Letzte Option: Auswandern nach Deutschland
Berlin ist bei Israelis schwer angesagt. Die deutsche Botschaft in Israel erlebt einen wahren Ansturm von Pass-Antragstellern - auch das Interesse an Deutsch-Kursen ist riesig. Ein Besuch beim Goethe-Institut in Tel Aviv.
Das Beth Asia, das Asia Haus in Tel Aviv, ist ein modernes Bürogebäude, die blendend weiße Fassade kühn geschwungen. Hier in der Weizmann Straße hat das Goethe-Institut seinen Sitz. An diesem Freitag strömen schon ab acht Uhr die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Deutschkurse in großer Zahl in die hellen und freundlichen Klassenräume. Es gibt mehrere Kurse gleichzeitig, für Anfänger und für Fortgeschrittene und alle sind gut besucht. Das Interesse an der deutschen Sprache wächst in Israel stetig, sagt Wolf Iro, der Leiter des Goethe-Instituts Tel Aviv.
Das war nicht immer so. Deutsch galt in Israel jahrzehntelang als die Sprache der Mörder. Deutsche Holocaust-Überlebende weigerten sich, ihre Muttersprache zu benutzen und verboten es ihren Kindern.
Dieser Paradigmenwechsel, von dem Wolf Iro spricht, zeigt sich eben auch in dem großen Interesse an den Deutschkursen im Goethe-Institut. Und es sind beileibe nicht alle Schüler sogenannte Jeckes, also deutsche Juden oder deren Nachkommen. Der 25-jährige Idor Sulim aus Haifa z.B. hatte mit Deutschland zuvor gar nichts zu tun.
Idor macht gerade seinen Bachelor in Architektur in Israel. Seinen Master möchte er aber in Deutschland machen, weil er meint, Deutschland sei sehr gut in Architektur. Der Bauhaus-Stil komme ja auch aus Deutschland und den finde er sehr interessant. Allerdings: Deutsch zu lernen, das sei schon sehr schwer.
Ganz pragmatische Gründe, deutsch zu lernen, haben Iris und Ruven Moskowitsch. Wie Idor kommen sie extra aus Haifa zum Sprachkurs nach Tel Aviv. Er ist 54, sie 48, beide sind Zahnärzte. In Haifa besitzen sie eine eigene Praxis und sie kommen eigentlich auch ganz gut zurecht.
Ruven und seine Frau Iris haben schon eine eigene Praxis in Pforzheim, sie steigen dort Anfang 2016 bei einer deutschen Kollegin ein. Die nächsten zehn, 15 Jahre werden sie dann in Deutschland sein, sagt Ruven. Das sieht seine Frau Iris allerdings etwas anders. Sie möchte für immer in Deutschland bleiben. Zwar habe sie keine deutschen Wurzeln, aber sie fühle sich wie eine Deutsche, sie sei nämlich sehr korrekt. Außerdem möge sie Deutschland sehr.
Deutscher Pass als Rückversicherung
Mit dieser Haltung ist Iris nicht allein. Viele Israelis finden das Leben in ihrem Land mit der ständigen Anspannung und der Furcht vor Anschlägen und Krieg extrem anstrengend.
Die Shoa spielt übrigens für die Entscheidung von Iris und Ruven aber auch von Idor, nach Deutschland zu gehen, keine Rolle. Deutschland und die Deutschen hätten sich verändert, sagt Iris. Aber denkt sie nicht doch manchmal an die Geschichte?
Nach Angaben von Goethe-Institutsleiter Wolf Iro trotz des positiven Deutschlandbilds vieler Israelis immer gegenwärtig. Im Übrigen gäbe es für Israelis viele Gründe, deutsch zu lernen und zumindest für einige Zeit nach Deutschland zu gehen. Die hohen israelischen Lebenskosten z.B. Oder die besseren beruflichen Möglichkeiten. Aber auch die größeren politischen Freiheiten.
Und das tun dann ja auch viele, vor allem junge Israelis. Allein in Berlin sind rund 11.000 offiziell registriert. Zeitweise oder mit einem anderen Pass leben noch sehr viel mehr in der deutschen Hauptstadt. Wobei der deutsche Pass äußerst begehrt ist. Nachkommen deutscher Juden, die von den Nazis vertrieben oder ausgebürgert wurden, haben das Recht auf einen deutschen Pass. Und viele nehmen dieses Recht auch wahr. Rund 100.000 Israelis besitzen dieses Dokument. Allein seit dem Jahr 2000 hat die deutsche Botschaft in Tel Aviv mehr als 70.000 Pässe an deutschstämmige Israelis ausgegeben. Der deutsche Pass ist für viele Israelis eine Art Rückversicherung, meint Wolf Iro.