Luther kommt nach L.A.
Drei große deutsche Museen haben sich zusammengetan, um Werke aus der deutschen Renaissance und Reformation nach Kalifornien zu bringen - so viele Gemälde, Drucke, Zeichnungen und Skulpturen aus Berlin, Dresden und München wie noch nie bei einer Ausstellung an der US-Westküste.
Der Transport der Kunstwerke und die Kommunikation zwischen vier Museen waren logistische Herausforderungen für die Ausstellung "Renaissance und Reformation - Deutsche Kunst im Zeitalter von Dürer und Cranach" im Los Angeles County Museum of Art - LACMA. Eine inhaltliche Herausforderung war es, sich auf US-Besucher einzustellen, erklärt Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bei der Ausstellungs-Vorschau in Los Angeles: "Martin Luther ist hier Martin Luther King und wir müssen also klar machen, dass das etwas ganz anderes ist, aber dass es auch mit der konfessionellen Geschichte der Amerikaner zu tun hat."
Das Konzept sei nicht gewesen, ein Geburtstagsfest für Luther und die Reformation zu inszenieren, ergänzt Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Vielmehr wollte man verdeutlichen, wie sich Bildsprache, Themen und Menschenbild in der Renaissancekunst veränderten. Die US-Kollegen hatten dabei einen besonderen Ansatz: "Die wollten zum Beispiel ganz eindeutig nicht nur eine Ausstellung, die Gemälde und Grafik zeigt. Sie sagten auch wir wollen Goldschmiedearbeiten sehen, sehen, was höfische Kultur war, zu der auch Prunkwaffen gehören, wir wollen auch Skulpturen haben. Das war unser Wunsch an die Kooperation, da einen guten Weg zu finden."
Über diesen Ansatz gefreut hat sich besonders auch Dirk Syndram, Direktor der Rüstkammer des Grünen Gewölbes von Dresden. Er ist für die in Los Angeles ausgestellten Harnische und Waffen verantwortlich.
"Das Verhältnis zu Pistolen ist ja hier in Amerika ein etwas anderes als wir das in der alten Welt, in Deutschland, haben. Ich denke, dass das auch ein Anziehungspunkt sein wird, schon allein vom Kaliber her, das hier in der Vitrine liegt."
Es geht um mehr als nur um den Kampf der Religionen
Er zeigt auf eine große Pistole mit kunstvoller Silber- und Goldeinlegearbeit aus der Augsburger Waffenschmiede. Unter einer Vitrine mitten im nächsten Raum liegen und stehen Löffel, Kelche und Schmuck aus der Sammlung des Grünen Gewölbes. Sie sind umgeben von Holzschnitten, Kupferstichen und Zeichnungen, die die Zeichen der Reformation rund um den sächsischen Hof widerspiegeln. LACMA-Direktor Michael Goven wollte keine didaktische Reformations-Ausstellung schaffen: "Wir sind kein Geschichts- sondern ein Kunstmuseum. Natürlich sieht man in den ausgestellten Bildern den Kampf zwischen Reformatoren und der Kirche zum Beispiel mit Bildern des siebenköpfigen Luthers und des siebenköpfigen Papstes. Aber es geht um mehr als das. Es geht um Gefühle, Werte und Schönheit und Fragen, die in einer Zeit des Aufruhrs gestellt werden."
Angesichts dieser Worte ist die Ausstellung überraschend nüchtern in einem großen Raum mit dunkelgrauen Wänden und Raumteilern organisiert. Diese Nüchternheit erlaubt Besuchern aber ein sehr konzentriertes Erleben der mehr als einhundert Kunstwerke, die vor den dunklen Wänden leuchten.
Ein Raumsegment zeigt traditionelle Bildsprache mit Altargemälden und Christusdarstellungen. Der Bereich Propaganda und Polemik verdeutlicht die Macht der Bilder im Glaubensstreit. Landschaften und historische Szenen zeigen unter dem Titel Humanismus und Realität das Abwenden von christlichen Themen genauso wie der Portrait-Schwerpunkt mit Gemälden von Luther, Kaufleuten, Gelehrten und anderen bedeutenden Figuren der Renaissance.
Ein Hauch von Las Vegas für Dresden
Typisch für Los Angeles ist ein kleines Detail der Ausstellung: Der US-Zoll verbot die Einfuhr von Straußenfedern eines Helmschmucks. Also half man sich mit Ersatz aus einem Hollywood-Kostümgeschäft und spricht ganz offen darüber. Kurator Patrice Marandel: "Sie waren gerade dabei, ein Kostüm für Jennifer Lopez’ Schow in Las Vegas zusammenzustellen. Aber sie haben das sofort unterbrochen, um uns zu helfen und wir kauften ein paar Federn für den Helm. Wir werden sie dem Museum von Dresden überlassen, so dass es dort in Zukunft einen Hauch von Las Vegas geben wird."
Die Ausstellung zum Jahrestag der Reformation in Los Angeles ermöglicht, durch die Kunst Politik, Religion, Philosophie und Propaganda der Epoche nachzuvollziehen und dabei den amerikanischen Blickwinkel mit einzubeziehen. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für Kalifornier sondern für Gäste aus aller Welt. LACMA-Direktor Michael Goven: "Ich glaube nicht, dass man diese Zusammenstellung von Kunst in den nächsten vier-, fünfhundert Jahren noch mal sehen wird, nicht einmal in Deutschland. Manchmal muss man nach Los Angeles kommen, um die beste deutsche Kunst zu sehen."