Die Puckjäger aus Kanada
05:11 Minuten
Eishockeyspieler sind ein kanadischer Exportschlager. Manfred Wolf zählt zur ersten Generation deutsch-kanadischer Spieler, die Ende der 70er Jahre in die deutsche Liga wechselte. Nicht alle freuten sich über die Neuzugänge, erinnert sich Wolf.
"Ich habe ein Play-Off-Spiel gehabt in Dixie damals. Ich habe gut gespielt, habe ein Tor geschossen in der Normalzeit und hab' das Siegtor geschossen in der Overtime. Nach dem Spiel kam Herr Pflügl zu mir und hat gefragt, hallo, wer er ist, und hat angefangen wegen Eishockey in Deutschland spielen. Und so bin ich überhaupt an Deutschland gekommen. Dann bin ich auf gut Glück rübergegangen."
Manfred Wolf über das Jahr 1978, als er aus der Nähe von Toronto zum Mannheimer Eis- und Rollsportclub wechselte. Wolf war Teil der spektakulären ersten Neuzugänge deutsch-kanadischer Herkunft in der Eishockey-Bundesliga. Mannheims Trainer Heinz Weisenbach und sein Scout Harry Pflügl verfolgten einen genialen Plan: In Kanada wollten sie talentierte Spieler mit deutschen Vorfahren entdecken und anwerben. Mit deutschem Pass würden diese das Ausländerkontingent – nur zwei waren erlaubt – nicht belasten. Der Erfolg war grandios: 1980 gewann das kanadisch geprägte Mannheimer Team die Meisterschaft.
Eine deutsch-kanadische Mannschaft
Wenn er heute das Mannschaftsfoto betrachtet, findet Manfred Wolf leicht die Spieler aus dem Mutterland des Eishockeys.
"Roy Roedger, klar, Deutsch-Kanadier wie ich, war mein Rechtsaußen. Peter Ascherl war Rechtsaußen in der nächsten Reihe und Ronny Andruff war Center, aber Powerplay in der Verteidigung. Harold Kreis ist dabei, klar, Deutsch-Kanadier, ich bin dabei ... Ich mein', Manfred Wolf ist ziemlich deutsch vom Auge her."
Die Mutter stammte aus Wien, der Vater aus Süddeutschland. Wolf bekam kurz vor seinem 21. Geburtstag eine zweite Staatsbürgerschaft, obwohl er deutschen Boden nie betreten hatte. Das holte er 1978 nach, als er mit einem knappen Dutzend seiner Landsleute beim Mannheimer Team trainierte und seinen ersten Auftritt im legendären Stadion am Friedrichspark hatte.
"Jeder war sehr begeistert, was passiert, und war interessiert zu sehen: Was sind diese Kanadier, was ist da? Jeder hat darüber gelesen. Da war riesige Resonanz für das erste Vorbereitungsspiel. Wir waren zu Hause, waren natürlich höchst motiviert, weil die Zuschauer waren sehr laut, das war für uns auch neu. Die Heimzuschauer, alle auf dem Stehplatz singen und schreien das ganze Spiel lang. Das war unser erster Eindruck als Kanadier: Wow, da geht die Post ab hier in dem Vorbereitungsspiel, was ist los, wenn die Saison losgeht?"
Kritik an "Importspielern"
Doch nicht alle Eishockeyfans waren derart begeistert von den vielen Deutsch-Kanadiern, die nicht nur für Mannheim, sondern auch für andere Bundesliga-Vereine Tore schossen. Mancher Kritiker sah die Nachwuchsförderung in Gefahr, wenn man so leicht an fertige Erstliga-Spieler aus Kanada kam. Es gab Diskussionen um "Strafbankkönige", ungewohnte Zweikampfhärte und die angebliche Neigung zu Schlägereien auf dem Eis.
"Das war unsere Empfindung als Kanadier: Wir haben gesagt, die meckern alle wegen unserer harten Checks, aber die arbeiten mit ihren Schlägern im Gesicht, mit Cross-Checks und Dingen, die wesentlich gefährlicher sind als unser harter Schulterkontakt. Weil wir waren nicht dreckig, wir haben nicht 'dirty hockey' gespielt. Wir haben die Scheibe in die Ecke geschoben und wir sind hinterher. Unser Eishockey war, erster Mann nimmt den Körper, zwoter Mann nimmt die Scheibe."
Auch wenn es mal krachte, im Ergebnis haben beide Seiten von der Begegnung zweier Eishockeywelten profitiert. Manfred Wolf sagt, er sei durch die europäische Schule ein besserer Spieler geworden. Einige Deutsch-Kanadier der ersten Generation wiederum waren für die Nationalmannschaft eine große Verstärkung. Manfred Wolf stürmte für Deutschland bei fünf Weltmeisterschaften und zwei Olympischen Spielen. An sein erstes Match im Dress ohne Ahornblatt hat er eine besondere Erinnerung:
"Ich habe in der B-Nationalmannschaft gespielt zuerst mit Roy Roedger. Und ich weiß noch wie gestern, wie ich Roy Roedger angeguckt habe an der blauen Linie, als die Nationalhymne Deutschlands gelaufen ist. Ich habe zu ihm gesagt: 'Welche Hymne ist unsere?' Weil ich wusste das nicht. Aber ich war stolz ohne Ende: Es ist zwar nicht Kanada, aber dieses Land hat mir die Möglichkeit gegeben und vertraut mir zu spielen."
Diesem Land und dem Eishockey ist Wolf nach dem Ende seiner Karriere erhalten geblieben – als Trainer, als Fernseh-Kommentator, als unbequemer Experte. Nicht zu vergessen als Vater von David Wolf, der es ebenso zum Nationalspieler gebracht hat. Das Erbe der Deutsch-Kanadier von 1978 ist also nicht nur schöne Erinnerung – es ist lebendiges Kapital für eine Sportart, die ihren manchmal verpönten "Importspielern" viel zu verdanken hat.