Deutsch-israelische Beziehungen

Bitte keine Phrasen mehr!

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Straßenszene in Tel Aviv © dpa-Zentralbild / Peer Grimm
Von Marko Martin |
Heute wird Israels Staatspräsident, Reuven Rivlin, an einem Festakt zum 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel teilnehmen. Marko Martin mag keine Reden mehr hören. Der Schriftsteller empfiehlt, ins Flugzeug nach Tel Aviv zu steigen.
Ein kleiner Einspruch, ehe wieder große Reden gehalten werden: Man verschone uns mit Phrasen! Gewiss, die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, dem Staat der Holocaust-Überlebenden, und der damals noch jungen Bundesrepublik war alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Unbeholfen pathetisch
Doch bis heute wirkt oft unbeholfen pathetisch, wie Deutsche über die Vergangenheit sprechen. Israelis dagegen antworten auf das Erlebte nicht allein mit persönlicher Trauer und politischer Härte, sondern ebenso mit hintergründigem Humor und souveränem Spott.
So machte sich kürzlich der israelische Publizist Yuval Avivi über die Gedenk-Rituale auf der Leipziger Buchmesse lustig, deren diesjähriger "Themenschwerpunkt" Israel war. Gleich drei offizielle Redner hätten sich für die deutsche Vergangenheit entschuldigt – ehe dann als musikalisches Intermezzo ausgerechnet Wagner gespielt wurde. Einigen Deutschen fiel diese nicht unglückliche Auswahl auf, worauf man sich von Seiten der Buchmesse erneut entschuldigt habe. Die Israelis quittierten es mit wohlwollendem Gelächter.
Auch erinnert man sich im Lande noch heute mit Amüsement daran, wie ein deutscher Ministerpräsident eine Rede mit Klezmer-Musik untermalt haben wollte und, weil sich keine passende Band fand, Musiker aus Deutschland mit in sein Flugzeug packte. Wusste er nicht, dass Klezmer-Gefiedel die Israelis eher an gedemütigte Ghetto-Existenz erinnert, denn an selbstbestimmtes Leben.
Ja, es darf gelacht werden – aber nicht über das Flugzeug, denn es leistet mehr für das deutsch-israelische Verständnis als all die großen Reden. Seit April 2013 lässt Israel Billigflieger in seinen Luftraum, auch die staatliche Airline besitzt nunmehr eine low-cost-Tochter - zur Freude von Abertausenden israelischer Touristen, die jährlich zum Urlaub nach Deutschland kommen.
Wortgeklingel der Jubiläumsreden
Außerdem leben in Berlin bereits mehr als 11.000 Israelis - Enkel und Urenkel von Holocaust-Überlebenden, Nachkommen der 1948 nach Israel vertriebenen jüdischen Marokkaner, Jemeniten und Iraker. Wetten, dass Kreuzberger Kneipengespräche und hier entstehende Freundschaften viel nachhaltiger sind als das Wortgeklingel der Jubiläumsreden?
Gleichzeitig erwartet den deutschen Urlaubs- oder Studienreisenden auf Tour im winzig kleinen Israel von der Größe des Bundeslandes Hessen eine Entdeckung, die keineswegs banal ist: die komplexe Wirklichkeit der bislang einzigen Demokratie im Nahen Osten.
Zugespitzt gesagt: Eine Stunde Lektüre der renommiertesten Tageszeitung "Haaretz" - und die verquälte Frage, ob man wohl Israels Regierung kritisieren dürfe, erledigt sich von selbst. Die Einheimischen nämlich gehen hier bereits verbal mit solch präziser Schärfe vor, dass dem Zugereisten der Mund offen stehen bleibt. Erfahrungen, die nun dank Easyjet kein Geheimtipp mehr sein müssen.
Einen Latte Macchiato in Tel Aviv
Anstatt also auf routinierte Entschuldigungen pathetische Wagner-Musik zu intonieren, sollte man lieber einen Latte Macchiato an der Strandpromenade von Tel Aviv trinken und sich in das lustvolle Debattieren an den Nachbartischen einklinken.
Denn schnell und unprätentiös wird der auswärtige Gast da mit einbezogen, und das einzige, was fehlt, sind offizielle Sprechblasen. Was könnte hoffnungsvoller sein?
Marko Martin, ist Schriftsteller in Berlin und bereist regelmäßig Israel. Martin veröffentlichte unter anderem den Essayband "Kosmos Tel Aviv" (Wehrhahn Verlag) und ist Beiträger der jüngst erschienenen deutsch-israelischen Erzähler-Anthologie „Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen" (S. Fischer Verlag).
Marko Martin
Marko Martin© privat
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