Deutsche als Gastarbeiter
In der Warteschlange vor dem Abfertigungsschalter für den Flug nach New York fällt der Gepäckkarren auf mit viel Handgepäck und fünf Riesenkoffern, in jedem Falle Übergepäck. Es gehört zu einem Mann und einer Frau in den besten Jahren. Zwei Jungs sind auch dabei.
Wir kommen ins Gespräch. Die Familie wandert aus in die USA, in die Nähe von Philadelphia. Der Mann hat schon einen Job als Schweißer und eine Bleibe für die Familie. Hier in Deutschland sei ihm sein Arbeitsplatz zu unsicher. Ob er für immer auswandere? Das wisse er noch nicht.
Das Wort "Auswandern" hat heutzutage nicht mehr die Bedeutung schicksalhafter Endgültigkeit wie noch im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals war allein die Überquerung des Atlantiks unter Deck eines Windjammers eine Herausforderung auf Leben und Tod.
Versucht man heute beim Bundesamt für Statistik subjektive Beobachtungen mit objektiven Zahlen zu unterfüttern, dann stößt man mit dem Begriff "Auswanderung" bei den Statistikern auf Widerstand. Sie sprechen von Fortzügen und für die Bewegung in der Gegenrichtung von Zuzügen.
Die Statistiker haben recht. Auswanderer im klassischen Sinne, die Hunger oder Unterdrückung für immer in die Ferne treiben , gibt es heute bei uns nicht mehr. Die Deutschen, die aus Deutschland fortziehen, haben sich in der Regel für die Rolle des Gastarbeiters in einem anderen Land entschieden. Je nach Land finden sie Arbeit in der Bauindustrie, im medizinischen Bereich und oft auch im Hotel- und Gaststättengewerbe. Nach der Statistik zählen sie allesamt als Fortzüge wie auch jene deutschen Ruheständler, die auf ihre alten Tage ihr Ferienhaus in Spanien zum ersten Wohnsitz erklären, Fortzüge mit Vorzügen.
Spanien erreicht auf der deutschen Fortzugsliste Platz 6. Auf Platz eins liegt die Schweiz, Migration in Jodelhörweite von der deutschen Heimat. Österreich folgt dicht auf Platz drei, dazwischen das klassische Auswanderungs- oder Zuziehland USA. In der Schweiz und in Österreich kann der deutsche Gastarbeiter mit seinem Deutsch als Fremdsprache glänzen, Pisa geprüft. Und eine Mindestausstattung mit Englisch reicht für den Start in den USA.
Wie sieht die Bilanz von Fortzügen und Zuzügen für Deutschland aus? 2006 ist das zuletzt statistisch rundum erfasste Jahr. Etwa 155.000 Fortzügen stehen rund 103.000 Zuzüge deutscher Staatsangehöriger gegenüber. Eine Differenz von rund 52.000. Auf die deutsche Gesamtbevölkerung bezogen, ist das weit weniger als ein Promille. Und- in dieser statistischen Betrachtung werden auch Fortzüge Deutscher mitgezählt, die zum Beispiel als deutschstämmige Aussiedler aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen waren und heute als Deutsche wieder in ihre Heimat, in die sie hineingeboren wurden, zurückkehren, für immer. Eine gewisse Ungenauigkeit wird auch dort verzeichnet, wo, vorbei an der Statistik im kleinen Grenzverkehr im Nachbarland gearbeitet wird ohne fortgezogen zu sein. Das funktioniert allerdings auch in der Gegenrichtung; gut zu beobachten zwischen Frankreich und Deutschland am Oberrhein.
Die Alarmstimmung, die manchmal um sich greift oder von Interessenverbänden gegenüber der Politik geschürt wird, dass Deutschland seine Besten an das Ausland verliere, dient gelegentlich nur der Meinungsmache. Der beklagte Mangel an Ingenieuren in Deutschland, die Abwanderung junger Forscher und Ärzte, die Suche nach Computer-Fachleuten sind normale Entwicklungen in einem globalisierten Arbeitsmarkt. Da müssen die Bedingungen daheim eben so angepasst werden, das Wanderlustige bleiben oder wieder zurückkommen. Bessere Bezahlung, vielversprechende Forschungsmöglichkeiten oder die rechtzeitige Förderung von Spezialberufen helfen über solche Engpässe hinweg.
Im Übrigen ermuntern wir zu recht junge Leute, im Ausland Erfahrungen zu sammeln, Fremdsprachen zu lernen und andere Kulturen zu verstehen. Das ist der richtige Ansatz für ein Land, das mitten in Europa liegt und in der Welt eine Stimme haben will. Und – für all die, denen das das Wichtigste ist: Es lassen sich auch bessere Geschäfte machen, wenn ich in einem Land vernetzt bin oder gar Freunde habe, die ich verstehe und die mich verstehen, nicht nur sprachlich.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.
Das Wort "Auswandern" hat heutzutage nicht mehr die Bedeutung schicksalhafter Endgültigkeit wie noch im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals war allein die Überquerung des Atlantiks unter Deck eines Windjammers eine Herausforderung auf Leben und Tod.
Versucht man heute beim Bundesamt für Statistik subjektive Beobachtungen mit objektiven Zahlen zu unterfüttern, dann stößt man mit dem Begriff "Auswanderung" bei den Statistikern auf Widerstand. Sie sprechen von Fortzügen und für die Bewegung in der Gegenrichtung von Zuzügen.
Die Statistiker haben recht. Auswanderer im klassischen Sinne, die Hunger oder Unterdrückung für immer in die Ferne treiben , gibt es heute bei uns nicht mehr. Die Deutschen, die aus Deutschland fortziehen, haben sich in der Regel für die Rolle des Gastarbeiters in einem anderen Land entschieden. Je nach Land finden sie Arbeit in der Bauindustrie, im medizinischen Bereich und oft auch im Hotel- und Gaststättengewerbe. Nach der Statistik zählen sie allesamt als Fortzüge wie auch jene deutschen Ruheständler, die auf ihre alten Tage ihr Ferienhaus in Spanien zum ersten Wohnsitz erklären, Fortzüge mit Vorzügen.
Spanien erreicht auf der deutschen Fortzugsliste Platz 6. Auf Platz eins liegt die Schweiz, Migration in Jodelhörweite von der deutschen Heimat. Österreich folgt dicht auf Platz drei, dazwischen das klassische Auswanderungs- oder Zuziehland USA. In der Schweiz und in Österreich kann der deutsche Gastarbeiter mit seinem Deutsch als Fremdsprache glänzen, Pisa geprüft. Und eine Mindestausstattung mit Englisch reicht für den Start in den USA.
Wie sieht die Bilanz von Fortzügen und Zuzügen für Deutschland aus? 2006 ist das zuletzt statistisch rundum erfasste Jahr. Etwa 155.000 Fortzügen stehen rund 103.000 Zuzüge deutscher Staatsangehöriger gegenüber. Eine Differenz von rund 52.000. Auf die deutsche Gesamtbevölkerung bezogen, ist das weit weniger als ein Promille. Und- in dieser statistischen Betrachtung werden auch Fortzüge Deutscher mitgezählt, die zum Beispiel als deutschstämmige Aussiedler aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen waren und heute als Deutsche wieder in ihre Heimat, in die sie hineingeboren wurden, zurückkehren, für immer. Eine gewisse Ungenauigkeit wird auch dort verzeichnet, wo, vorbei an der Statistik im kleinen Grenzverkehr im Nachbarland gearbeitet wird ohne fortgezogen zu sein. Das funktioniert allerdings auch in der Gegenrichtung; gut zu beobachten zwischen Frankreich und Deutschland am Oberrhein.
Die Alarmstimmung, die manchmal um sich greift oder von Interessenverbänden gegenüber der Politik geschürt wird, dass Deutschland seine Besten an das Ausland verliere, dient gelegentlich nur der Meinungsmache. Der beklagte Mangel an Ingenieuren in Deutschland, die Abwanderung junger Forscher und Ärzte, die Suche nach Computer-Fachleuten sind normale Entwicklungen in einem globalisierten Arbeitsmarkt. Da müssen die Bedingungen daheim eben so angepasst werden, das Wanderlustige bleiben oder wieder zurückkommen. Bessere Bezahlung, vielversprechende Forschungsmöglichkeiten oder die rechtzeitige Förderung von Spezialberufen helfen über solche Engpässe hinweg.
Im Übrigen ermuntern wir zu recht junge Leute, im Ausland Erfahrungen zu sammeln, Fremdsprachen zu lernen und andere Kulturen zu verstehen. Das ist der richtige Ansatz für ein Land, das mitten in Europa liegt und in der Welt eine Stimme haben will. Und – für all die, denen das das Wichtigste ist: Es lassen sich auch bessere Geschäfte machen, wenn ich in einem Land vernetzt bin oder gar Freunde habe, die ich verstehe und die mich verstehen, nicht nur sprachlich.
Peter Frei, Jahrgang 1934, war zunächst Redakteur bei der NRZ. 1962 ging er zum Deutschlandfunk und 1967 nach Baden-Baden zum SWF. Er war zehn Jahre lang Korrespondent in London, danach in Bonn, von 1991 an Chefredakteur des SWF und von 1993 bis 1998 sein Hörfunkdirektor.