Deutsch-türkische Krise

"Wir müssen weise handeln"

Kundgebung Pressefreiheit Türkei Internationaler Tag der Pressefreiheit: Kundgebung gegenüber der Türkischen Botschaft in Berlin von Reporter ohne Grenzen und Amnesty International für die Freilassung der in der Türkei verhafteten Journalisten. Rally Press freedom Turkey international Day the Press freedom Rally to the Turkish Embassy in Berlin from Reporter without Borders and Amnesty International for the Release the in the Turkey arrested Journalists
Kundgebung Pressefreiheit Türkei Internationaler Tag der Pressefreiheit Kundgebung gegenüber der Tü © imago stock&people
Moderation: Anke Schaefer |
Wie soll die Bundesregierung damit umgehen, dass deutsche Staatsbürger in türkischen Gefängnissen landen? Darüber sprechen wir mit dem Publizisten Alan Posener, der vor einem Alleingang Deutschlands warnt. Ansonsten würde man Erdogan in die Falle laufen.
Mit dem streitbaren Publizisten Alan Posener sprechen wir ausführlich über die Krise mit der Türkei: Wie soll sich Deutschland, wie die EU und die Nato gegenüber dem türkischen Präsidenten Erdogan verhalten? Ist Schärfe oder Diplomatie angesagt? Und steht Deutschland alleine da bei dem Versuch, deutsche Staatsangehörige aus türkischen Gefängnissen freizubekommen?
"Zuallerst sollte die Bundesregierung nicht alleine handeln. Dies ist nicht eine Frage deutsch-türkischer Beziehungen – dies ist eine Frage der Beziehungen zu einem EU-Beitrittsland, zu einem Nato-Partner. Und man rennt förmlich – glaube ich – Herrn Erdogan in die Falle, wenn Deutschland einseitig handelt. Ich bin froh über den Impuls. Ich bin froh, wenn die Bundesregierung sagt: Deniz Yücel und die anderen müssen freikommen. Aber: Wir müssen weise handeln."
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandradio – Laura Lucas

Was bedeutet Deutschland für die Türkei?

Deutschland müsse begreifen, was es für die Türkei darstelle: Vorbild und Angstgegner zugleich. "Tit for tat" – zu Deutsch: Wie du mir, so ich dir – sei keine Lösung. Deutschland müsse vielmehr zeigen, dass die gesamte EU hinter einer konsequenten Haltung gegenüber der Türkei stehe. Auf keinen Fall dürfe die Türkei in die Lage versetzt werden, zu sagen: "Ja, guckt mal, die Deutschen wieder."
Einfach ist das nicht, wie auch der zugeschaltete Korrespondent Thomas Otto bestätigt. Denn einige Mitgliedsländer unterhalten enge Kontakte zur Türkei – die EU spreche deshalb nicht mit einer Stimme.

Wie sich Gökay Sofuoglu, der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde, zur Krise zwischen Deutschland und der Türkei äußert, erfahren Sie hier.

Posener wirbt um Verständnis für die Türkei: Über Geld Druck auszuüben, sei keine gute Idee – es sein eine "typisch deutsche" und eine sehr materialistische Lösung. Hier gehe es aber um etwas Anderes: Erdogan und seine Regierung hätten Angst und fühlten sich belagert – mit dem Beispiel Ägypten vor Augen, wo die Regierung Mursi durch einen Putsch gestürzt wurde. Erdogan sei sich offenbar nicht sicher, auf welcher Seite Deutschland und die EU bei dem Putschversuch in der Türkei gestanden hätten, ob sie nicht einen "regime change" unterstützen würden.

Es wird nicht zum Austausch kommen

Zu dem Angebot Erdogans, die in der Türkei inhaftierten Deutschen gegen türkische Militärangehörige, die nach Deutschland geflohen seien, auszutauschen, sagt Posener: "Stellen Sie sich vor, in Deutschland hätte es einen Putschversuch gegeben und die wären in die Türkei geflohen. Würden wir dann nicht sagen: Liefert die mal aus? Es ist also nicht so eindeutig." Dennoch: "Es kann nicht zu einem solchen Austausch kommen. Das kann Erdogan sich nicht einbilden. Das kann nicht passieren, da sei der Rechtsstaat vor. Aber was mir fehlt, beispielsweise, ist, dass man in Deutschland eine Untersuchung beantragt zu diesem Putschversuch. Wer stand wirklich dahinter? War es Fethullah Gülen? Wer noch – waren möglicherweise Nato-Offiziere involviert?"
Man habe den Eindruck, dass es in Deutschland niemanden wirklich interessiere, wer hinter dem Putsch gesteckt habe, bei dem 260 Leute getötet worden seien. Und bei allem dürfe man auch nicht vergessen: Die Regierung Erdogan sei legal gewählt worden.

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