Zahlreiche ostdeutsche Städte bewerben sich
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Acht deutsche Städte wollen 2025 den Titel "Kulturhauptstadt" tragen, darunter beispielsweise Magdeburg, Gera und Chemnitz. Dass einige ein schlechtes Image haben, stört dabei nicht – denn sie thematisieren es und suchen nach Auswegen.
Acht deutsche Städte wollen es also wissen, vertrauen auf die Kultur als zentralem Standortfaktor. Wofür sonst soll der Titel "Kulturhauptstadt Europas" stehen? Vielleicht zeigt das auch, dass man Kultur in dieser angespannten politischen Lage nicht mehr nur als nettes Beiwerk sieht, sondern als politisches Element.
Retter des europäischen Gedankens
So sieht es jedenfalls der Vorsitzende der neue geschaffenen Kulturministerkonferenz, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Die Konferenz ist gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder für den Bewerbungsprozess zuständig.
"Was hält Europa noch zusammen? Es ist mehr als nur 'Nie wieder Krieg', mehr als das Erschaffen eines gemeinsamen Wirtschafts- und Warenstromraums", sagt Brosda. "Es dreht sich vielmehr um einen gemeinsamen Kultur- und Sozialraum. Insofern wundere ich mich, dass in der aktuellen EU-Kommission dieses Ressort nicht mehr benannt worden ist."
Die EU also ohne Kulturkommissariat – trotz all der Proteste – dafür mit den Städten als Hauptträger des Kulturlebens. Noch mehr: als Retter des europäischen Gedankens. Magdeburg, Zittau, Gera, Chemnitz, Dresden, Hildesheim, Nürnberg und Hannover.
Hannover kooperiert mit britischen Städten
Die Landeshauptstadt Niedersachsens fiel dabei mit einer britischen Schauspielerin auf, die die Bewerbung vortrug: Hannah Gibson. Die junge Britin, die demnächst wahrscheinlich ihre Zugehörigkeit zur EU verlieren wird, appellierte an die Städte, der EU zu helfen. Starke Städte machen ein starkes Europa, sagte sie.
Und in der Tat: Die großen Städte zeigen regelmäßig starke Wahlergebnisse für pro-europäische Parteien. Darauf will Hannover aufbauen und im Falle des Zuschlags mit Städten in Großbritannien ein gemeinsames Programm aufbauen.
Doch was vor allem beim Start dieses deutschen Bewerbungsprozesses für die Europäische Kulturhauptstadt 2025 auffällt, ist die starke ostdeutsche Beteiligung. Fünf der acht Bewerberstädte sind von dort.
Bürger sollen beteiligt werden
Dresden zum Beispiel. In Sachsens Landeshauptstadt geht man offensiv mit dem schlechten politischen Image um und will dabei die Bürger der Stadt mitreißen. Der Etat für die Kulturhauptstadt von 70 Millionen Euro soll zweigeteilt werden: Der eine Teil wird professionell kuratiert, der andere durch improvisierte Stadteilparlamente durch die Bürger selbst vergeben.
So stand bei der heutigen Präsentation auch nicht eine Politikerin vor der Öffentlichkeit, sondern eine Bäckersfrau, die sich für die Bewerbung engagiert. Elisabeth Kreutzkamm-Aumüller über das Motto "Neue Heimat":
"Wir wollen Kulturhauptstadt werden, weil wir eine neue Kultur des Miteinanders brauchen, eine Kultur, die an vielen Orten vonnöten ist. 'Neue Heimat Dresden 2025' ist eine Stadt, die offener und innovativer ist. Eine Stadt, die Heimat werden kann für sehr verschiedene Menschen verschiedenster Herkunft. Vor allem geht es darum, dass Heimat nicht nur von einigen besetzt werden darf. Sie muss von allen gestaltet werden."
Provinz – na und?
Währenddessen Dresden offensiv mit den eigenen Problemen umgeht, scheint Chemnitz sie eher verstecken zu wollen. In der Bewerbungsrede wurden die Probleme nicht direkt benannt; Probleme die jeder kennt, der über die Stadt spricht. Die Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig von der SPD verweist darauf, dass die Bewerbung schon vor den Ausschreitungen lief.
"Chemnitz hat so viel mehr zu zeigen, so viel mehr zu erzählen. Die Stadt nur darauf zu reduzieren, ist falsch!", sagt Ludwig.
Während die Bewerbungen von Dresden und Hannover herausstechen, bleiben die anderen eher blass. Bis auf Zittau. Die Stadt in der östlichen Dreiländerregion will die Nachbarn Tschechien und Polen mitnehmen und ähnlich wie der Bewerber Hildesheim den eigenen Provinzcharakter offensiv thematisieren. Provinzen, so heißt es dort, sind gezwungen, sich mit dem Umland zu vernetzen, sonst gingen sie unter.
Freude über ostdeutsche Beteiligung
Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, freut sich über die starke ostdeutsche Beteiligung:
"Ich glaube, dass die ostdeutschen Bundesländer Themen zu bearbeiten haben, die für Europa paradigmatisch sind. Dass sie sich dem stellen, das halte ich für ganz wichtig. Das ist auch ein Signal von ganz Deutschland nach Europa, dass wir um die Verwerfungen wissen."
Im Dezember wir die Bewerberliste verkürzt. Im Herbst 2020 wissen wir dann, nachdem sich eine international besetzte Jury entschieden hat, wer Deutschland im Jahr 2025 als Kulturhauptstadt Europas vertreten wird.