hätten berücksichtig werden müssen."
Die Einheit wird Geld kosten, viel Geld, das ist allen schon vor der Vereinigung klar. Auch dass die Länder sich an den Kosten beteiligen müssen. Am 16. Mai 1990 einigen sich Bund und Länder auf den Fonds "Deutsche Einheit", den beide Seiten je zur Hälfte tragen wollen. Die westdeutschen Länder haben damit eine gesicherte Kalkulationsbasis für ihre mittelfristige Finanzplanung. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl, CSU, erklärt dazu auf einer Pressekonferenz in Bonn:
"Für uns Länder ist es besonders wichtig, dass wir wissen, woran wir sind in den nächsten Jahren. Unsere Beiträge sind festgeschrieben. Das Risiko, wenn es mehr werden sollte, und hier geht es in erster Linie um das Staatsdefizit drüben, dann ist es das Risiko des Bundes."
Ein Erfolg der Länder, denn die neuen Länder bleiben bis 1994 beim Länderfinanzausgleich außen vor. Am 22. Juni 1990 stimmt der Bundesrat mit großer Mehrheit für die Wirtschafts- und Währungsunion. Dagegen votieren lediglich der Ministerpräsident des Saarlandes und SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine und der neu gewählte SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, Gerhard Schröder. Björn Engholm, damals Ministerpräsident von Schleswig-Holstein:
"Ich glaube, dass sie beide gute Argumente gehabt haben, weil sie gewusst haben, was die Währungsunion für die künftige Investitions-, Arbeits- und Wirtschaftslandschaft in Ostdeutschland bedeuten würde. Das heißt, wir haben hinterher auch erlebt, dass die Währungsunion in relativ kurzer Zeit 70 oder mehr Prozent der industriellen Basis in Ostdeutschland zunichte gemacht hat, von daher, die Argumente waren glaube ich wohl durchdacht und einfühlbar, aber auf der anderen Seite hätten wir die Währungsunion nicht gemacht, wäre es zu einer riesen Abwanderung gekommen. Der Osten wäre möglicherweise in einer Weise auseinander gebrochen, die niemand hätte haben wollen, also ich glaube der Zeitdruck etwas tun zu müssen hat für die dann beschlossene Währungsunion gesprochen."
Die Frage nach einer künftigen Verfassung
Gestritten wird in diesen Monaten des Umbruchs auch über die Frage einer künftigen Verfassung beziehungsweise einer Verfassungsreform. Hanns Jürgen Küsters:
"Die SPD-geführten Länder waren der Meinung, dass man eigentlich eine Enquetekommission einrichten sollte. Und entscheidend war, dass die CDU-CSU-FDP-geführten Länder, aber auch vor allen Dingen die Bundesregierung davon natürlich nichts wissen wollten, weil man befürchtete, es gäbe mit einer Neujustierung des Grundgesetzes möglicherweise eine Komplettrevision der alten Werte, die man nun über 40 Jahre lang in der Bundesrepublik gepflegt hat, und von da aus wollte man nur so wenig Änderungen am Grundgesetz wie möglich zulassen."
Nach Artikel 23 Grundgesetz soll die Wiedervereinigung durch den Beitritt der DDR-Länder erfolgen, die 1952 faktisch aufgelöst worden waren. Sie werden im Wesentlichen in den Grenzen von 1952 wiederbegründet.
Volker Schemmel: "Mit Wirkung vom 14.10.1990 werden in der DDR folgende Länder neu gegründet. Mecklenburg-Vorpommern, durch Zusammenlegung der Bezirksterritorien Neubrandenburg, Rostock und Schwerin ..."
Am 22. Juli 1990 beschließt die Volkskammer das "Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik". Vorschläge, im Zuge der Deutschen Einheit auch die Ländergrenzen neu zu gestalten, finden kein Gehör. Rudolf Seiters:
"Wenn Sie bedenken, welch kurzer Zeitraum uns gegeben war, Verhandlungen mit einem Verhandlungspartner aus der DDR, mit Abgeordneten, die ja keine Erfahrung hatten, praktisch keine Erfahrung hatten, was das politische Geschehen anbetrifft, deswegen habe ich größten Respekt vor denen, die damals auf der DDR-Seite verhandelt haben. Aber dass wir das geschafft haben, in diesen wenigen Wochen den Staatsvertrag zu verabschieden, den Einigungsvertrag und auch noch die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, also da war kein Platz für so grundsätzliche Fragen wie neue Verfassung oder auch Neugliederung der Länder, wir haben uns konzentriert auf die Wiederherstellung der Länder der DDR."
Bereits am 5. Juli verabschieden die Ministerpräsidenten der elf alten Bundesländer einstimmig "Eckpunkte für die bundesstaatliche Ordnung im vereinten Deutschland". Sie betonen darin die Bedeutung des Föderalismus und den Anspruch, den Einigungsprozess mitzugestalten. An den Verhandlungen zum Einigungsvertrag im Juli und August 1990 sind dann die westdeutschen Bundesländer wesentlich stärker eingebunden. Klaus Rauscher, CSU, damals Chef der Bayerischen Staatskanzlei:
"Bei dem Einigungsvertrag, wo es ja um Grundfragen deutscher Staatlichkeit geht, wo es um Grundstrukturen der Verfassung ging, wo es um die Grundentscheidungen der Gesetzgebung in Deutschland und zur Verwaltung und zur Organisation dieses Landes ging, da sind so elementar Länderrechte berührt gewesen, dass wir gesagt haben: Da müssen wir rein. Sonst müssen wir wirklich Ärger machen, aber der Bund hat das eingesehen und ja, dann saßen wir eben mit am Verhandlungstisch."
Ein Grund dafür sind auch die geänderten Machtverhältnisse im Bundesrat, dort hat nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen nun die SPD die Mehrheit. Sechs Ländervertreter können schließlich an der bundesdeutschen Verhandlungsdelegation teilnehmen, die Verhandlungsführung liegt bei Innenminister Wolfgang Schäuble, CDU, und auf DDR-Seite bei Günther Krause, CDU. Klaus Rauscher, der für Bayern mit am Verhandlungstisch sitzt, kann sich noch gut an die Atmosphäre erinnern:
"Also zunächst sehr heiß - weil es war ein heißer August, in Bonn ging es, aber in Ostberlin wenn wir getagt hatten, dann waren auch die Fenster zu, es wurde unerträglich heiß und gelegentlich ist mal ein älterer Staatssekretär dann umgekippt. Weil es waren wirklich stunden-, um nicht zu sagen tagelangen Verhandlungen, und das ging dann schon auf den Kreislauf. Aber sachlich war die Atmosphäre hervorragend, und eins muss man sagen: Schäuble hat damals einen exzellenten Job gemacht."
Den Ländern geht es vor allem darum, zentralistischen Tendenzen entgegenzutreten und finanziell nicht zu stark belastet zu werden. Die Länder sind sich allerdings nicht in allen Fragen einig, etwa welche Stadt zukünftig Hauptstadt sein soll, die ostdeutschen Vertreter sind für Berlin.
"Und da gab ja dann am Ende auch einen Kompromiss: Man hat gesagt Berlin wird Hauptstadt, aber über die Frage, ob und wann Regierung und Parlament dahin gehen soll, wird später entschieden."
Ende August kommen die Verhandlungen ins Stocken. Der parteipolitische Streit nimmt zu. Die SPD-regierten Länder verfassen in Abstimmung mit der SPD-Bundestagsfraktion eine 8-Punkte-Erklärung, darin geht es unter anderem um die Stimmverteilung in Bundesrat, die Finanzverfassung, Mietrecht, die Hauptstadtfrage und die angeblich mangelnde Rechtssicherheit für Investitionen bei den Regelungen der offenen Vermögensfragen. Heftig gestritten wird in den Einigungsverhandlungen auch über den Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen. Die rechtlichen Bestimmungen in der DDR waren wesentlich liberaler als in Westdeutschland.
"Das kochte dann auch hinter den Kulissen zumindest dann ziemlich hoch, aber wie gesagt, man kann an einer solchen Frage dann nicht die deutsche Einheit scheitern lassen, und das führte dann letztlich auch zu einem Kompromiss."
Vereinbart wird schließlich eine Übergangszeit von zwei Jahren bis zu einer gesamtdeutschen Neuregelung. Und es geht um die politische Macht im zukünftigen Bundesrat: Die großen Länder Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen fürchten an Einfluss zu verlieren und knüpfen ihre Zustimmung zum Einigungsvertrag an eine Bedingung. Georg-Berndt Oschatz, 1990 Bundesratsdirektor:
"Der Einigungsvertrag wäre nicht zustande gekommen ohne eine Einräumung einer Sperrminorität für die großen Länder, sechs Stimmen, sie kriegten eine Stimme mehr. Und erst als diese Frage geklärt war, über Nacht geklärt war, ist die Zustimmung des Bundesrates sicher gewesen."
Stoiber: "Bei aller Freude über die Wiedervereinigung, aber man wollte natürlich auch seine Gestaltungsposition als Bayern in Deutschland nicht so ohne weiteres schwächen. Und natürlich hat damals Ministerpräsident Rau auch geantwortet, Nordrheinwestfahlen hat 17 Millionen Einwohner, also so viel wie die neuen Länder, die die DDR ausgemacht haben und da muss das Verhältnis dann schon in etwa in der Relation stimmen und das ist aber auch ohne größere längerfristige Friktionen geschehen."
Momper: "Der einzige, der sich bis zum Schluss gegen die Zumutung Nordrheinwestfalens und der großen Bundesländer gewehrt haben, bin ich gewesen, und bin dabei in widerlicher Weise erpresst worden, hab dann Johannes Rau und Wolfgang Clement, die das gedeichselt haben, gesagt: Ich beuge mich der Erpressung. Da sind die fast an die Decke gegangen, aber so war es natürlich, also da wurde schon mit einem empfindlichen Übel gedroht."
Den kleinen Ländern wurde gedroht
Und den kleinen Ländern habe man leicht drohen können, sagt Walter Momper, von 1989 bis 1991 Regierender Bürgermeister von Berlin:
"Ich glaube mit einer Änderung, sie würden die Finanzverfassung mit den alten Stimmrechtsverhältnissen würden sie so ändern, dass Berlin und andere dabei schlecht aussähen, also die ärmeren Länder. Weil es ja immer so war, dass die großen Länder nicht überstimmt werden konnten, und umgekehrt die Kleineren zusammen mit den Ossis nie eine Mehrheit bekommen, so war das angelegt, das war schon eines der übelsten Bubenstücke, die ich in der Zeit erlebt habe."
Voscherau: "Ich fand, das war nicht illegitim ..."
... widerspricht Henning Voscherau.
"Man konnte nicht riskieren, diesen ganzen Prozess wegen kleinkarierten Föderalismuspunkte abzubremsen, deshalb habe ich mich dafür eingesetzt, das machen wir, und so kriegten Nordrheinwestfalen und Niedersachsen und Bayern sechs Stimmen statt fünf, das kleine Hamburg blieb bei seinen bescheidenen drei Stimmen, das war mir egal."
Am 20. September 1990 wird der Einigungsvertrag in der DDR-Volkskammer und im Bundestag angenommen. Einen Tag später stimmen auch alle elf westdeutschen Länder im Bundesrat für den Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands. Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 ist die deutsche Teilung beendet.
Engholm: "Es war eine Zeit der nicht-formalisierten Verfahren. Hätte man alles formalisiert durchgezogen damals, jedes einzelne Stück deutscher Wiedervereinigung, dann hätte man Regierung, Bundesparlament, Länderparlamente, Bundesrat, die Kommunen, die Verbände, die Bundesbank, das Verfassungsgericht, all das durchlaufen müssen. Also hier hat ein Glanzstück einer Verfahrensvereinfachung stattgefunden, in Form von nicht formalisierten Verfahren, Konsensgespräche, Bundeskanzler- Ministerpräsidentenklausuren. Das alles ist nicht aus dem Bilderbuch der Demokratie entstanden, das ist aus der Not der Zeit entstanden, aber es hat funktioniert. Und ich würde sagen, gerade darin, dass man auch neben den formalisierten Verfahren miteinander einigermaßen gut zu Konsensen kommen kann, ist ein guter Beweis, dass die Demokratie in dieser Zeit ihre Bewährungsprobe bestanden hat."
Am 9. November 1990, genau ein Jahr nach dem Fall der Mauer, findet in Berlin die erste Sitzung des nun auf 16 Mitglieder angewachsenen Bundesrates statt.
Henning Voscherau, er war damals turnusgemäß Bundesratspräsident:
"Zum ersten Mal in der Geschichte des Bundesrates sind die deutschen Länder gleichberechtigt versammelt, mit dem Willen zur Zusammenarbeit, zur Solidarität, zu einem neuen Weg in eine gemeinsame Zukunft."
Für die neuen Bundesländer spricht Alfred Gomolka, CDU, der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern:
"Wir kommen hier her auch in gewisser Weise als Kinder einer friedlichen Revolution und dieser Umstand gibt uns auch ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, hier mitzuarbeiten."
Stoiber: "Und auch immer wieder muss man sagen, die Länder haben nach dem Grundgesetz den Bund gemacht und nicht umgekehrt und das haben schon die neuen Länder, die '90 dazugekommen sind, verinnerlicht. Insofern haben wir heute durchaus eine starke Position der Länder im Bewusstsein der Menschen."
Der Föderalismus hat sich bewährt: Die westdeutschen Bundesländer haben im Prozess der Wiedervereinigung eine konstruktive Rolle spielen können, auch wenn sie bei Finanzfragen und anderen Sachthemen immer auch ihre eigenen Interessen im Blick behielten. Der Aufbau Ost wäre ohne die Zusammenarbeit zwischen alten und neuen Bundesländern wesentlich schwieriger vorangekommen.