Deutsche Bank

Kein Symbol, nur ein Unternehmen

Hauptgebäude der Deutschen Bank (in Frankfurt) mit Logo
Logo der Deutschen Bank am Hauptgebäude in Frankfurt © afp / Daniel Roland
Von Ralph Bollmann · 17.06.2015
Ein Brite leitet die Deutsche Bank. Und das sorgt mal wieder für Wirbel, meint der Wirtschaftsjournalist Ralph Bollmann. Er wundert sich darüber, wie viele Emotionen das Frankfurter Bank-Unternehmen bei den Deutschen immer noch auslöst.
Wie weltoffen die Deutschen doch geworden sind! Wir haben kein Problem mit unseren Fußballern aus aller Welt, ein Brite leitet unser bekanntestes Orchester, ein Belgier demnächst unser wildestes Theater, die Volksbühne in Ostberlin.
Nur wenn der wichtigste Posten in unserer Bankenwelt neu vergeben wird, stöhnt das Publikum regelmäßig auf: Schon wieder kein Deutscher! In zwei Wochen folgt der Brite John Cryan an der Spitze der Deutschen Bank auf seinen Landsmann Anshu Jain. Die Frage ist: Warum regen sich die Leute in diesem Fall über etwas auf, das sie andernorts selbstverständlich finden?
Es ist schon der Name, der ein Missverständnis nahelegt. "Deutsche Bank“, das klingt wie in anderen Ländern der Name der jeweiligen Nationalbank – Bank of England, Banque de France, Banca d’Italia. Und staatstragend war die Deutsche Bank tatsächlich, gerade in den Jahrzehnten der alten Bundesrepublik.
Vorstandssprecher Abs verhandelte für Adenauer
Der spätere Vorstandssprecher Hermann Josef Abs verhandelte für die Bundesregierung bereits auf der Londoner Schuldenkonferenz, als das von den Alliierten zerschlagene Institut noch gar nicht wiedervereinigt war. Der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer zog ihn bei vielen wichtigen Gesetzen zu Rate und ließ ihn sogar an Kabinettssitzungen teilnehmen.
Über lange Zeit saß die Deutsche Bank im Zentrum dessen, was man wahlweise als "rheinischen Kapitalismus“ oder als "Deutschland AG“ bezeichnete. Sie hielt wichtige Industriebeteiligungen und kontrollierte über Aufsichtsratsmandate zahlreiche Konzerne.
In sage und schreibe dreißig dieser Gremien war beispielsweise Abs auf dem Höhepunkt seines Einflusses vertreten. Freund und Feind betrachteten das Institut als Inbegriff der Bundesrepublik. Als Terroristen 1989 den Vorstandssprecher Alfred Herrhausen ermordeten, zielten sie auf einen Repräsentanten des sogenannten "Systems“.
Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Es war nur noch ein Abglanz der alten Staatsverbundenheit, womöglich gar ein Missverständnis, als sich Kanzlerin Angela Merkel in der Finanzkrise 2008 von Josef Ackermann beraten ließ.
Es bekam ihr schlecht: Der Banker redete die Bankenrettung, die er selbst konstruiert hatte, öffentlich herunter. Und Merkel musste sich für ein Schnitzelessen rechtfertigen, das sie ihm zum Geburtstag spendiert hatte. Seither ist es mit der exklusiven Beziehung zwischen Politik und Deutscher Bank vorbei.
Irrationale Rolle im Gefühlshaushalt der Deutschen
Die Rolle, die das Institut im Gefühlshaushalt der Deutschen noch immer einnimmt, ist rational kaum zu erklären. Leider fügt sich das in ein größeres Bild: Wenn es ums Geld geht, überwältigt die Emotion hierzulande gern den kühlen Verstand.
Genauso unvernünftig wie die Hassliebe zur einzigen nationalen Großbank erscheint auf der anderen Seite die Wertschätzung für die guten, alten Sparkassen, die sich nicht selten durch hohe Gebühren auszeichnen und bis zur Finanzkrise vor dem Vertrieb toxischer Papiere ebenfalls nicht zurückschreckten.
Dass sich die Deutschen beim Vermögensaufbau schwerer tun als andere Europäer, hat auch mit dieser naiven Sehnsucht nach dem vermeintlich Soliden zu tun – mit jener "Suche nach Sicherheit“, die im vermeintlichen "Bankbeamten“ eine Leitfigur fand.
Natürlich ist die Deutsche Bank noch immer ein großes Unternehmen, und sie ist ein Wirtschaftsfaktor für die Bundesrepublik – auch wenn sie, an der Bilanzsumme gemessen, zuletzt nicht mehr zu den zehn größten Banken der Welt gehörte. Aber sie ist nicht mehr die Staatsbank der Bundesrepublik, und das sollte sie auch nicht sein.
Schon die Gründer des Instituts hatten 1869 geschrieben: "Nicht ausschließlich deutsche Mitwirkung braucht dies Unternehmen zu stützen, das sich auf den cosmopolitischen Standpunkt stellen sollte.“
Wenn jetzt abermals ein Brite an ihrer Spitze steht: So what?

Ralph Bollmann, geboren 1969, ist wirtschaftspolitischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin. Der studierte Historiker absolvierte die Münchener Journalistenschule und arbeitete viele Jahre für die taz, zuletzt als Leiter des Parlamentsbüros. Jüngste Buchveröffentlichung: "Die Deutsche. Angela Merkel und wir" (2013).

Mehr zum Thema