Forcierter Rückzug ins Private
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Wie Menschen hierzulande die Zukunft sehen, zeigt eine Studie des Rheingold Instituts. Deren Ergebnis: Zwei Drittel schauen ängstlich auf gesellschaftliche Veränderungen. Dazu habe die Coronapandemie beigetragen, sagt der Soziologe Georg Kamphausen.
Im Rahmen der qualitativen Studie des Rheingold Instituts wurden jeweils 64 Wähler und Wählerinnen in zweistündigen psychologischen Tiefeninterviews befragt. Laut der Studie schauen zwei Drittel der Deutschen ängstlich auf die gesellschaftliche Zukunft.
Zum einen fehlt das Vertrauen in staatliche Institutionen und zusätzlich gibt es die Sorge vor gesellschaftlicher Spaltung. Das führt dazu, dass der Rückzug ins Private forciert wird.
"Eingesponnen in bestimmte Situationen"
Für den Soziologen Georg Kamphausen, Professor an der Uni Bayreuth, sind das im Kern keine überraschenden Erkenntnisse. Seit vielen Jahren seien die Deutschen dafür bekannt, keine besonders guten Optimisten zu sein.
Vor allem die Coronakrise und negative Nachrichten hätten dazu geführt, "dass man sich eingesponnen hat in ganz bestimmte Vorstellungen von sich selbst, die mit der Unausweichlichkeit gesellschaftlicher bedrohlicher Situationen etwas zu tun haben", sagt Kamphausen.
Nachrichten warnten beispielsweise vor drohender Infektion und gäben täglich neue Inzidenzzahlen durch. "Ich glaube, das Problem, vor dem wir heute stehen, ist das Verhältnis zwischen der individuellen Einschätzung der eigenen Wirklichkeit und der Möglichkeiten, die man hat, und die permanente Beschreibung von gesellschaftlichen Bereichen, die wir alle nicht im Griff haben und nur durch Großbegriffe wie Globalisierung und vielem anderen mehr täglich zugemutet bekommen", sagt Kamphausen.
"Die Bindungsfähigkeit hat schwer gelitten"
Die Nachrichten machten viele Menschen noch ängstlicher, so Kamphausen weiter. "Es hängt auch an der Auswahl der Nachrichten", sagt er. Meistens seien Nachrichten eher negativ oder berichteten über Ereignisse, die der Einzelne sowieso nicht beeinflussen könne.
Viele Menschen würden sich zwar noch in Vereinen oder der Nachbarschaftshilfe engagieren, so auch die Studie, allerdings würde gleichzeitig Verbindlichkeit verloren gehen, so Kamphausen. "Die Bindungsfähigkeit des Menschen hat doch in den letzten Generationen schwer gelitten."