Deutsche in Bristol zum Brexit

Das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören

06:50 Minuten
Einige Menschen bei Regenwetter in London mit Schirmen und EU-Fahnen und einem Plakat, auf dem ein gebrochenes Herz zu sehen ist und der Spruch "Better together" - "Besser gemeinsam".
"Lieber gemeinsam": Brexit-Gegner in London trauern weiter um den Austritt ihres Landes aus der EU. © Getty Images/Richard Baker/In Pictures
Maike Bohn im Gespräch mit Stefan Karkowsky |
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Maike Bohn hat sich auf den Brexit eingestellt. Doch nun sei sie trauriger als gedacht, sagt sie. Die in Bristol lebende Deutsche kümmert sich mit einer Initiative um EU-Ausländer in Großbritannien. Ganz hoffnungslos ist sie nicht.
Seit fast drei Jahrzehnten lebt Maike Bohn in Großbritannien. Sie hat sich leidenschaftlich für den Verbleib des Landes in der EU eingesetzt. Mit dem von ihr mitgegründeten Bündnis "the3million" kämpft sie für die Rechte von EU-Ausländern in ihrer Wahlheimat. Nun, da der Brexit Realität wird, fühle sie sich schlechter als erwartet: "Es ist Trauer, es ist ein Unverständnis nach wie vor - obwohl man auch sehen kann, wie es dazu gekommen ist – aber ein Unverständnis, wie so etwas in diesem Land, das ich mal freiwillig als Heimat gewählt habe, hier passieren kann. Es war auch viel Wut, aber heute ist es einfach eine tiefe Traurigkeit und das Gefühl, ich gehöre jetzt nicht mehr so ganz dazu."
Bundesaußenminister Heiko Maas läuft links neben der sprechenden Maike Bohn, im Hintergrund eine Wiese und ein Gebäude in Oxford
Vor zwei Jahren traf Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Maike Bohn in Oxford.© imago/photothek/Florian Gaertner
Für das kommende Jahr sieht sie ein Bild von getrennten Schlangen an der Passkontrolle vor sich: "Das ruft bei mir natürlich Erinnerungen hervor, als ich eine junge Studentin war und in einer ostdeutschen-westdeutschen Schlange mit meinem französischen Freund stand. Ich habe nie gedacht, dass so etwas noch einmal passieren könnte."

Hohe Erwartungshaltung der britischen Bevölkerung

Die Chance, dass sich die tief gespaltene britische Gesellschaft wieder annähert, sieht Maike Bohn aber durchaus. Die Politik müsse allerdings jetzt viel investieren, weil die Menschen eine Erwartungshaltung hätten: "Sie wollen mehr sozialen Wohnungsbau, sie wollen weniger Schlangen in den Krankenhäusern." Premier Johnson wirft sie vor, nicht gerade das "Wir-Gefühl" zu stärken. Erst zu Weihnachten habe er gesagt, die EU-Bürger hätten sich zu lange breitgemacht.
"Was die Bevölkerung angeht, habe ich eher Hoffnung, weil es jetzt natürlich eine große pro-europäische Bewegung gibt", so Bohn weiter. Diese Energie müsse man nutzen und sich auch politisch engagieren. "Wir müssen einfach alle als Bürger viel mehr fordern und viel mehr mit Politikern in unserem Wahlkreis sprechen."
(bth)
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