Kein Boykott gegen Israel
Von pauschalen Bestrafungen Israels müsse sich Deutschland klar distanzieren, fordert Sebastian Engelbrecht. Dagegen sei eine Belastung der Siedlungen und ihrer Produkte ein legitimes politisches Mittel.
Das Wunder der deutsch-israelischen Beziehungen setzt sich fort - 69 Jahre nach dem Holocaust und 49 Jahre nach dem Beginn der diplomatischen Beziehungen. Ein Beleg für die erstaunliche Nähe zwischen den beiden Staaten sind die einmal im Jahr stattfindenden Regierungskonsultationen. Was die Regierungen Israels und Deutschlands in diesen Tagen beschließen, zeugt von einer einzigartigen historischen Entwicklung: Die Bundesrepublik übernimmt künftig die konsularische Vertretung israelischer Staatsbürger in Ländern, in denen Israel keine eigene Botschaft hat.
Gewiss: Israel ist nicht das 17. Bundesland Deutschlands, aber dieser Beschluss unterstreicht wie kein anderer, wie sehr in den deutsch-israelischen Beziehungen das Vertrauen gewachsen ist. Übrigens nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch zwischen den Gesellschaften, zwischen Organisationen und Menschen in beiden Ländern.
Das Wunder ist geschehen, obwohl der Stein des Anstoßes seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 nicht aus dem Weg geräumt ist: der Bau israelischer Siedlungen im palästinensischen Westjordanland. Hört man den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu über den Siedlungsbau sprechen, so erinnert das an die ewig gleichen Phrasen eines gealterten Sowjet-Funktionärs.
Alle Welt - auch Deutschland - fordert laut und unüberhörbar, dass Israel den Siedlungsbau beenden müsse, um eine Zwei-Staaten-Lösung endlich möglich zu machen. Aber in der israelischen Regierung bewegt sich nichts. Deshalb mehren sich mittlerweile nicht nur in Europa und in den USA, sondern auch in Israel selbst Stimmen, die fordern, man müsse das Land unter Druck setzen. Der israelische Historiker Tom Segev forderte, Deutschland solle "Israel davon abhalten, sich selbst zu zerstören".
Nicht die Falschen treffen
Genau in diesem Sinne sollten die Deutschen darüber nachdenken, welcher Druck sinnvoll ist. In Wissenschaft und Kultur propagieren einzelne und Gruppierungen - etwa in den USA und Großbritannien - den allgemeinen Boykott Israels. Israelische Gesprächspartner werden nicht mehr zum Austausch, zu Konferenzen und Vorträgen eingeladen. Von solchen pauschalen Bestrafungen muss sich Deutschland klar distanzieren. Sie treffen genau die falschen: aufgeklärte Wissenschaftler und kreative Köpfe, die oft auch in Israel gegen Besatzung und Siedlungsbau eintreten.
Dagegen ist eine gezielte Belastung der Siedlungen und ihrer Produkte ein legitimes politisches Mittel. Die Europäische Union ist dabei, eine Reihe von Regelungen in die Tat umzusetzen. So sollen etwa Projekte im Westjordanland nicht mehr in den Genuss von EU-Fördergeldern und Hilfsprogrammen kommen. Alle Produkte, die aus den Siedlungen stammen, müssen künftig klar als solche gekennzeichnet sein. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom vergangenen Jahr geht in dieselbe Richtung: Danach dürfen Produkte aus den Siedlungen nicht mehr zollfrei importiert werden - wie viele Waren aus dem israelischen Kernland.
Solche Entscheidungen treffen die israelische Landwirtschaft im Westjordanland empfindlich. Sie werden die Regierung in Jerusalem auf Dauer zwingen, ihren Kurs zu ändern. Und das Wunder der deutsch-israelischen Beziehungen wird durch diese Politik der Europäischen Union nicht gefährdet.