"Männer bringen Leute zum Lachen, Frauen nicht"
Comedians mit Migrationshintergrund wie Kaya Yanar oder Bülent Ceylan sind längst Superstars der Comedy-Szene. Komikerinnen hätten es dagegen nach wie vor schwer, große Säle zu füllen, meint die Komikerin Senay Duzcu.
Liane von Billerbeck: Senay Duzcu war das auf der Bühne. So ist das, wenn sie arbeitet. Ich bin jetzt mit ihr verbunden. Ich grüße Sie!
Senay Duzcu: Hallo!
von Billerbeck: Ist das eigentlich für eine Frau – wir haben es ja gerade gesagt – leichter oder schwerer, als Stand-up-Comedian das Publikum zum Lachen zu bringen?
Duzcu: Es ist so eine ... Es ist leicht, und es ist schwer. Es ist beides. Also leicht ist es, weil man hat Aufmerksamkeit, und dann muss man auch sofort diese Brücke bilden, dass man nicht einfach ... Man hat erst mal Respekt vor Frauen. Man will nicht über sie lachen. Man will, dass die anmutig da sitzen und über einen lachen, also mit einem lachen, aber nicht ...
von Billerbeck: „Man" heißt, die Männer sind die Schwerlacher?
Duzcu: Ja, genau. Ja, also das ist erst mal so eine Überbrückung: Ach Gott, die sieht ja nett aus, warum macht sie denn so was Ulkiges? Warum macht die so Grimassen, erst mal? Und dann, ein paar Sekunden später, wenn man dann so ein bisschen, ja, wenn man doch selbstbewusst ist und sich dann darstellt und auch wirklich einen nach dem anderen ... Sachen sagt, die man ... einfach lustig sind dann, dann bewährt man sich. Da muss man sie schon mal erst mal gewinnen.
Bei Männern weiß man: Okay, da dürfen wir lachen, das ist so, Männer bringen Leute zum Lachen, Frauen nicht. Also wie wir wissen, bei Singlebörsen sieht man das ja oft: Bei Männern ist es so, die sagen beim zweiten Charakterzug, was die Frau haben muss, ist, die muss Humor haben.
Und bei Frauen ist es so, beim zweiten oder ersten Charakterzug, was der Mann haben muss: Er muss mich zum Lachen bringen. Das sieht man ja schon da, dass es oft so ist, dass wir so dran gewohnt sind, dass die Frau einen nicht zum Lachen bringen sollte.
"Wir können doch auch über witzige Unter-der-Gürtellinie-Sachen erzählen"
von Billerbeck: Ich erinnere mich, dass Ihre Kollegin Maren Kroymann mal gesagt hat, dass es für Frauen viel schwerer ist, auf der Bühne auch Sachen zu machen, die, sagen wir mal, unter die Gürtellinie gehen. Heißt das, Frauen müssen ihr Comedyprogramm auf der Bühne anders machen, dürfen so was nicht? Ist das immer noch so eine Art Tabu?
Duzcu: Nicht mehr, nein. Jetzt haben so Carolin Kebekus und Vorreiterinnen, was das betrifft: Nein, wir können ja auch so über Fäkalien oder über Muschigesicht oder was weiß ich, was für Wörter sie nimmt, ... was ich auch lustig finde. Es passt dann, man denkt so: Oh Gott, so eine hübsche Frau, und dann sagt sie so was – dann ist das natürlich ein Lacher auch.
Und man muss nicht darauf immer wetten und sagen, ich mache jetzt nur alles unter der Gürtellinie, damit die Leute lachen. Aber diese Zeit hat sich geändert, und als ich 2004 angefangen habe, war in den zwei Jahren, wo ich Comedy gemacht habe, bevor ich Pause gemacht habe, war das nicht so, ich sollte das nicht tun, weil da waren noch die Berührungspunkte ja sehr schwer.
Eine Frau, und dann erzählt sie über Sex - nein, nein, das wollen wir nicht sehen, das wollen wir nicht hören. Dann habe ich fünf Jahre Pause gemacht und dann bin ich wieder zurückgekommen auf die Comedybühne und habe gesehen: Mein Gott, hey, ja, jetzt sehe ich das auch anders. Warum nicht? Wir können doch auch über witzige Unter-der-Gürtellinie-Sachen erzählen. Ja, so hat sich das alles verändert in Deutschland – zum Glück.
von Billerbeck: Es ist erst drei Jahre her, da wurde mit Bülent Ceylan der erste Comedian mit Migrationshintergrund zum besten Komiker Deutschlands gewählt. Haben es Frauen auch in diesem Beruf schwerer mit der großen Karriere? Denn Sie waren ja wohl die erste, die da auf der Bühne stand und eben auch den berühmten Migrationshintergrund hatte.
Duzcu: Ja, aber ... Ja, die Männer sind so, wo Frauen wirklich ... wo Massen zu diesen Comedyprogrammen kommen, Mario Barth, Bülent Ceylan, Kaya Yanar, die haben sich zerrissen dann. Die wollten einfach ... Die haben sich da wirklich so, um die Tickets zu kriegen und Karten zu kriegen, ... was auch verständlich ist. Sie sind auch super gut, und ich finde die auch klasse. Aber das ist bei einer Frau ganz anders, also das ist nicht so, dass sie dann überall, wo sie spielt, immer ausverkauft ist. Das ist bei vielen Comedian-Frauen so, obwohl ich ...
von Billerbeck: Woran liegt das, dass die Leute zu den Männern rennen und zu den Frauen eher nicht? Sind die Frauen schlechter?
Duzcu: Nein, also schlecht – vom Humor kann nicht schlecht sein, wenn ein ... Wenn ich den Text von dem Mann erzählen würde auf der Bühne, würde das Gleiche sein, weil der Text ist gleich, aber die Haltung von den Männern ist so: Ja, ich gehöre auf die Bühne!
Ich glaube, wir Frauen sind so ein bisschen noch nicht ganz so angekommen, also nicht alle, jetzt so viele von uns, sage ich mal. Wir sind nicht so: Ja, ja, wir stehen hier und das ist unser Standing! Und da kommt so ein Mann und sagt: So ist das, habe ich immer schon gemacht hier, so was.
"Wir sind so kritisch, und wir suchen immer den Fehler an uns"
von Billerbeck: Da stehe ich breitbeinig auf der Bühne, und ich bin toll.
Duzcu: Genau, genau, ich bin der Geilste. Und die Frau sagt immer: Ich bin gut. Der sagt: Ich bin geil! Da hat eine Kollegin zu mir gesagt: Ein Mann ist gar nicht gut angekommen an dem Abend. Da sagt er: Ja, das Publikum war schlecht. Und bei einer Frau ist es umgekehrt, die sagt: Ach, ich glaube, an mir liegt das.
Das hat eine Kollegin von mir auf der Bühne erzählt. Da habe ich mich auch kaputtgelacht – das stimmt! Wir sind so kritisch, und wir suchen immer den Fehler an uns, die Männer suchen den Fehler an der Umwelt halt. Alle anderen sind doof, nur ich bin super.
von Billerbeck: Das kenne ich auch, also Frauen hier sagen immer, ach, ich habe das Interview nicht gut geführt, und Männer sagen dann: Ich habe doch noch das Beste draus gemacht!
Duzcu: Ja, genau.
von Billerbeck: Was wir eben gehört haben von Ihrem Alltag auf der Bühne, da ging es auch um Alltag, könnte man ja sagen, nicht um direkt Politisches.
Duzcu: Nein.
von Billerbeck: Warum? Ist das so eine Art Integrationsprogramm für Sie?
Duzcu: Nein, ich meine, der Alltag, das ist einfach, wo ich sagte, das müssen wir einfach den Deutschen geben: Das, was ihr nicht so schön findet (...), war für uns das Praktischste, was es gibt. Das ist eine verkehrte Welt, und das ist schön, mal einmal so die Tür aufzumachen, ohne dass die in unsere Wohnungen reingehen, und ich gehe auf die Bühne und erkläre denen und erzähle denen.
Und das ist das Schöne, was ich mache, ich liebe meinen Beruf, wenn ich auf der Bühne bin und die dann so ein, ach so, echt, ja, logisch, das ist ja wohl praktisch, und zu mir kommen und sagen, ja, so habe ich das noch nie gesehen. Und das ist für mich was Wunderbares: Menschen einfach in einen Raum reinzubringen, wo sie noch nie waren, finde ich wunderbar.
von Billerbeck: Senay Duzcu war das, Comedian. Dann hoffen wir doch, dass Sie demnächst für den Deutschen Comedypreis nominiert werden. Die Verleihung des Preises erfolgt heute, und beim nächsten Mal sind Sie dann hoffentlich dabei. Ich danke Ihnen!
Duzcu: Ja, ja, und dann werde ich noch mal zu euch kommen!
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