Ein Klima von Stress und Gewalt
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In deutschen Schlachthöfen häufen sich die Coronafälle, weshalb die Zustände in der Fleischindustrie nun erneut diskutiert werden. Höchste Zeit, sagt Friedrich Mülln von der SOKO Tierschutz - dort liege seit langem so gut wie alles im Argen.
Die Bundesregierung will verschärfte Regeln beschließen, um die Zustände in der deutschen Fleischindustrie zu verbessern. Nach einer Häufung von Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben stehen die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung von Arbeitern in Sammelunterkünften in der Kritik.
Dass sich die Coronafälle in der Fleischindustrie jetzt häufen, ist für Friedrich Mülln, Vorstandsmitglied des Vereins SOKO Tierschutz, keine Überraschung.
Einhaltung von Abstand unmöglich
Die Einhaltung von Abstandsregeln sei dort genauso wenig möglich wie bei "fünf Leuten in einer Telefonzelle", sagt Mülln. Die Arbeiter stünden an den Schlachtbändern eng an eng, müssten Tiere teils mit Gewalt gemeinsam voranzwingen. "Das geht nicht mit Abstand."
Hinzu komme, dass die Arbeitskräfte "in Minibussen zusammengestopft" zu ihren billigen Unterkünften gebracht würden. Dort herrschten ebenfalls Bedingungen "unter aller Würde". Von daher brauche man sich nicht wundern, wenn sich Viren verbreiteten.
Wut und Frust werden an Tieren ausgelassen
Das Leid der Menschen bekämen auch die Tiere zu spüren, so Mülln weiter. In den Schlachthöfen herrsche ein Klima von Stress und Gewalt:
"Das ist völlig klar, die Leute stehen unter Stress, sie werden schlecht bezahlt - sie werden schlecht 'gehalten', kann man schon fast sagen - und ausgebeutet. Es herrscht ein extremer Konkurrenzdrang, der wird von den Vorarbeitern geschürt, die Tiere müssen noch schneller in den Tod gebracht werden - und das führt natürlich dazu, dass die Leute ihre Wut und ihren Frust an den Tieren auslassen."
Das Schnitzel soll billig bleiben
Zwar gebe es Regeln, erklärt Mülln, doch existiere die Branche in einem Vakuum. In der Fleischindustrie sei die Übertretung von Richtlinien und die Überschreitung von Grenzen Alltag. Nirgendwo in Europa werde so billig geschlachtet wie in Deutschland.
Die Behörden kontrollierten zwar, schauten aber weg. Und die Politik habe Angst einzugreifen, weil das System dann nicht mehr funktioniere:
"Dann rebellieren die Leute plötzlich, weil das Fleisch teurer wird oder vielleicht auch gar kein Fleisch mehr im Regal liegt", sagt Mülln.