Deutsch-türkische Popgeschichte

Die Sounds der "Gastarbeiter"

05:35 Minuten
Mustafa Kuş mit seiner vierköpfigen Band İmece, undatierte Aufnahme
Mit ihrer Mischung aus Jazz und Funk unterlegt mit anatolischen Rhythmen, Saxophon- und Keyboard-Soli tourte Mustafa Kuş & İmece in den 70ern und 80ern bundesweit. © Ironhand Records
Von Arndt Peltner |
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Im Schatten der deutschen Charts gab und gibt es eine Musikszene, die über Jahrzehnte ihre Fans fand und doch weitgehend unbeachtet blieb: die Musik der sogenannten Gastarbeiter. Nun wurde Musik einer türkischen Band aus Nürnberg neu veröffentlicht.
Ironhand Records ist ein kleines Independent-Label, das sich zur Aufgabe gemacht hat, vergessene musikalische Perlen der türkischen Immigranten, vor allem der sogenannten Gastarbeiter und ihrer Nachfahren, auszugraben und neu zu veröffentlichen. Das jüngste Projekt ist eine 45er-Single von Mustafa Kuş & İmece. 1976 wurde die Gruppe in Nürnberg gegründet, denn, wie Mustafa Kuş erklärt:
"Die türkische Community dort brauchte eine türkische Band. Es gab nicht viele türkischstämmige Musiker. Unser Plan war es, auf Hochzeitsfeiern, Verlobungen und verschiedenen Events aufzutreten, was wir auch umsetzen konnten. Diese Auftritte haben auch dafür gesorgt, dass wir uns untereinander kennengelernt und unseren Stil entwickelt haben."
Doch Mustafa Kuş & İmece als Feierabend- und Partyband abzutun, wäre ein großer Fehler. Drei LPs veröffentlichte die Nürnberger Gruppe um Kuş zwischen 1976 und 1985. Mit ihrer Mischung aus Jazz und Funk unterlegt mit anatolischen Rhythmen, Saxophon- und Keyboard-Soli tourte die Band bundesweit. Für Ercan Demirel von Ironhand Records lohnt sich dieser Blick zurück auf alle Fälle.
"Man hört als Musikliebhaber Pink Floyd, King Crimson, Led Zeppelin, Rolling Stones et cetera. Und dann stößt man auf diese Bands, die der breiten Masse unbekannt sind. Man liebt sofort deren Musik und möchte es mit anderen teilen. So nach dem Motto: Hört mal her, zu der Zeit wurde nicht nur in den USA und England coole Mucke gemacht. In einer kleinen Ecke in München oder Nürnberg gab es auch Bands, die einfach nur gut waren und eine Brücke zwischen heimatlichen Klängen und der westlichen Musik gebaut haben."

Die türkische Community feierte die Band

Das kleine Independent-Label Ironhand Records hatte zuvor schon das einzige und 1975 aufgenommene Album der türkischen Psychedelic Band Grup Doğuş aus München wiederveröffentlicht, das sich problemlos mit Veröffentlichungen von deutsch- und englischsprachigen Musikern im Psychedelic und Krautrock jener Zeit messen lassen kann. Mustafa Kuş & İmece passten da hervorragend als Nachfolger.
In den in Deutschland erscheinenden türkischsprachigen Medien wurden sie damals gefeiert und zu einer festen Größe. So stieß auch Ironhand-Records-Macher Ercan Demirel auf sie, der in älteren Ausgaben von der Nürnberger Gruppe las und neugierig wurde.
Cover der EP Veda von Mustafa Kuş & İmece mit einem orange schwarzen Wellenmuster.
Vier Songs sind nun auf der EP "Veda" von Mustafa Kuş & İmece neu zu hören.© Ironhand Records, Collage: Deutschlandradio
Das Ergebnis ist nun diese vier Songs umfassende 45er-Single. Eigentlich hätte es jedoch eine LP sein sollen. Dazu müsse er aber sagen, erklärt Demirel, "dass Mustafa Kuş ein selbstbewusster Künstler ist, der seine vergangenen Werke kritisch betrachtet". Augenzwinkernd müsse er hinzufügen, dass es nicht leicht gewesen sei, Tracks für die LP zu finden. "Die Songs, die wir mögen, mochte er nicht. Die Songs, die er dabei haben wollte, wollten wir nicht. Dann kam die Idee mit der EP, dann haben wir uns auf diese vier Songs geeinigt."

Die deutsche Musikszene zeigte kein Interesse

Die Musik und die Kultur der "Gastarbeiter" und Immigranten wurde nur selten als Teil der deutschen Musikszene erkannt und angesehen. Und das, obwohl sie von in Deutschland lebenden Musikerinnen und Musikern geschrieben, gespielt, gesungen und hier auch aufgenommen wurde.
Die Wiederveröffentlichung von Mustafa Kuş & İmece zeigt, dass die Musik derer, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, nicht nur eine wichtige Funktion für die Community selbst, sondern ein riesiger Gewinn für die deutsche Kultur- und Musiklandschaft insgesamt waren und sind.
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