"Deutschland, einig Vaterland"
Die vierte Zeile der Nationalhymne der DDR – sie wurde zu einer wichtigen Losung in der Wendezeit. Die Fragen liegen auf der Hand: Wer griff die Zeile nach fast 20 Jahren des Nichtsingens auf? Warum? Und wo? Viele Quellen sagen, sie soll in Leipzig entstanden und zuerst skandiert worden sein.
Der deutsche Wende-Herbst 1989. Es rumort in der DDR. Das Volk geht auf die Straße.
Montagsdemo: "Wir sind das Volk. Wir sind das Volk. Wir sind das Volk ..."
Von der Vergangenheit eingeholt
Thorsten vom Wege / damals ADN-Reporter: "Man sollte, glaube ich, sagen, dass zunächst die Montagsdemonstrationen darauf ausgerichtet waren, zunächst Veränderungen in der DDR herbeizuschaffen. Das war der ursächliche Zweck dieser Demonstrationen, da ging es um Pressefreiheit, da ging es um Reisefreiheit, da ging es sicherlich auch um materielle Dinge, auch was die Umwelt betrifft, also diese Themen die wurden da zunächst mal dort transparent gemacht."
"Gorbi! Gorbi! Gorbi!"
Ilko-Sascha Kowalczuk / Forschungsabteilung der Birthler-Behörde: "Landläufig wird gesagt, diese Parole "Deutschland einig Vaterland" ist erstmals nach dem Mauerfall am 9. November aufgetaucht, also in der Regel wird da der Montag, der 13. November genannt. Das ist wahrscheinlich nicht falsch, ist aber wahrscheinlich auch nicht richtig."
"Deutschland, einig Vaterland" Die vierte Zeile aus der ersten Strophe der Nationalhymne der DDR. Text Johannes Robert Becher 1949. Ein Mann, der sich zwischen den Fronten von Ost und West bewegte.
"Deutschland, einig Vaterland" - die vierte Zeile wurde ein Ruf der Wende. Demonstranten riefen ihn, Politiker entdeckten ihn wieder neu. Ein Ruf der Straße und des Podiums, auf Transparenten und Plakaten.
Doch wer rief ihn zuerst? Und wann? Und wo? Und welchen Sinn hatte er?
Auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig soll er erstmals ertönt und plakatiert worden sein. Das besagen fast alle Quellen, die ihn zitieren. Doch zum Datum gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Viele legen sich auf den November 1989 fest. Nicht wenige Historiker und Medien nennen den 13. November 1989. Die erste Leipziger Montagsdemonstration nach dem Fall der Mauer in Berlin.
Doch die Recherche kommt zu anderen, überraschenden Ergebnissen.
Kapitel 1. Nachhall eines Rufes mit Vorspiel
März 1990. Wahlen zur ersten freien Volkskammer in der DDR. Fast alle Parteien haben sich das Zitat "Deutschland einig Vaterland" aufs Revers oder gleich auf die Fahne geschrieben.
Rainer Eckert, Leiter des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig: "Ich sag mal andersrum: Wer diesen Spruch nicht verwendet hat oder diese Politik nicht verfolgt hat, war chancenlos gewesen. Das war vollkommen klar gewesen, spätestens wurde es klar, als im Januar Hans Modrow für die SED-PDS Ministerpräsident in Moskau ist, dann zurückkommt und dann vor den Fernsehkameras das erste Mal dann sagt 'Deutschland einig Vaterland' - das auch aufnimmt. Da war klar gewesen: Selbst die Staatspartei hat erkannt, hier ist nur noch ein Wählerpotential zu mobilisieren, wenn wir uns dieser Forderung nach einer Vereinigung dieser beiden deutschen Teilstaaten zu eigen machen."
Hans Modrow / DFF 1990: "... und in dieser Phase habe ich erkannt und begriffen, dass es notwendig ist, zu einem neuen Konzept zu finden, und das war eigentlich die Phase, in der mir das bewusst wurde. Und so erklärt sich auch dann meine Initiative Deutschland, einig Vaterland."
Hans Modrow, letzter SED-Ministerpräsident. Es ist der letzte Versuch einer DDR-Regierung für eine Konföderation mit der BRD.
Ein Foto, kurz zuvor entstanden, zeigt Montagsdemonstranten in Leipzig mit einem Banner, auf dem "Deutschland einig Vaterland" steht. Es sind Neonazis. Fotografiert hat sie die damals 18-jährige Fotografin Merit Schambach.
"... hier, Leipzig, Montagsdemo, 22.1., da haben wir dieses 'Deutschland einig Vaterland' als Deutschlandfahne. Und dann raufgeschrieben. 'Deutschland' oben, 'einig' in der Mitte, 'Vaterland' unten, da haben sie allerdings die Rechten in der Hand. Also junge Rechte, Skins, ein bisschen NPD-Richtung, und die posieren da auch richtig. Also die haben sich da vor irgend nen Platz gestellt und posieren hier für die Fotografen. Machen nicht den eigentlichen Gruß, sondern den Dreifinger-Gruß, damit se nicht gleich weggefangen werden. (...) Also das ging ja auch ganz schnell, wir sehen es ja an den Bildern, dass da irgendwelche Skinheads auftauchten und damit rumzogen, mit dem Spruch, aber das waren meiner Meinung nach keineswegs die ersten."
Bereits am 19. Dezember 1989 hat der damalige ADN-Reporter Thorsten vom Wege den Ruf vernommen. In Dresden beschwört die Menschenmenge "Deutschland" als "einig Vaterland" herauf – anlässlich der Rede Helmut Kohls.
"Zum ersten Mal richtig aufgefallen ist es mir persönlich nicht bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig, sondern kurioserweise bei der Rede von Helmut Kohl vor der Ruine der Frauenkirche, 19 Dezember 1989 muss es gewesen sein."
Kohl-Rede / 19.12.89 in Dresden: "... und auch das lassen sie mich hier auf diesem traditionsreichen Platz sagen, mein Ziel bleibt, wenn die geschichtliche Stunde es zulässt, die Einheit unserer Nation ..."
Hat Helmut Kohl diesen Ruf im Gepäck gehabt, in der Hoffnung und im Hinblick darauf, dass die "geschichtliche Stunde" es gut mit ihm meint?
Thorsten vom Wege: "... das kam von DDR-Bürgern, es ist, glaube ich, gerade in Sachsen nicht allzu schwer, die Leute am Dialekt zu erkennen, und ich war bei der Demonstration selbst dabei, also die sprachen ein klassisches Dresdner Sächsisch, nü. Und in der Hinsicht war es tatsächlich so, dass man nicht sagen konnte, das war in irgendeiner Form gesteuert oder von westlicher Seite in irgendeiner Form importiert, nein!"
In Leipzig kursieren Nachrichten, dass an Montagen auf bestimmten Parkplätzen der Stadt auffällig viele Busse und PKW aus Bayern stehen.
Martin Naumann, damals Fotograf bei der Leipziger Volkszeitung:
"Später kamen ja dann die westdeutschen Fahrzeuge, ich hab die Kennzeichen gesehen, alle aus München, natürlich, ist klar, die brachten dann die Fahnen mit, die Sprüche mit ... die entstanden nicht hier, die brachten die mit. 'Freiheit statt Sozialismus' zum Beispiel war einer."
Dem entgegen stehen auf der Montagsdemonstration am 13. November in Leipzig, der ersten nach dem Fall der Mauer, Forderungen nach "freien Wahlen für demokratischen Sozialismus".
Leipziger Demobeobachter auf dem Baugerüst: "Heute ist Montag, der 13. November 1989, Leipzig, zur Montagsdemonstration."
Die DDR-Staatssicherheit notiert eifrig, welche Parolen wann und wo auftauchten. Handschriftlich – unüblich für eine Stasi-Akte.
In Leipzig taucht "Deutschland einig Vaterland" laut Staatssicherheit auf der Montagsdemonstration am 13. November auf.
Leipziger Demobeobachter: "Es ist jetzt 18 Uhr 50. Ich stehe jetzt schräg gegenüber von der Thomaskirche auf dem Dittrichring, und zwar an der Nachtbar 'Intermezzo'. Hier ist ein Baugerüst angebracht, auf welches ich gestiegen bin. Und von hier habe ich eine sehr gute Sicht auf den Demonstrationszug, der sich jetzt ungefähr hundert Meter entfernt auf mich zu bewegt. Man kann aus der Ferne schon die Sprechchöre hören, ich werde versuchen, die Transparente zu lesen."
Der Beobachter der Demonstration spricht auf einem Baugerüst die Texte der Rufe, Plakate und Transparente in sein Amateurmikrofon. Von einigen Demonstranten wird er fälschlicherweise für einen Stasi-Spitzel gehalten.
Leipziger Demobeobachter auf dem Baugerüst: "... und jetzt 'Freie Wahlen' ... 'Mit Herz und Verstand: Deutschland einig Vaterland' ... und hier sind viele kleine Schildchen, die man beim besten Willen von hier aus nicht entziffern kann ..."
Kapitel 2. Rekonstruktion einer Demontage
Das "Demontage-Buch", das wohl ausführlichste Leipziger Demo-Tagebuch. Es basiert auf Notizen vieler Zeitzeugen. In ihm sind von jeder Montagsdemonstration möglichst alle neuen Losungen aufgelistet.
Laut "Demontage-Buch" erklingt am 13. November der Ruf nach "Deutschland, einig Vaterland" das erste Mal. Auch auf einem Plakat wird er zum ersten Mal hochgehalten.
Der Leipziger Autor Reiner Tetzner hat die Montagsdemonstrationen von Anfang an begleitet.
Rainer Tetzner: "Das ist ein Spruch, der, sagen wir, mehrdeutig ist, in mehrfacher Weise ausgenützt werden kann. Und wie wir ihn damals benutzt haben, im November noch, ist der also doch im Sinne aufgefasst worden, eine reformierte DDR oder sagen wir eine DDR mit einer Konföderation mit der Bundesrepublik zu haben und nicht als rasche Einheit verstanden wollten."
Merit Schambach: "Ich fand es irgendwie befremdlich, fast ein bisschen abstoßend, nun muss man dazu sagen, ich war damals 18 und 'Deutschland einig Vaterland' gab es damals für uns nicht, und wenn, dann war es absolut revisionistisch. Und ich hatte ein unangenehmes Gefühl dabei. Und ich kann mich auch daran erinnern, dass Leute darüber diskutiert haben über die Plakate. Die haben sich da so ein bisschen in der Wolle gehabt, verbal."
Die deutsche Frage wird jetzt auf der Straße immer nachdrücklicher gestellt. Und sie wird zunehmend zum Streitpunkt innerhalb der Montagsdemonstrationen.
Uwe Schwabe, damals selbst Oppositioneller, heute leitet er das "Archiv Bürgerbewegung" in Leipzig.
Uwe Schwabe: "Es gab riesengroße Spannungen. Es gab ja dann auch, ich kann den Zeitpunkt nicht mehr sagen, Gegendemonstrationen. Wo sozusagen dann junge Leute, Studenten, genau in die entgegengesetzte Richtung gelaufen sind wie die offizielle Demonstration. Und da gab es große Konfrontationen zwischen den zwei Gruppen. Wo die sich gegenseitig beschimpfen, als Nazischweine und als Kommunistenschweine sich da titulieren. Und es waren vor allem die älteren Leute auf der einen Seite, normale Arbeiter, und auf der anderen Seite die jungen Studenten, die gesagt haben, nee, wir wollen sozusagen keine 'neue Bundesrepublik Deutschland'."
Leipziger Demobeobachter: "Hier erhalten welche Beifall, indem sie entgegen dem Demonstrationszug gehen. Was auf dem Schild steht, kann ich leider von hinten nicht sehen ... 'Etwas tun, bevor es zu spät ist' ... Auf dem Transparent sind rauchende Schornsteine zu sehen, aus dem Rauch bildet sich ein Krebs."
Viele Bürger übergeben ihre privaten Aufzeichnungen an das "Archiv Bürgerbewegung".
Unter den Dokumenten befindet sich, neben dem Tonbandmitschnitt des jungen Leipzigers auf dem Baugerüst, auch dieses Amateurvideo:
Amateurvideo Montagsdemo, 13.11.89: "Deutschland einig Vaterland! Deutschland einig Vaterland! Deutschland einig Vaterland!"
Leipzig. 13. November 1989. "Deutschland, einig Vaterland"
Merit Schambach: "Es war ne relativ kleine, kompakte Klientel, also der Spruch war meiner Meinung nach nicht hier und da auf den Transparenten verbreitet, sondern det war schon so'n eigenes Grüppchen ..."
Die recht genauen Aufzeichnungen des jungen Mannes auf dem Baugerüst lassen den Schluss zu: Drei Plakate, auf denen "Deutschland einig Vaterland" geschrieben stand, wurden an diesem Tag durch Leipzig getragen.
Leipziger Demobeobachter: "... 'Deutschland einig Vaterland', wobei 'einig' rot geschrieben ist ... das andere blau oder schwarz ..."
Doch wer hat sie getragen? Und woher kamen diese Demonstranten?
Rainer Tetzner: "Das ist schon durchaus der Fall, dass die Politik versucht hat, auch gemacht hat, auch erfolgreich gestaltet hat, aber ich möchte sagen: Der Hauptantrieb zur deutschen Einheit kam von den Demonstranten. Und es waren oft dann andere auf der Straße als vorher, also im Oktober, waren viele auf der Straße, die dann später sagten, im November-Dezember: Da gehen wir nicht mehr hin, es waren dann andere Leute. Und das Volk gewissermaßen hat dann im November, Dezember, Januar die Einheit erdemonstriert, würde ich sagen, auch mit diesem Ruf."
Ilko-Sascha Kowalczuk: "Was ich auf keinen Fall glaube ist, dass dieser Spruch von außen in die Bewegung hereingepflanzt werden musste ..."
Sagt Ilko Sascha Kowalczuk von der Forschungsabteilung der Birthler-Behörde.
Ilko-Sascha Kowalczuk: "... also so nach dem Motto, dass da irgendwo in Bonn irgendwelche Ministerialbürokraten sich das überlegt haben und dann losgefahren sind nach Leipzig, Dresden, Ostberlin, und die Leute das dann gerufen haben, weil die das denen da vorgegeben haben, das ist also totaler Quatsch."
Kapitel 3. Kleine Geschichte zur Geschichte
Die Woche vor dem 13. November. Offenbar noch vor dem Fall der Mauer ist "Deutschland, einig Vaterland" auf einem Plakat in Leipzig aufgetaucht.
Der, der es nach Leipzig bringt, heißt Siegmar Faust. Als Systemkritiker saß er mehrfach in DDR-Gefängnissen ein. 1976 wird er vom Westen freigekauft und lebt seitdem als Autor in Westberlin.
Am 5. November 1989 besucht Faust in Westberlin eine Veranstaltung der rechtskonservativen Paneuropa-Union.
Siegmar Faust: "Es gab den Paneuropa-Jugendkongress im Reichstag. Und am Sonntag, ich war dort irgendwie mit beteiligt mit nem Vortrag, gingen wir raus vor ne Würstchenbude. Und da war son richtiger Leipziger. Und mit dem sprachen wir so und Neues Forum, und da war ja alles, und so, und dann sagte er, er muss jetzt wieder zurück, weil morgen die Demo, da muss er wieder was vorbereiten. Und da fragten wir: 'Was habt 'n ihr immer aufm Schild stehen?' Und da war dann immer irgendwas gegen - gegen das, gegen die, und jene. Und da ham wir gesagt: 'Wofür seit ihr denn eigentlich?' Und da war er ein bisschen verlegen. Und da sag ich: 'Seit ihr auch für die deutsche Einheit?' Und da sagt er: 'Oh. Also da komm ich im neuen Forum nicht mit an. Aber ich selber bin dafür.' Und da sagten wir ... da hatt ich noch nen Nachbar, nen Freund, der war Millionär. Aus Baden-Württemberg, aus Waiblingen, Rudolf Metzger-Ruoff. Und der sagte dann: 'Wenn ihr das macht ...!' Also ich sagte dann, würdet ihr das auch mal, 'Deutschland einig Vaterland?' Oder überhaupt so was. Ich hab dann ihm noch zwei Sprüche aufgeschrieben. Einmal noch Schiller 'Wir sind ein einzig Volk von Brüdern' aus dem Wilhelm Tell, und irgendwie noch was, was mir jetzt nicht mehr einfällt. Also drei Parolen, und darunter eben 'Deutschland einig Vaterland'. Und da zückt der Metzger-Ruoff aus'm Brustbeutel tausend Mark! Und das war damals viel Geld für einen Ossi, ne? Da war der Kurs eins zu zehn damals. Also der war ... und versprach hoch und heilig: Das macht er, mit seinen Jungs. Also der hätte da ein paar Leute, die da mitmachen."
Faust und seine Freunde sind über jeden Verbündeten froh. Dazu zählt er die Springer-Presse und den ZDF-Journalisten Löwenthal wegen ihres Einsatzes für die Wiedervereinigung.
Faust: "Oh! Wir ham uns so gefreut! Und in der CDU, da war auch schon die Front geklärt, da wollten auch schon viele nicht mehr ..."
Heute-Nachrichten: "Verehrte Zuschauer, ich begrüße Sie zur Heute-Sendung. In Leipzig, Dresden und anderen Städten der DDR haben am Montagabend wieder Hunderttausende für Demokratie und Reformen demonstriert. Die Demonstration in Leipzig war nach einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN die bisher größte Kundgebung für Veränderungen in der Messestadt."
Am Abend des 6. November 1989 sitzt Siegmar Faust mit Bekannten vor dem Fernseher, daheim in Westberlin.
Siegmar Faust: "... und jetzt saßen wir nun alle am Fernsehen. Und dachten: Mensch, wolln wir mal sehen, ob da was kommt. Und tatsächlich: ZDF, erste Nachricht, die ganze Sendung, das waren vielleicht fünf Minuten oder zehn Minuten über Leipzig. Und das war dann schon ein bissel unheimlich, dass nichts kam. Und dann die letzte Einstellung! Letzte Einstellung - dieses Plakat! Ein Spruchband, 'Deutschland einig Vaterland!', Ooh! Und nichts dazu gesagt! Das war nur die Abschlusseinblendung! Wir sind uns um die Arme gefallen und jetzt: Mensch, jetzt endlich diese Losung!"
Heute-Nachrichten: "Wenngleich auch heute auf vielen Plakaten unterschiedliche Ansichten zum Ausdruck kommen, den eingeschlagenen Weg unumkehrbar zu machen, gehört zum Anliegen vieler, die sich auf dem Karl-Marx-Platz versammelt haben."
Und immer noch Fragen
Der Spruch "Deutschland einig Vaterland" erscheint am 6. November 1989 zum ersten Mal in den Medien. Er wird sich rasch verbreiten - die Geschichte, wie der Spruch entstand, nicht.
Der Leipziger Autor Rainer Tetzner glaubt, er habe ein Plakat mit dem Spruch schon eine Woche früher gesehen.
Rainer Tetzner: "Das war am Montag, den 30. Oktober. Es war in der Nähe der runden Ecke, des Stasi-Gebäudes, am Straßenrand. Und wir guckten da ganz erstaunt und verwundert, denn so etwas hatte man ja nicht erwartet, das war weltfremd damals: Die Grenzen waren zu und die Russen standen hier im Land, und so etwas war völlig undenkbar im Grunde. Und wir waren alle verwundert über den Mut dieser beiden Leute, die dieses Transparent getragen haben, ja ein Zitat aus der Nationalhymne - 'Deutschland einig Vaterland'."
Die Beiden haben sich bis heute nicht zu erkennen gegeben.
"Gorbi! Gorbi! Gorbi!"
Ilko-Sascha Kowalczuk / Forschungsabteilung der Birthler-Behörde: "Landläufig wird gesagt, diese Parole "Deutschland einig Vaterland" ist erstmals nach dem Mauerfall am 9. November aufgetaucht, also in der Regel wird da der Montag, der 13. November genannt. Das ist wahrscheinlich nicht falsch, ist aber wahrscheinlich auch nicht richtig."
"Deutschland, einig Vaterland" Die vierte Zeile aus der ersten Strophe der Nationalhymne der DDR. Text Johannes Robert Becher 1949. Ein Mann, der sich zwischen den Fronten von Ost und West bewegte.
"Deutschland, einig Vaterland" - die vierte Zeile wurde ein Ruf der Wende. Demonstranten riefen ihn, Politiker entdeckten ihn wieder neu. Ein Ruf der Straße und des Podiums, auf Transparenten und Plakaten.
Doch wer rief ihn zuerst? Und wann? Und wo? Und welchen Sinn hatte er?
Auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig soll er erstmals ertönt und plakatiert worden sein. Das besagen fast alle Quellen, die ihn zitieren. Doch zum Datum gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Viele legen sich auf den November 1989 fest. Nicht wenige Historiker und Medien nennen den 13. November 1989. Die erste Leipziger Montagsdemonstration nach dem Fall der Mauer in Berlin.
Doch die Recherche kommt zu anderen, überraschenden Ergebnissen.
Kapitel 1. Nachhall eines Rufes mit Vorspiel
März 1990. Wahlen zur ersten freien Volkskammer in der DDR. Fast alle Parteien haben sich das Zitat "Deutschland einig Vaterland" aufs Revers oder gleich auf die Fahne geschrieben.
Rainer Eckert, Leiter des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig: "Ich sag mal andersrum: Wer diesen Spruch nicht verwendet hat oder diese Politik nicht verfolgt hat, war chancenlos gewesen. Das war vollkommen klar gewesen, spätestens wurde es klar, als im Januar Hans Modrow für die SED-PDS Ministerpräsident in Moskau ist, dann zurückkommt und dann vor den Fernsehkameras das erste Mal dann sagt 'Deutschland einig Vaterland' - das auch aufnimmt. Da war klar gewesen: Selbst die Staatspartei hat erkannt, hier ist nur noch ein Wählerpotential zu mobilisieren, wenn wir uns dieser Forderung nach einer Vereinigung dieser beiden deutschen Teilstaaten zu eigen machen."
Hans Modrow / DFF 1990: "... und in dieser Phase habe ich erkannt und begriffen, dass es notwendig ist, zu einem neuen Konzept zu finden, und das war eigentlich die Phase, in der mir das bewusst wurde. Und so erklärt sich auch dann meine Initiative Deutschland, einig Vaterland."
Hans Modrow, letzter SED-Ministerpräsident. Es ist der letzte Versuch einer DDR-Regierung für eine Konföderation mit der BRD.
Ein Foto, kurz zuvor entstanden, zeigt Montagsdemonstranten in Leipzig mit einem Banner, auf dem "Deutschland einig Vaterland" steht. Es sind Neonazis. Fotografiert hat sie die damals 18-jährige Fotografin Merit Schambach.
"... hier, Leipzig, Montagsdemo, 22.1., da haben wir dieses 'Deutschland einig Vaterland' als Deutschlandfahne. Und dann raufgeschrieben. 'Deutschland' oben, 'einig' in der Mitte, 'Vaterland' unten, da haben sie allerdings die Rechten in der Hand. Also junge Rechte, Skins, ein bisschen NPD-Richtung, und die posieren da auch richtig. Also die haben sich da vor irgend nen Platz gestellt und posieren hier für die Fotografen. Machen nicht den eigentlichen Gruß, sondern den Dreifinger-Gruß, damit se nicht gleich weggefangen werden. (...) Also das ging ja auch ganz schnell, wir sehen es ja an den Bildern, dass da irgendwelche Skinheads auftauchten und damit rumzogen, mit dem Spruch, aber das waren meiner Meinung nach keineswegs die ersten."
Bereits am 19. Dezember 1989 hat der damalige ADN-Reporter Thorsten vom Wege den Ruf vernommen. In Dresden beschwört die Menschenmenge "Deutschland" als "einig Vaterland" herauf – anlässlich der Rede Helmut Kohls.
"Zum ersten Mal richtig aufgefallen ist es mir persönlich nicht bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig, sondern kurioserweise bei der Rede von Helmut Kohl vor der Ruine der Frauenkirche, 19 Dezember 1989 muss es gewesen sein."
Kohl-Rede / 19.12.89 in Dresden: "... und auch das lassen sie mich hier auf diesem traditionsreichen Platz sagen, mein Ziel bleibt, wenn die geschichtliche Stunde es zulässt, die Einheit unserer Nation ..."
Hat Helmut Kohl diesen Ruf im Gepäck gehabt, in der Hoffnung und im Hinblick darauf, dass die "geschichtliche Stunde" es gut mit ihm meint?
Thorsten vom Wege: "... das kam von DDR-Bürgern, es ist, glaube ich, gerade in Sachsen nicht allzu schwer, die Leute am Dialekt zu erkennen, und ich war bei der Demonstration selbst dabei, also die sprachen ein klassisches Dresdner Sächsisch, nü. Und in der Hinsicht war es tatsächlich so, dass man nicht sagen konnte, das war in irgendeiner Form gesteuert oder von westlicher Seite in irgendeiner Form importiert, nein!"
In Leipzig kursieren Nachrichten, dass an Montagen auf bestimmten Parkplätzen der Stadt auffällig viele Busse und PKW aus Bayern stehen.
Martin Naumann, damals Fotograf bei der Leipziger Volkszeitung:
"Später kamen ja dann die westdeutschen Fahrzeuge, ich hab die Kennzeichen gesehen, alle aus München, natürlich, ist klar, die brachten dann die Fahnen mit, die Sprüche mit ... die entstanden nicht hier, die brachten die mit. 'Freiheit statt Sozialismus' zum Beispiel war einer."
Dem entgegen stehen auf der Montagsdemonstration am 13. November in Leipzig, der ersten nach dem Fall der Mauer, Forderungen nach "freien Wahlen für demokratischen Sozialismus".
Leipziger Demobeobachter auf dem Baugerüst: "Heute ist Montag, der 13. November 1989, Leipzig, zur Montagsdemonstration."
Die DDR-Staatssicherheit notiert eifrig, welche Parolen wann und wo auftauchten. Handschriftlich – unüblich für eine Stasi-Akte.
In Leipzig taucht "Deutschland einig Vaterland" laut Staatssicherheit auf der Montagsdemonstration am 13. November auf.
Leipziger Demobeobachter: "Es ist jetzt 18 Uhr 50. Ich stehe jetzt schräg gegenüber von der Thomaskirche auf dem Dittrichring, und zwar an der Nachtbar 'Intermezzo'. Hier ist ein Baugerüst angebracht, auf welches ich gestiegen bin. Und von hier habe ich eine sehr gute Sicht auf den Demonstrationszug, der sich jetzt ungefähr hundert Meter entfernt auf mich zu bewegt. Man kann aus der Ferne schon die Sprechchöre hören, ich werde versuchen, die Transparente zu lesen."
Der Beobachter der Demonstration spricht auf einem Baugerüst die Texte der Rufe, Plakate und Transparente in sein Amateurmikrofon. Von einigen Demonstranten wird er fälschlicherweise für einen Stasi-Spitzel gehalten.
Leipziger Demobeobachter auf dem Baugerüst: "... und jetzt 'Freie Wahlen' ... 'Mit Herz und Verstand: Deutschland einig Vaterland' ... und hier sind viele kleine Schildchen, die man beim besten Willen von hier aus nicht entziffern kann ..."
Kapitel 2. Rekonstruktion einer Demontage
Das "Demontage-Buch", das wohl ausführlichste Leipziger Demo-Tagebuch. Es basiert auf Notizen vieler Zeitzeugen. In ihm sind von jeder Montagsdemonstration möglichst alle neuen Losungen aufgelistet.
Laut "Demontage-Buch" erklingt am 13. November der Ruf nach "Deutschland, einig Vaterland" das erste Mal. Auch auf einem Plakat wird er zum ersten Mal hochgehalten.
Der Leipziger Autor Reiner Tetzner hat die Montagsdemonstrationen von Anfang an begleitet.
Rainer Tetzner: "Das ist ein Spruch, der, sagen wir, mehrdeutig ist, in mehrfacher Weise ausgenützt werden kann. Und wie wir ihn damals benutzt haben, im November noch, ist der also doch im Sinne aufgefasst worden, eine reformierte DDR oder sagen wir eine DDR mit einer Konföderation mit der Bundesrepublik zu haben und nicht als rasche Einheit verstanden wollten."
Merit Schambach: "Ich fand es irgendwie befremdlich, fast ein bisschen abstoßend, nun muss man dazu sagen, ich war damals 18 und 'Deutschland einig Vaterland' gab es damals für uns nicht, und wenn, dann war es absolut revisionistisch. Und ich hatte ein unangenehmes Gefühl dabei. Und ich kann mich auch daran erinnern, dass Leute darüber diskutiert haben über die Plakate. Die haben sich da so ein bisschen in der Wolle gehabt, verbal."
Die deutsche Frage wird jetzt auf der Straße immer nachdrücklicher gestellt. Und sie wird zunehmend zum Streitpunkt innerhalb der Montagsdemonstrationen.
Uwe Schwabe, damals selbst Oppositioneller, heute leitet er das "Archiv Bürgerbewegung" in Leipzig.
Uwe Schwabe: "Es gab riesengroße Spannungen. Es gab ja dann auch, ich kann den Zeitpunkt nicht mehr sagen, Gegendemonstrationen. Wo sozusagen dann junge Leute, Studenten, genau in die entgegengesetzte Richtung gelaufen sind wie die offizielle Demonstration. Und da gab es große Konfrontationen zwischen den zwei Gruppen. Wo die sich gegenseitig beschimpfen, als Nazischweine und als Kommunistenschweine sich da titulieren. Und es waren vor allem die älteren Leute auf der einen Seite, normale Arbeiter, und auf der anderen Seite die jungen Studenten, die gesagt haben, nee, wir wollen sozusagen keine 'neue Bundesrepublik Deutschland'."
Leipziger Demobeobachter: "Hier erhalten welche Beifall, indem sie entgegen dem Demonstrationszug gehen. Was auf dem Schild steht, kann ich leider von hinten nicht sehen ... 'Etwas tun, bevor es zu spät ist' ... Auf dem Transparent sind rauchende Schornsteine zu sehen, aus dem Rauch bildet sich ein Krebs."
Viele Bürger übergeben ihre privaten Aufzeichnungen an das "Archiv Bürgerbewegung".
Unter den Dokumenten befindet sich, neben dem Tonbandmitschnitt des jungen Leipzigers auf dem Baugerüst, auch dieses Amateurvideo:
Amateurvideo Montagsdemo, 13.11.89: "Deutschland einig Vaterland! Deutschland einig Vaterland! Deutschland einig Vaterland!"
Leipzig. 13. November 1989. "Deutschland, einig Vaterland"
Merit Schambach: "Es war ne relativ kleine, kompakte Klientel, also der Spruch war meiner Meinung nach nicht hier und da auf den Transparenten verbreitet, sondern det war schon so'n eigenes Grüppchen ..."
Die recht genauen Aufzeichnungen des jungen Mannes auf dem Baugerüst lassen den Schluss zu: Drei Plakate, auf denen "Deutschland einig Vaterland" geschrieben stand, wurden an diesem Tag durch Leipzig getragen.
Leipziger Demobeobachter: "... 'Deutschland einig Vaterland', wobei 'einig' rot geschrieben ist ... das andere blau oder schwarz ..."
Doch wer hat sie getragen? Und woher kamen diese Demonstranten?
Rainer Tetzner: "Das ist schon durchaus der Fall, dass die Politik versucht hat, auch gemacht hat, auch erfolgreich gestaltet hat, aber ich möchte sagen: Der Hauptantrieb zur deutschen Einheit kam von den Demonstranten. Und es waren oft dann andere auf der Straße als vorher, also im Oktober, waren viele auf der Straße, die dann später sagten, im November-Dezember: Da gehen wir nicht mehr hin, es waren dann andere Leute. Und das Volk gewissermaßen hat dann im November, Dezember, Januar die Einheit erdemonstriert, würde ich sagen, auch mit diesem Ruf."
Ilko-Sascha Kowalczuk: "Was ich auf keinen Fall glaube ist, dass dieser Spruch von außen in die Bewegung hereingepflanzt werden musste ..."
Sagt Ilko Sascha Kowalczuk von der Forschungsabteilung der Birthler-Behörde.
Ilko-Sascha Kowalczuk: "... also so nach dem Motto, dass da irgendwo in Bonn irgendwelche Ministerialbürokraten sich das überlegt haben und dann losgefahren sind nach Leipzig, Dresden, Ostberlin, und die Leute das dann gerufen haben, weil die das denen da vorgegeben haben, das ist also totaler Quatsch."
Kapitel 3. Kleine Geschichte zur Geschichte
Die Woche vor dem 13. November. Offenbar noch vor dem Fall der Mauer ist "Deutschland, einig Vaterland" auf einem Plakat in Leipzig aufgetaucht.
Der, der es nach Leipzig bringt, heißt Siegmar Faust. Als Systemkritiker saß er mehrfach in DDR-Gefängnissen ein. 1976 wird er vom Westen freigekauft und lebt seitdem als Autor in Westberlin.
Am 5. November 1989 besucht Faust in Westberlin eine Veranstaltung der rechtskonservativen Paneuropa-Union.
Siegmar Faust: "Es gab den Paneuropa-Jugendkongress im Reichstag. Und am Sonntag, ich war dort irgendwie mit beteiligt mit nem Vortrag, gingen wir raus vor ne Würstchenbude. Und da war son richtiger Leipziger. Und mit dem sprachen wir so und Neues Forum, und da war ja alles, und so, und dann sagte er, er muss jetzt wieder zurück, weil morgen die Demo, da muss er wieder was vorbereiten. Und da fragten wir: 'Was habt 'n ihr immer aufm Schild stehen?' Und da war dann immer irgendwas gegen - gegen das, gegen die, und jene. Und da ham wir gesagt: 'Wofür seit ihr denn eigentlich?' Und da war er ein bisschen verlegen. Und da sag ich: 'Seit ihr auch für die deutsche Einheit?' Und da sagt er: 'Oh. Also da komm ich im neuen Forum nicht mit an. Aber ich selber bin dafür.' Und da sagten wir ... da hatt ich noch nen Nachbar, nen Freund, der war Millionär. Aus Baden-Württemberg, aus Waiblingen, Rudolf Metzger-Ruoff. Und der sagte dann: 'Wenn ihr das macht ...!' Also ich sagte dann, würdet ihr das auch mal, 'Deutschland einig Vaterland?' Oder überhaupt so was. Ich hab dann ihm noch zwei Sprüche aufgeschrieben. Einmal noch Schiller 'Wir sind ein einzig Volk von Brüdern' aus dem Wilhelm Tell, und irgendwie noch was, was mir jetzt nicht mehr einfällt. Also drei Parolen, und darunter eben 'Deutschland einig Vaterland'. Und da zückt der Metzger-Ruoff aus'm Brustbeutel tausend Mark! Und das war damals viel Geld für einen Ossi, ne? Da war der Kurs eins zu zehn damals. Also der war ... und versprach hoch und heilig: Das macht er, mit seinen Jungs. Also der hätte da ein paar Leute, die da mitmachen."
Faust und seine Freunde sind über jeden Verbündeten froh. Dazu zählt er die Springer-Presse und den ZDF-Journalisten Löwenthal wegen ihres Einsatzes für die Wiedervereinigung.
Faust: "Oh! Wir ham uns so gefreut! Und in der CDU, da war auch schon die Front geklärt, da wollten auch schon viele nicht mehr ..."
Heute-Nachrichten: "Verehrte Zuschauer, ich begrüße Sie zur Heute-Sendung. In Leipzig, Dresden und anderen Städten der DDR haben am Montagabend wieder Hunderttausende für Demokratie und Reformen demonstriert. Die Demonstration in Leipzig war nach einer Meldung der DDR-Nachrichtenagentur ADN die bisher größte Kundgebung für Veränderungen in der Messestadt."
Am Abend des 6. November 1989 sitzt Siegmar Faust mit Bekannten vor dem Fernseher, daheim in Westberlin.
Siegmar Faust: "... und jetzt saßen wir nun alle am Fernsehen. Und dachten: Mensch, wolln wir mal sehen, ob da was kommt. Und tatsächlich: ZDF, erste Nachricht, die ganze Sendung, das waren vielleicht fünf Minuten oder zehn Minuten über Leipzig. Und das war dann schon ein bissel unheimlich, dass nichts kam. Und dann die letzte Einstellung! Letzte Einstellung - dieses Plakat! Ein Spruchband, 'Deutschland einig Vaterland!', Ooh! Und nichts dazu gesagt! Das war nur die Abschlusseinblendung! Wir sind uns um die Arme gefallen und jetzt: Mensch, jetzt endlich diese Losung!"
Heute-Nachrichten: "Wenngleich auch heute auf vielen Plakaten unterschiedliche Ansichten zum Ausdruck kommen, den eingeschlagenen Weg unumkehrbar zu machen, gehört zum Anliegen vieler, die sich auf dem Karl-Marx-Platz versammelt haben."
Und immer noch Fragen
Der Spruch "Deutschland einig Vaterland" erscheint am 6. November 1989 zum ersten Mal in den Medien. Er wird sich rasch verbreiten - die Geschichte, wie der Spruch entstand, nicht.
Der Leipziger Autor Rainer Tetzner glaubt, er habe ein Plakat mit dem Spruch schon eine Woche früher gesehen.
Rainer Tetzner: "Das war am Montag, den 30. Oktober. Es war in der Nähe der runden Ecke, des Stasi-Gebäudes, am Straßenrand. Und wir guckten da ganz erstaunt und verwundert, denn so etwas hatte man ja nicht erwartet, das war weltfremd damals: Die Grenzen waren zu und die Russen standen hier im Land, und so etwas war völlig undenkbar im Grunde. Und wir waren alle verwundert über den Mut dieser beiden Leute, die dieses Transparent getragen haben, ja ein Zitat aus der Nationalhymne - 'Deutschland einig Vaterland'."
Die Beiden haben sich bis heute nicht zu erkennen gegeben.