Deutsch-polnische Beziehungen

"Wir sollten viel mehr die Stärken betonen, die uns verbinden"

dpatopbilder - 23.10.2018, Berlin: Der polnische Präsident Andrzej Duda (l) wird von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch den Park am Schloss Bellevue zur Begrüßung mit militärischen Ehren geführt. Der Präsident der Republik Polen ist mit seiner Frau zu einem zweitägigen Besuch in Deutschland. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
Besuch mit dunklen Regenwolken: Polens Präsident Duda bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. © picture alliance/dpa/ZB
Basil Kerski im Gespräch mit Axel Rahmlow |
Polen ist für Deutschland einer der wichtigsten Partner – als Handelspartner sogar wichtiger als Russland oder Japan, sagt der Publizist Basil Kerski. Leider sei diese Erkenntnis in sehr vielen deutschen Köpfen noch nicht angekommen.
Polens Präsident Andrzej Duda ist derzeit zu Gast in Deutschland und gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ehrengast beim Deutsch-Polnischen Forum in Berlin. Das ist Anlass genug, sich das deutsch-polnische Verhältnis einmal genauer anzuschauen.

Polen hat sich zu einem ebenbürtigen Partner entwickelt

Polen hat in den vergangenen Jahrzehnten eine große Entwicklung vollzogen: Von einem Land, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so arm wie Albanien war, hin zu einer Volkswirtschaft, die – so betont unser heutiger Studiogast, der deutsch-polnische Publizist Basil Kerski – ein für Deutschland ökonomisch gleichwertiger Partner ist. Doch gebe im Verhältnis beider Länder ein "mentales Problem": Sehr vielen Deutschen sei die Bedeutung Polens nicht bewusst, bedauert Kerski.
"Kaum ein Deutscher weiß: Der Handel mit Polen ist viel wichtiger als der mit Russland, als mit Japan, als mit Spanien. Polen ist ein Schlüsselland für Deutschland."

Es geht immer um Vergangenheit, nie um Zukunft

In Regionen entlang der deutsch-polnischen Grenze habe man das verstanden – äußerlich sichtbar etwa in Berlin in den U-Bahnhöfen, wo Ticketautomaten als Sprache auch Polnisch parat hätten. Allein in der Hauptstadt lebten mittlerweile 100.000 Polen. Trotzdem: Sehr viele Deutsche würden ihr Nachbarland Polen gar nicht kennen. Laut einer Studie seien etwa ein Drittel der Deutschen in den letzten 30 Jahren kein einziges Mal nach Polen gereist.
Basil Kerski Portrait
Basil Kerski im Deutschlandfunk Kultur Studio.© Deutschlandradio – Malte E. Kollenberg

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Was Kerski stört: Spreche man vom deutsch-polnischen Verhältnis, tue man dies unweigerlich vor allem mit Bezug auf die Vergangenheit – auf den Krieg auf den Holocaust. "Ich kann das nicht mehr hören – obwohl ich aus einer Familie komme, die Opfer der NS-Verbrechen war. Für mich ist die Zukunft wichtig. Wir sollten viel mehr die Stärken, die Gemeinsamkeiten betonen, die uns heute verbinden.

Regierungspartei PiS ist nicht der große Sieger

Zur aktuellen politischen Entwicklung in Polen sagte Kerski, ihn wundere, dass Stimmenzuwächse für die nationalkonservative Regierungspartei PiS von den Medien, auch hierzulande, sofort als deutlicher Sieg dargestellt würden. Das Gegenteil sei der Fall: In allen wichtigen, größeren Städten Polens habe PiS es nicht geschafft, wie angestrebt, die absolute Mehrheit zu erringen. Kerski sieht die demokratischen Kräfte erstarkt – das Wahlergebnis sei "eine gelbe Karte" für die PiS.
Sehr enttäuscht sei er von der Bundesregierung, von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: "Sie sehen die Zentralregierung, sie glauben mit Umarmungen und freundlichen Gesten gegenüber der Zentralregierung etwas zu erreichen – und lassen die anderen Akteure links liegen. Sie trauen sich nicht – um die Beziehung stabil zu halten – mit politischen Kritikern und politischen Gegnern in der Öffentlichkeit, in Polen aufzutreten. Damit geben sie der PiS eine Bedeutung, die die PiS nicht hat."

(mkn)

Basil Kerski, deutsch-polnischer Publizist, ist Chefredakteur des Magazins "Dialog" und Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig.

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