Deutsche Sprache, schwere Sprache

Von Nina Gruntkowski |
"I kann nix gescheits" sagt der Brasilianer Zé do Rock mit bayrischem Akzent von sich selbst. Der Sprachkünstler spielt genauso mit der deutschen Sprache wie er auf der Bühne mit so manchen Klischees aufräumt.
Die großen deutschen Tugenden Ordnung, Disziplin und Organisation, das sind alles lateinische Wörter. Die Römer von gestern sind die Italiener von heute. Das heißt, die Deutschen haben Ordnung, Disziplin und Organisation von den Italienern gelernt.

Dynamisch läuft Zé do Rock auf der Bühne auf und ab. Der Sprachkünstler und Kabarettist spielt gerne mit der deutschen Sprache und stellt dabei so manches Klischee auf den Kopf.

Er selbst ist Brasilianer – sieht aber so gar nicht brasilianisch aus, da er von litauischen, russischen und deutschen Einwanderern abstammt. Im Süden Brasiliens kam er schon früh in Kontakt mit der deutschen Sprache.

Zé: "Also die nennen das Deutsch, aber die bösen Zungen nennen das Katharinisch. Es gibt so einen Bundesstaat, der heißt Santa Catarina. Das ist ein sehr vereinfachtes Deutsch, es gibt kaum Fälle oder so. Und natürlich sehr vermischt mit Portugiesisch."

So hatte er den Klang der Sprache bereits im Ohr als er vor 17 Jahren in München hängen blieb – Schuld daran war natürlich eine Frau, erklärt der Brasilianer mit einem verschmitzten Lachen; lehnt sich zurück und steckt sich erstmal eine Zigarette an. Doch nicht nur mit der Liebe gab es Probleme, sondern auch mit dem Deutschen.

Zé: "Man gewöhnt sich an alles oder an allem – sogar an den Dativ, oder das Dativ, den Dativ ahhhh. Das ist ein Katastrophe!"

Zunächst dachte Zé do Rock, das seien die typischen, sprachlichen Anfangsschwierigkeiten eines Ausländers. Doch dann stellte er immer wieder fest, dass selbst die Deutschen mit ihrer eigenen Sprache ins Straucheln geraten.

Zé: "Ich habe eine Freundin, die ist Germanistin, die rief mich an und sagt, ‚heißt das in einem schönem Haus oder in einem schönen Haus, m oder n?’ Da habe ich gesagt, ‚ich kann’s nicht glauben, du bist Germanistin und Deutsche und du rufst einen Brasilianer an?’ Sie sagt, ‚naja ich bin aus Murnau’. Das ist tiefste bayrische Provinz."

Und so vereinfachte der Brasilo-Bayer in seinen Büchern kurzerhand die deutsche Sprache. Ergebnis sind das in Rechtschreibung und Grammatik abgespeckte Ultra- und Wunschdeutsch. Diese ernst gemeinten Anregungen wurden jedoch bei der Rechtschreibreform nicht berücksichtigt, stellt der Sprachkünstler mit einem Achselzucken fest – und trieb daraufhin sein Sprachspiel immer weiter auf die Spitze.

Zé: "Siegfriedisch ist ein reinst gerrrmanisches Deutsch. Also man darf keine auch keine Lehnwörter benutzten, wie Tisch das schaut sehr Deutsch aus, aber es ist vom Lateinischen Diskus, also muss man Essbrrret sagen. Zwiebel ist Heulgemüse, Tomate ist Rrrotgemüse, der ganze Kühlschrank muss übersetzt werden, außer Kohl natürlich. Sonst ist alles, was man in einer Küche findet, nicht gemanisch. Und dann Kauderdeutsch ist natürlich genau das Verkehrte. Das ist ein multikulti und internationalisiertes Deutschmix for varius linguas."

Mit dem Kauderdeutsch fühlt sich der Weltenwanderer immer noch am wohlsten. Denn bevor der Brasilianer in Deutschland sesshaft wurde, war er 13 Jahre um die Welt gereist. 120 Länder hat Zé do Rock besucht. 5 Sprachen spricht er einigermaßen, kann auf einem Dutzend radebrechen und kennt ein paar Wörter in hunderten weiteren Sprachen. Doch wo er auf seiner Reise auch hinkam, hörte er nicht nur die verschiedensten Sprachen, sondern auch die klischeehaften Vorstellungen der Einheimischen über die Menschen fremder Länder. Seitdem sind die Klischees sein großes Thema – zumal sowohl sein Heimatland Brasilien als auch seine Wahlheimat Deutschland von sehr starken und gegensätzlich Stereotypen belastet sind.

Brasilianer: "Ich hasse Samba!"

Brasilianerin: "Früher war das net so Mode der Samba. Da hat es mehr Walzer gegeben, Marcha. Samba ist mehr wie das jetzt so ist, du liebe Zeit! So was Verrücktes!

Früher gab es mehr Walzer und Marschmusik. Der Samba ist die Mode von heute."

Im Süden Brasiliens kann sich Musik nämlich auch so anhören. Mit diebischer Freude lässt Zé do Rock Klischeevorstellungen zu Staub zerfallen. Auch in seinem neuen Buch "Jede Sekunde stirbt ein Nichtraucher. A Lexikon üba Vorurteile un andre Teile" stellt der Weltenwanderer oftmals messerscharfe Beobachtungen über kulturelle Eigenheiten an.

In den Länderkapiteln parliert der Sprachkünstler gerne auf einem an das jeweilige Land angepassten Kauderdeutsch. Das Ganze ist amüsant, wenn auch streckenweise etwas mühsam zu lesen, muss auch Zé do Rock zugeben – und rät, die schwierigen Wörter laut zu lesen oder sich eine Brille zu kaufen. Denn der Querkopf steht nicht nur selbstbewusst zu seiner Meinung, sondern auch zu seinem Schreibstil.

Zé: "Wenn ich ein Buch auf Normaldeutsch schreiben würde, könnte ich das machen. Aber das würde so sein wie auf Stelzen von München nach Hamburg zu gehen und dabei noch elegant ausschauen - das funktioniert nicht."

Danach könnte man schön einen brasilianischen Samba oder Bossa Nova spielen.