Neue nationalistische Töne
Das Pendant der Partei "Alternative für Deutschland" ist auf polnischer Seite die "Neue Rechte", die es ebenfalls ins EU-Parlament geschafft hat. Für Beate Bielecka, Redakteurin bei einer großen polnischen Tageszeitung, ist das Anlass zur Sorge.
An der deutsch-polnischen Grenze gibt es seit den Kommunalwahlen am 25. Mai eine nicht enden wollende Debatte über die antipolnische "Alternative für Deutschland". Mit 12,8 Prozent ist diese ins Frankfurter Stadtparlament eingezogen. Ist das viel oder wenig? Ich finde, es ist viel, denn es ist die zweithöchste Prozentzahl in Deutschland.
In Polen haben wir ein ähnliches Problem: Die nationalistische Partei "Kongress der Neuen Rechten" kam bei den EU-Wahlen, die am selben Tag stattfanden, ins Europäische Parlament. Ihr Vorsitzender Janusz Korwin-Mikke ist das Enfant terrible der polnischen Politik.
Am liebsten würde er im EU-Parlament ein Bordell eröffnen
Seit dem 25. Mai sitzt er nun in Brüssel und erzählt, dass er das Europäische Parlament am liebsten verkaufen und dort ein Bordell eröffnen würde, denn das Gebäude der Europäischen Kommission eigne sich hervorragend dazu. Und – das fügt er oft hinzu – ein guter Europäer sollte die EU hassen! Solche Aussagen brachten ihm sofort einen guten Draht zur Marine Le Pen und anderen Nationalisten im Europäischen Parlament.
Napoleon sagte einmal, dass Dummheit kein Hindernis in der Politik sei. Er hatte leider Recht. Aber er sagte auch, dass die Politik nicht die Menschen regieren sollte, sondern die Menschen die Politik. Hören wir also auf die, die mit Verstand regieren.
Ich habe mich als Polin sehr gefreut, dass die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt/Oder sich sofort klar und deutlich gegen die Sprüche der AfD gestellt hat. Diese wollte nämlich als erstes die Ausgaben für die Zusammenarbeit mit dem polnischen Slubice kürzen. Dabei brauchen sich Slubice und Frankfurt gegenseitig, und wenn nur, um die EU-Zuwendungen zu bekommen. Aber nicht nur.
Die Deutschen shoppen - die Polen finden Arbeit
Die Deutschen kaufen nach wie vor massenhaft bei uns ein, wir finden bei ihnen Arbeit. Es wird gemeinsam investiert – wie kürzlich in die Fernwärmeleitung, die die Oder durchquert. Die Verantwortlichen in Frankfurt/Oder mussten lange an dem Ruf der Stadt arbeiten – heute werden wir Polen dort nicht mehr geschlagen, sondern eingeladen, die leeren Wohnblocks zu mieten. In den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung haben 20.000 Frankfurter ihre Stadt verlassen.
Das Aufkommen der AfD kann hier also vieles kaputtmachen. Ich denke, alle wissen sehr genau, dass die AfD keine Alternative ist – genauso wenig wie die "Neuen Rechten" im EU-Parlament mit ihrem polnischen Vorsitzenden Korwina-Mikke. Aber ich mache mir Sorgen, dass diese scharfen nationalistischen Töne beiderseits der Oder auf Interesse und Zuspruch treffen. In Polen haben wir momentan eine große Vertrauenskrise. Die Regierung von Donald Tusk hat uns enttäuscht, Polen ist nicht das zweite Irland geworden, wie er versprochen hatte. In so einer Vertrauenskrise könnten die Nationalisten gewinnen, denn diese Unzufriedenheit – mehr als das, dieser Ekel – ist der Nährboden, auf dem sie nach Wählern fischen. Genauso wie die "Alternative für Deutschland". Und obwohl sie weder in Polen noch in Deutschland viele Anhänger haben, fürchte ich: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Man darf sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Deshalb müssen wir Einfluss nehmen auf die Politik – und nicht nur über sie reden. Ich habe vor den Wahlen von vielen in meiner Umgebung gehört, dass sie nicht zur Wahl gehen, um den Politikern die rote Karte zu zeigen. Unsinn! Denn jetzt haben wir den Salat: die "Alternative für Deutschland" und die "Neue Rechte" in Polen.
Beata Bielecka, Redakteurin der "Gazeta Lubuska" – größte regionale Tageszeitung Polens an der deutsch-polnischen Grenze. Lebt und arbeitet in Slubice, von wo aus sie seit 20 Jahren über den Alltag im Grenzgebiet berichtet. Hat 1996 gemeinsam mit Dietrich Schröder (Märkische Oderzeitung) den "Wächter-Preis der deutschen Tagespresse" verliehen bekommen: für eine Artikelreihe über Regelverstöße bei der Grenzpolizei. 2014 wurde sie nominiert für den deutsch-polnischen Journalistenpreis "Tadeusz-Mazowiecki".