Deutsch-französische Beziehungen

Den Dialog durch Literatur beleben

Die deutsche und die französische Nationalflagge
Im Bereich der Literatur könnten sich Deutschland und Frankreich noch näher kommen, meint Charlotte Stolz. © afp / Odd Andersen
Charlotte Stolz im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Die deutsch-französische Freundschaft ist längst eine feste Größe in Europa. Der Dialog ließe sich aber noch weiter vertiefen, meint Charlotte Stolz, Projektleiterin bei der Stiftung Genshagen. Im Bereich der Literatur etwa gebe es noch "viel zu tun".
Der Dialog zwischen Deutschland und Frankreich scheint bestens zu klappen - das zeigt nicht zuletzt der gemeinsame Vermittlungsversuch beider Länder in der Ukraine-Krise. Doch da geht noch mehr, meint Charlotte Stolz, Projektleiterin bei der Stiftung Genshagen, die heute in Berlin den deutsch-französischen Franz-Hessel-Literaturpreises verleiht.
"Es ist tatsächlich so, dass im Bereich der Literatur viel zu tun ist für den Dialog", sagte Stolz im Deutschlandradio Kultur. Für einen lebendigen Dialog brauche man die Übersetzungen der Werke in die jeweils andere Sprache sowie adäquate Austauschmöglichkeiten für die Autoren. Der Franz-Hessel-Preis trage genau dazu bei.
Bei der Verleihung würden nicht nur Autoren und Werke vorgestellt, sondern auch weitere Aktivitäten initiiert, so Stolz. So werde man etwa eine gemeinsame Schriftstellerresidenz einrichten, in der Autorinnen und Autoren ins Gespräch kommen können. Auch würden Lesungen und Workshops mit Jugendlichen angeboten. "Der Preis ist nicht nur eine einzige Preisverleihung. Es wird tatsächlich viel dadurch angestoßen."


Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Der deutsch-französische Dialog, der wirkt dieser Tage sehr lebendig, könnte man meinen, wenn man Angela Merkel und François Hollande einträchtig nebeneinander erlebt, wie sie versuchen, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Ob dazu noch weit mehr gehört, dass der französisch-deutsche, deutsch-französische Dialog auch kulturell und gesellschaftlich wiederbelebt wird, darüber wollen wir jetzt mit Charlotte Stolz sprechen. Sie ist Projektleiterin bei der Stiftung Genshagen bei Berlin, die dabei mittut, diesen Dialog zu vertiefen, heute deshalb, weil die beiden Kulturministerinnen Grütters und Pellerin, also die deutsche und die französische, in Berlin den Franz-Hessel-Preis verleihen, jeweils an eine deutsche und französischsprachige Autorin, einen Autor, und dieser Preis, 10.000 Euro jeweils, ist ausgelobt von eben dieser Stiftung Genshagen und der französischen Villa Gillet. Frau Stolz, schönen guten Morgen!
Charlotte Stolz: Guten Morgen!
von Billerbeck: Merkel und Hollande sieht man da heftig nebeneinander und man hat gar nicht den Eindruck, dass da irgendwie noch was zu tun ist im Dialog zwischen Frankreich und Deutschland. Wieso, meinen Sie, ist diese Vertiefung auch mittels Literatur so nötig?
Stolz: Ja, vielleicht fange ich da mal an bei der ersten Preisverleihung des Franz-Hessel-Preises, das war 2010. Da sagte unser Laudator, er sei ganz erstaunt gewesen, dass es noch keinen deutsch-französischen Literaturpreis gebe bei den ganzen zahlreichen deutsch-französischen Aktivitäten. Also es ist tatsächlich so, dass im Bereich der Literatur viel zu tun ist für den Dialog. Das hängt auch davon ab, dass einfach der Dialog davon abhängig ist: Gibt es Übersetzungen? Können sich die Autoren überhaupt miteinander austauschen? Und es gibt einige Aspekte, die bei diesem Literaturpreis so besonders sind, dass er nämlich gleichzeitig an einen deutschen und einen französischen Autor vergeben wird, und dass der Preis dazu beitragen soll, dass die Werke der Autoren auch in die andere Sprache übersetzt werden.
von Billerbeck: Nun kann man ja sagen: Die englische Sprache, die hat den Durchmarsch durch die ganze Welt angetreten. Das Französische ist ein bisschen zurückgetreten. Liegt das auch daran, dass sie der Meinung sind, da muss zwischen Deutschland und Frankreich noch ein bisschen mehr passieren, vor allem unter jüngeren Leuten, die ja sehr anglophon sind?
Stolz: Gut, sicherlich. Also da blickt aber Deutschland und Frankreich auch auf eine lange Geschichte zurück. Das deutsch-französische Jugendwerk, was gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde mit zahlreichen Aktivitäten, gerade für Jugendliche, also da hat Deutschland und Frankreich wirklich eine lange, lange Tradition. Allerdings räume ich ein, dass wirklich im deutsch-französischen Dialog einfach mehr gemacht werden muss, dass es wieder spannend, interessant wird, gerade für junge Leute, sich mit dem anderen Land auseinanderzusetzen.
Franz-Hessel-Preis fördert den Dialog
von Billerbeck: Nun verleihen Sie den Preis ja an einen deutschen Autor, eine deutsche Autorin und einen französischen Autor, eine französische Autorin. Was wird denn diese Preisverleihung dabei helfen, dieses Verständnis zwischen beiden Ländern zu vertiefen?
Stolz: Na ja, gut, erst mal ist es eine große Preisverleihung und der Preis wird von beiden Kulturministerinnen verliehen, also der ist wirklich sehr, sehr groß aufgehängt, und wir erwarten viele Gäste. Die Autoren, Autorinnen werden vorgestellt, sie werden aus ihren Werken vorlesen und vor allem, durch den Preis werden dann weitere Aktivitäten, auch eine Schriftstellerresidenz, angeschoben, und in dieser Zeit werden die Autoren, die Autorinnen miteinander ins Gespräch kommen können, es werden Lesungen angeboten, Workshops mit Jugendlichen. Also der Preis ist nicht nur eine einzige Preisverleihung, es ist tatsächlich ... Viel wird dadurch angestoßen.
von Billerbeck: Miteinander ins Gespräch kommen, das hat ja immer mit Sprache zu tun, das heißt, das muss dann ein deutscher Autor sein, der auch Französisch kann, und ein französischer Autor oder Autorin, die auch Deutsch kann?
Stolz: Das wäre das Ideal. Das muss ich sagen, auch jetzt im Rückblick auf die Jahre, war das leider nicht so, aber die Autoren finden immer eine Sprache, um sich miteinander auszutauschen. Also das ist natürlich ganz oft das Englische, oder wir haben auch immer Sprachmittler dabei. Das ist vielleicht auch noch ein ganz wichtiger Aspekt. Wir laden zu den Schriftstellerresidenzen auch immer die Übersetzerinnen, die Übersetzer der Autoren ein, um bei der Übersetzung weiterzuhelfen, um auch miteinander in den Dialog zu kommen. Also ohne die Vermittlung geht es nie.
von Billerbeck: Das ist verrückt, dass bei einem deutsch-französischen Dialog dann doch wieder Englisch gesprochen wird.
Stolz: Ja, ja, klar. Aber gut, ich meine, wir haben dann die Übersetzungen und wir haben die Sprachen, die immer präsent sind. Und jetzt bei der Preisverleihung zum Beispiel werden auch die Texte auf Französisch und auf Deutsch vorgelesen und liegen dann in der Übersetzung aus. Also wir versuchen immer, darauf zu achten, dass beide Sprachen präsent sind.
Ohne Deutschland und Frankreich kein Europa
von Billerbeck: Sie haben es ja schon erwähnt, das deutsch-französische Jugendwerk, viele erinnern sich auch an diese Bilder Kohl und Mitterrand.
Stolz: Genau.
von Billerbeck: Das ist ja eine Freundschaft, die historisch gewachsen ist nach dem Zweiten Weltkrieg und sehr wichtig gewesen ist. Aber ist es vielleicht nicht so, dass heute das Europäische im Vordergrund steht?
Stolz: Gut, aber man muss auch immer betrachten, das ist im deutsch-französischen Dialog, dass ja immer gesagt wird, Deutschland und Frankreich stehen im Herzen Europas, und ich denke, man kann die deutsch-französische Aussöhnung, auch als exemplarischen Dialog von zwei Nationen in Europa sehen, die viel geleistet haben, um Europa zu dem zu bringen, was es heute ist. Also ich denke mal, dass die europäische Einheit ohne die einzelnen Länder, die etwas dafür tun, nicht denkbar ist.
von Billerbeck: Charlotte Stolz war das, Projektleiterin bei der Stiftung Genshagen, über die nötige Wiederbelebung des deutsch-französischen Dialogs. Heute Nachmittag wird der von ihrer Stiftung ausgelobte Franz-Hessel-Preis an je einen französischen, eine französische, einen deutschen, eine deutsche Autorin verliehen von den beiden Kultusministerinnen. Frau Stolz, ich danke Ihnen!
Stolz: Ja, ich danke Ihnen! Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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