Deutsche Geschichte als Krimistoff
Christian von Ditfurth liebt Rockmusik der 1970er Jahre und ist seit 52 Jahren Fan von Schalke 04. Er ist Historiker, war Verlagslektor und schreibt heute Krimis, die sich meist auch mit der deutschen Geschichte beschäftigen.
Kreuzberg, nahe Görlitzer Park. Hier spielen die letzten Romane des 60-jährigen Christian von Ditfurth. Dort, wo Kreuzberg noch ungewaschen aussieht. Kleingewerbe im Hinterhof, Second-Hand- und türkische Gemüseläden, ein paar Cafés und rumpelige Kneipen.
"Meine Stammkneipe ist ja das Nest in der Görlitzer Straße, so dass ich mich immer wundere, wenn ich darein komme und mich hinsetze, dass nicht irgendeine Berufsgenossenschaft den Laden nicht schon längst dicht gemacht hat, weil da wackeln alle Stühle. Das sitzt man drauf und denkt, oh, verdammte Scheiße ich brech' hier gleich zusammen."
"Aber es ist noch nie was passiert?"
"Da bin ich mir nicht sicher."
Christian von Ditfurth lacht. Ansteckend. Er lacht häufig, das sieht man den Falten an den Augen.
"Ich bin ja Who-Fan. Seit 100 Jahren ungefähr. Schon bevor die gab."
Klar, dass im ersten Kreuzberg-Roman, dem "Dornröschen-Projekt" alle Kapitelüberschriften Songtitel von "The Who" sind. Kreuzberg ist Ditfurths Heimat. Der Wrangelkiez: Wrangelstraße. Altbauten, ein Friseur, eine Annahmestelle des Otto-Versandes. Vorderhaus, zweiter Stock, eine Küche mit Holzregalen, Laminatboden, eine hochmoderne Espressomaschine und ein sprotzendes Gerät, mit dem sich Kohlensäure in Leitungswasser pressen lässt.
"Wir sind alle auf ganz unterschiedliche Art und Weise durch vor allem durch unseren Vater geprägt. Ich hab' mich, glaube ich, mit niemandem so oft gestritten wie mit meinen Vater. Das waren heftige Diskussionen. Ich glaube, dass das prägend ist, so diese Vorstellung, dass man alles denken kann erst einmal im Prinzip."
Sein Vater war der Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth, seine ältere Schwester ist die streitlustige Ex-Grünen Politikerin Jutta Ditfurth.
"Ich war ja mal in der DKP. Bis '83. Das hat sicherlich, was nichts entschuldigt, mit der persönlichen Biografie etwas tun, da, wo man politisch sozialisiert wird, eben in der Schule, gab’s nichts anderes, und dann war man halt dabei, weil es ja 'in' war und so weiter. Aber das befreit einen ja nicht von der Verantwortung, die man vielleicht am Anfang nicht spürt, aber spätestens im Nachhinein. Ich war zum Beispiel in der Zeit in der DKP, als in der Sowjetunion Oppositionelle in die Psychiatrie eingeliefert wurden. Und das sind so Geschichten, die mir schon noch nachhängen, und deswegen: ich bin ein Linker ohne Zweifel, aber ich bin so ja, ich bin Mitglied bei Amnesty international, sagen wir es mal so. Mir sind Menschenrechte wichtig. Und das ist natürlich auch eine Lehre aus meiner Biografie. Wenn ich einen Nutzen habe aus meiner DKP Biografie, dann ist das die Erkenntnis, dass man die Wahrheit nicht pachten kann."
Und auch wenn er sich damals politisch vergaloppiert hat: Christian von Ditfurth ist immer noch meinungsfreudig, Indifferenz ist ihm ein Gräuel.
"Ich finde zum Beispiel, die Art und Weise wie Geschichte aufgearbeitet wird heute in Deutschland, zunehmend unerträglich. Ich fand immer, der Nachfolgestaat des Nationalsozialismus, ohne das moralisch belasten zu wollen, der Nachfolgestaat hätte die Aufgabe gehabt, die Täterstrukturen und die Täterverantwortung darzustellen und nicht sich mit den Opfern zu solidarisieren auf so eine billige Art und Weise."
Denkmäler, die keinen schmerzen, Begriffe wie Holocaust, die sich distanzieren, statt im Klartext von der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zu sprechen. Im Kern – meint Ditfurth – geht es nicht um die Opfer, sondern um die Deutschen. Geschichtspolitik statt Geschichte:
"Je tiefer man nachdenkt über diese ganzen Fragen desto absurder wird das Theater. Und desto klarer wird: Das ist Imagepflege. Es ist ein großes Werbeplakat. Hallo, wir sind gut. Moralisch. Toll. Kauft Miele. Kauft VW. Ist so. Ist bösartig. Weiß ich. Stimmt aber."
"Warum schreiben Sie Krimis?"
"Weil mir das Spaß macht. Das ist mein Beruf. Ja."
"Ja, aber soviel Wut drin."
"Ja, ja, ja, aber das ist, das hat ja, wissen Sie, das hat mit den Krimis ja nix zu tun. Ich bin ja nicht nur Schreiberling, ich bin ja auch ein Historiker und politisch aktiver Mensch und so. Und da seh' ich eher als Bürger und Historiker so, diese Dinge. Ein Buch zu schreiben darüber? Ich hab sogar mal ein Projekt gehabt, mit Verlagen diskutiert, die haben alle gesagt, das kauft sowieso keener. Und die haben Recht: das kauft sowieso keiner. Interessiert kein Schwein. Genauer will das niemand wissen. Man muss ja meine Meinung nicht teilen. Das habe ich ja gelernt, dass ich ja auch nur eine Meinung habe und nicht die Wahrheit gepachtet."
Und so schreibt er Krimis. Mit historischem Hintergrund. Zur Zeit sitzt er am ersten Band einer neuen Krimiserie. 200 Seiten hat er schon. Viel darüber verrät er aber nicht.
"Die neue Reihe ist ein Experiment. Und zwar geht es darum, das sich zum ersten Mal einen richtigen Kriminalkommissar ernannt habe. Und zwar einen Kriminalkommissar, der das nicht sein will. Ist ein Experiment. Kann ja auch schiefgehen, weiß ich nicht. Warten wir’s mal ab."
"Meine Stammkneipe ist ja das Nest in der Görlitzer Straße, so dass ich mich immer wundere, wenn ich darein komme und mich hinsetze, dass nicht irgendeine Berufsgenossenschaft den Laden nicht schon längst dicht gemacht hat, weil da wackeln alle Stühle. Das sitzt man drauf und denkt, oh, verdammte Scheiße ich brech' hier gleich zusammen."
"Aber es ist noch nie was passiert?"
"Da bin ich mir nicht sicher."
Christian von Ditfurth lacht. Ansteckend. Er lacht häufig, das sieht man den Falten an den Augen.
"Ich bin ja Who-Fan. Seit 100 Jahren ungefähr. Schon bevor die gab."
Klar, dass im ersten Kreuzberg-Roman, dem "Dornröschen-Projekt" alle Kapitelüberschriften Songtitel von "The Who" sind. Kreuzberg ist Ditfurths Heimat. Der Wrangelkiez: Wrangelstraße. Altbauten, ein Friseur, eine Annahmestelle des Otto-Versandes. Vorderhaus, zweiter Stock, eine Küche mit Holzregalen, Laminatboden, eine hochmoderne Espressomaschine und ein sprotzendes Gerät, mit dem sich Kohlensäure in Leitungswasser pressen lässt.
"Wir sind alle auf ganz unterschiedliche Art und Weise durch vor allem durch unseren Vater geprägt. Ich hab' mich, glaube ich, mit niemandem so oft gestritten wie mit meinen Vater. Das waren heftige Diskussionen. Ich glaube, dass das prägend ist, so diese Vorstellung, dass man alles denken kann erst einmal im Prinzip."
Sein Vater war der Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth, seine ältere Schwester ist die streitlustige Ex-Grünen Politikerin Jutta Ditfurth.
"Ich war ja mal in der DKP. Bis '83. Das hat sicherlich, was nichts entschuldigt, mit der persönlichen Biografie etwas tun, da, wo man politisch sozialisiert wird, eben in der Schule, gab’s nichts anderes, und dann war man halt dabei, weil es ja 'in' war und so weiter. Aber das befreit einen ja nicht von der Verantwortung, die man vielleicht am Anfang nicht spürt, aber spätestens im Nachhinein. Ich war zum Beispiel in der Zeit in der DKP, als in der Sowjetunion Oppositionelle in die Psychiatrie eingeliefert wurden. Und das sind so Geschichten, die mir schon noch nachhängen, und deswegen: ich bin ein Linker ohne Zweifel, aber ich bin so ja, ich bin Mitglied bei Amnesty international, sagen wir es mal so. Mir sind Menschenrechte wichtig. Und das ist natürlich auch eine Lehre aus meiner Biografie. Wenn ich einen Nutzen habe aus meiner DKP Biografie, dann ist das die Erkenntnis, dass man die Wahrheit nicht pachten kann."
Und auch wenn er sich damals politisch vergaloppiert hat: Christian von Ditfurth ist immer noch meinungsfreudig, Indifferenz ist ihm ein Gräuel.
"Ich finde zum Beispiel, die Art und Weise wie Geschichte aufgearbeitet wird heute in Deutschland, zunehmend unerträglich. Ich fand immer, der Nachfolgestaat des Nationalsozialismus, ohne das moralisch belasten zu wollen, der Nachfolgestaat hätte die Aufgabe gehabt, die Täterstrukturen und die Täterverantwortung darzustellen und nicht sich mit den Opfern zu solidarisieren auf so eine billige Art und Weise."
Denkmäler, die keinen schmerzen, Begriffe wie Holocaust, die sich distanzieren, statt im Klartext von der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zu sprechen. Im Kern – meint Ditfurth – geht es nicht um die Opfer, sondern um die Deutschen. Geschichtspolitik statt Geschichte:
"Je tiefer man nachdenkt über diese ganzen Fragen desto absurder wird das Theater. Und desto klarer wird: Das ist Imagepflege. Es ist ein großes Werbeplakat. Hallo, wir sind gut. Moralisch. Toll. Kauft Miele. Kauft VW. Ist so. Ist bösartig. Weiß ich. Stimmt aber."
"Warum schreiben Sie Krimis?"
"Weil mir das Spaß macht. Das ist mein Beruf. Ja."
"Ja, aber soviel Wut drin."
"Ja, ja, ja, aber das ist, das hat ja, wissen Sie, das hat mit den Krimis ja nix zu tun. Ich bin ja nicht nur Schreiberling, ich bin ja auch ein Historiker und politisch aktiver Mensch und so. Und da seh' ich eher als Bürger und Historiker so, diese Dinge. Ein Buch zu schreiben darüber? Ich hab sogar mal ein Projekt gehabt, mit Verlagen diskutiert, die haben alle gesagt, das kauft sowieso keener. Und die haben Recht: das kauft sowieso keiner. Interessiert kein Schwein. Genauer will das niemand wissen. Man muss ja meine Meinung nicht teilen. Das habe ich ja gelernt, dass ich ja auch nur eine Meinung habe und nicht die Wahrheit gepachtet."
Und so schreibt er Krimis. Mit historischem Hintergrund. Zur Zeit sitzt er am ersten Band einer neuen Krimiserie. 200 Seiten hat er schon. Viel darüber verrät er aber nicht.
"Die neue Reihe ist ein Experiment. Und zwar geht es darum, das sich zum ersten Mal einen richtigen Kriminalkommissar ernannt habe. Und zwar einen Kriminalkommissar, der das nicht sein will. Ist ein Experiment. Kann ja auch schiefgehen, weiß ich nicht. Warten wir’s mal ab."