Deutsche Behörden als Helfer von Terroristen
Der Politologe Wolfgang Kraushaar entreißt erneut einen antisemitischen Anschlag in Deutschland dem Vergessen. Akribisch bringt er jedes Detail ans Licht, interpretiert manche Quellen sehr eigenwillig, hat aber erneut ein wichtiges Buch geschaffen.
Am 9. November 1969 erlebten Georg von Rauch und Dieter Kunzelmann, zwei Wortführer der Studentenbewegung, eine Enttäuschung. Um 11.30 Uhr hätte ihre Bombe hochgehen sollen, doch der Mechanismus versagte.
Einer ihrer Genossen hatte den Sprengsatz deponiert. Wo? Im Jüdischen Gemeindehaus zu Berlin. Dort kamen jüdische Überlebende des NS-Terrors an eben diesem Tag zusammen, um der Opfer der Reichspogromnacht zu gedenken.
Eine linke Gruppe will wenige Jahre nach Auschwitz ausgerechnet am Tag des Gedenkens an zerstörte Synagogen und Geschäfte Juden töten. Nun - so war es. Die Beweise liegen vor.
Es war Wolfgang Kraushaar, der 2005 mit seinem Buch "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus" Furore machte – war es ihm doch gelungen, den Bombenleger ausfindig zu machen und zu einem Geständnis zu bewegen.
Mit seinem neuen Buch knüpft der Hamburger Politologe hieran an und entreißt erneut einen antisemitischen Anschlag dem Vergessen. Am 13. Februar 1970 wurde das Gemeinde- und Wohnhaus der Münchener Israelitischen Kultusgemeinde durch Brandstiftung zerstört. Für sieben Juden zwischen 60 und 70, zumeist Überlebende des Holocaust, gab es kein Entrinnen: Sie stürzten sich in den Tod oder verbrannten.
Dies war in jenem Februar 1970 aber nicht der einzige Anschlag, bei dem Juden starben. Drei Tage zuvor scheiterte der Versuch eines palästinensischen Kommandos, auf dem Flughafen München-Riem ein israelisches Flugzeug zu kapern: Ein Israeli wird getötet, elf weitere Passagiere werden zum Teil schwer verletzt.
Und vier Tage nach der Brandstiftung will ein weiteres Kommando mit Granaten und Schusswaffen ein Flugzeug entführen, wird aber rechtzeitig entdeckt. Acht Tage nach der Brandstiftung lassen palästinensische Terroristen Paketbomben in zwei Flugzeugen detonieren. Dem Pilot des einen gelingt eine Notlandung. Das andere aber stürzt ab: 38 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder werden pulverisiert.
Innerhalb von nur elf Tagen "ereigneten sich in München fünf verschiedene Terroraktionen: zwei versuchte Flugzeugentführungen, zwei Bombenanschläge auf Flugzeuge und der Brandanschlag … Der gemeinsame Nenner der Terrorwelle war antiisraelisch bzw. antijüdisch und insofern antisemitisch."
Akribisch bringt der Autor jedes Detail ans Licht. Die Täter der Brandstiftung im jüdischen Gemeindehaus stehen bis heute nicht fest. Wolfgang Kraushaar vermutet, dass auch sie aus dem Umfeld der Tupamaros gekommen seien, ein linksradikales Grüppchen, das von Dieter Kunzelmann angeführt wurde. Beweisen kann der Autor seinen Verdacht nicht.
Seine Darstellung führt jedoch vor Augen, dass dies nicht auszuschließen ist. Der Hass der Linksradikalen auf Israel und ihre Bereitschaft, sich mit palästinensischen Terroraktionen zu identifizieren, machte vor Juden in Deutschland keinen Halt.
Es war Dieter Kunzelmann, der nach den fünf Attentaten von München dazu aufrief, den "Kampf gegen die heilige Kuh Israel" zu forcieren und die palästinensischen – von ihm so genannten - "Todeskommandos" durch deutsche zu ersetzen. Und doch schickte ihn später die Berliner Alternative Liste als ihren Mann ins Abgeordnetenhaus.
Bis heute ist das Paradigma von Israel als dem Paria-Staat auch bei den Nachkommen der Achtundsechziger-Bewegung virulent.
Der brisanteste Teil des Buches hat mit staatlichem Handeln zu tun. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Flugzeugattentäter wurden acht der palästinensischen Täter überführt. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt wollte aber nicht nur eine neue Ostpolitik, sondern auch eine neue Nahost-Politik initiieren.
Also verzichtete er darauf, die terroristisch belasteten Palästinenser strafrechtlich zu verfolgen. Sie wurden stattdessen in arabische Staaten abgeschoben, wo sie als Freiheitshelden gefeiert wurden. PLO-Kommandos konnten sich demnach weniger auf Kunzelmann und Konsorten als auf deutsche Behörden verlassen.
Es sei angemessen, "in diesem Zusammenhang von einer regelrechten Appeasementpolitik zu sprechen."
Zwei Jahre später habe der tödliche Überfall auf israelische Sportler bei der München-Olympiade bewiesen,
… dass diese Politik "gegenüber der PLO und den mit ihr verbundenen Organisationen nicht nur nichts bewirkt, sondern geradezu in ein Desaster geführt hatte."
Wolfgang Kraushaar stellte keine leichte Lektüre zusammen. Die eine oder andere Quelle hat er eigenwillig interpretiert. Gleichwohl ist ihm erneut ein wichtiges Buch gelungen, das notwendig ist, um unsere deutsche Gegenwart zu verstehen. Es konfrontiert uns mit einer bestimmen Form der Nonchalance, mit einer Unbekümmertheit, wenn es um den Mord an Juden geht – diese war nicht nur bei Berufsrevolutionären der Tupamaros, sondern auch bei Bundesbehörden anzutreffen.
Einer ihrer Genossen hatte den Sprengsatz deponiert. Wo? Im Jüdischen Gemeindehaus zu Berlin. Dort kamen jüdische Überlebende des NS-Terrors an eben diesem Tag zusammen, um der Opfer der Reichspogromnacht zu gedenken.
Eine linke Gruppe will wenige Jahre nach Auschwitz ausgerechnet am Tag des Gedenkens an zerstörte Synagogen und Geschäfte Juden töten. Nun - so war es. Die Beweise liegen vor.
Es war Wolfgang Kraushaar, der 2005 mit seinem Buch "Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus" Furore machte – war es ihm doch gelungen, den Bombenleger ausfindig zu machen und zu einem Geständnis zu bewegen.
Mit seinem neuen Buch knüpft der Hamburger Politologe hieran an und entreißt erneut einen antisemitischen Anschlag dem Vergessen. Am 13. Februar 1970 wurde das Gemeinde- und Wohnhaus der Münchener Israelitischen Kultusgemeinde durch Brandstiftung zerstört. Für sieben Juden zwischen 60 und 70, zumeist Überlebende des Holocaust, gab es kein Entrinnen: Sie stürzten sich in den Tod oder verbrannten.
Dies war in jenem Februar 1970 aber nicht der einzige Anschlag, bei dem Juden starben. Drei Tage zuvor scheiterte der Versuch eines palästinensischen Kommandos, auf dem Flughafen München-Riem ein israelisches Flugzeug zu kapern: Ein Israeli wird getötet, elf weitere Passagiere werden zum Teil schwer verletzt.
Und vier Tage nach der Brandstiftung will ein weiteres Kommando mit Granaten und Schusswaffen ein Flugzeug entführen, wird aber rechtzeitig entdeckt. Acht Tage nach der Brandstiftung lassen palästinensische Terroristen Paketbomben in zwei Flugzeugen detonieren. Dem Pilot des einen gelingt eine Notlandung. Das andere aber stürzt ab: 38 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder werden pulverisiert.
Innerhalb von nur elf Tagen "ereigneten sich in München fünf verschiedene Terroraktionen: zwei versuchte Flugzeugentführungen, zwei Bombenanschläge auf Flugzeuge und der Brandanschlag … Der gemeinsame Nenner der Terrorwelle war antiisraelisch bzw. antijüdisch und insofern antisemitisch."
Akribisch bringt der Autor jedes Detail ans Licht. Die Täter der Brandstiftung im jüdischen Gemeindehaus stehen bis heute nicht fest. Wolfgang Kraushaar vermutet, dass auch sie aus dem Umfeld der Tupamaros gekommen seien, ein linksradikales Grüppchen, das von Dieter Kunzelmann angeführt wurde. Beweisen kann der Autor seinen Verdacht nicht.
Seine Darstellung führt jedoch vor Augen, dass dies nicht auszuschließen ist. Der Hass der Linksradikalen auf Israel und ihre Bereitschaft, sich mit palästinensischen Terroraktionen zu identifizieren, machte vor Juden in Deutschland keinen Halt.
Es war Dieter Kunzelmann, der nach den fünf Attentaten von München dazu aufrief, den "Kampf gegen die heilige Kuh Israel" zu forcieren und die palästinensischen – von ihm so genannten - "Todeskommandos" durch deutsche zu ersetzen. Und doch schickte ihn später die Berliner Alternative Liste als ihren Mann ins Abgeordnetenhaus.
Bis heute ist das Paradigma von Israel als dem Paria-Staat auch bei den Nachkommen der Achtundsechziger-Bewegung virulent.
Der brisanteste Teil des Buches hat mit staatlichem Handeln zu tun. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Flugzeugattentäter wurden acht der palästinensischen Täter überführt. Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt wollte aber nicht nur eine neue Ostpolitik, sondern auch eine neue Nahost-Politik initiieren.
Also verzichtete er darauf, die terroristisch belasteten Palästinenser strafrechtlich zu verfolgen. Sie wurden stattdessen in arabische Staaten abgeschoben, wo sie als Freiheitshelden gefeiert wurden. PLO-Kommandos konnten sich demnach weniger auf Kunzelmann und Konsorten als auf deutsche Behörden verlassen.
Es sei angemessen, "in diesem Zusammenhang von einer regelrechten Appeasementpolitik zu sprechen."
Zwei Jahre später habe der tödliche Überfall auf israelische Sportler bei der München-Olympiade bewiesen,
… dass diese Politik "gegenüber der PLO und den mit ihr verbundenen Organisationen nicht nur nichts bewirkt, sondern geradezu in ein Desaster geführt hatte."
Wolfgang Kraushaar stellte keine leichte Lektüre zusammen. Die eine oder andere Quelle hat er eigenwillig interpretiert. Gleichwohl ist ihm erneut ein wichtiges Buch gelungen, das notwendig ist, um unsere deutsche Gegenwart zu verstehen. Es konfrontiert uns mit einer bestimmen Form der Nonchalance, mit einer Unbekümmertheit, wenn es um den Mord an Juden geht – diese war nicht nur bei Berufsrevolutionären der Tupamaros, sondern auch bei Bundesbehörden anzutreffen.
Wolfgang Kraushaar: "Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel? München 1970:
über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus"
Rowohlt-Verlag Reinbek 2013
880 Seiten, 34,95 Euro
Auch als ebook erhältlich
über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus"
Rowohlt-Verlag Reinbek 2013
880 Seiten, 34,95 Euro
Auch als ebook erhältlich