Picknick auf dem Dach
Bei der Expo 2015 in Italien geht es um die Zukunft der Welternährung. Bei der Gestaltung des deutschen Pavillons auf der Weltausstellung setzt Kreativdirektor Peter Ridlin deshalb auf die Kräfte der Natur.
Der deutsche Pavillon appelliere an ein anderes Denken und schaffe Bewusstsein für die Kräfte der Natur, sagte der Kreativdirektor Peter Ridlin im Deutschlandradio Kultur. "Diese Kräfte der Natur sind die wesentlichen Quellen der Ernährung", sagte er. Es gelte diese Kräfte in Zukunft besser zu schützen und intelligent zu nutzen. "Das ist so das Feld, das wir dort bestellen." Ridlins Agentur Milla &Partner war mit der Mediengestaltung des deutschen Pavillons auf der am 1. Mai beginnenden Weltausstellung in Mailand befasst. Das Motto der Expo lautet: "Den Planeten ernähren – Energie für das Leben".
Der Pavillon präsentiere einen Vierklang, die international beachtete deutsche Umweltpolitik, innovative Unternehmen, eine ausgeprägte Forschungslandschaft und eine starke Zivilgesellschaft. "Aus diesem Vierklang zeigen wir viele Lösungsmöglichkeiten, Antworten, Initiativen, Exponate", sagte er. "Wir nennen das fields of ideas." Es gehe darum, deutsche Ideen zur Welternährung zu zeigen. Für die Besucher gebe es auch zwei Restaurants und die Möglichkeit auf dem begrünten Dach des Pavillons ein Picknick zu machen.
Wettstreit der Pavillons
Ridlin bestätigte, dass es einen Wettstreit der Pavillons gebe. "Es ist unglaublich, das Bild dieser vielen unterschiedlichen Länder-Darstellungen." Man müsse gegen seinen Nachbarn, beispielsweise Kuweit bestehen und die Besucher in den Pavillon locken. "Aber es ist natürlich auch ein wunderbares Erlebnis, die verschiedenen Gesichter zu sehen." Er empfinde das als sehr sinnlich, gerade im Gegensatz zur digitalen Welt.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Es klingt fast ein bisschen nach Klischee. Da findet zum ersten Mal seit Langem wieder eine offizielle Weltausstellung in Italien statt, und schon geht es ums Essen. Allerdings nicht unbedingt um La dolce vita. "Den Planeten ernähren - Energie fürs Leben" lautet übersetzt das Motto der Expo 2015 in Mailand, die morgen ihre Tore öffnet. Und wir wollen jetzt wissen, wie dieses Motto im deutschen Pavillon umgesetzt wird. Dafür ist die Agentur Milla & Partner verantwortlich. Kreativdirektor und Geschäftsführer Peter Redlin hat sich mit seinen Mitarbeitern die Ausstellungs- und Mediengestaltung für den Deutschen Pavillon ausgedacht. Der ist jetzt natürlich schon in Mailand und da für uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Redlin!
Peter Redlin: Guten Morgen!
Kassel: Stellen wir uns mal vor, es wäre schon offen, ich wäre ein Besucher und käme nicht aus Deutschland. Dann hätte ich die Auswahl zwischen ungefähr 140 Länderpavillons, wenn ich über das Ausstellungsgelände gehe. Warum bleibe ich am deutschen Pavillon möglicherweise stehen?
Redlin: Weil die Architektur so spannend aussieht.
Kassel: Wie sieht sie denn aus, wenn ich erstmal von außen drauf gucke?
Redlin: Das Bild ist eigentlich eine, ist das der deutschen Felder- und Flurlandschaft, und wir haben versucht, es in Ausstellung und Architektur umzusetzen. Das ist eine sanft ansteigende Landschaftsebene, und die Oberfläche des Pavillons, die ist zugänglich, also auf der kann man wandeln und gehen, und die Themenausstellung, die ist im Inneren. Und aus dieser Landschaft, aus diesem Stück Erde praktisch mit seinen erkennbaren Feldern, da wachsen Pflanzen nach oben, stilisierte Pflanzen, die wir so immer als Ideenkeimlinge bezeichnen, und die bilden ein großes Blätterdach. Also es ist eine sehr organische Anmutung. Ein kleines bisschen zurückgesetzt, da liegt in der zweiten Reihe – also es ist jetzt nicht so protzig – an der Hauptachse, wandelt man eigentlich über eine lange Rampe dann auf die Oberfläche des Pavillons.
Sinnliche Ausstellung über Ernährung und Essen
Kassel: Und ich nehme doch mal an, bei dem diesjährigen Motto der Ausstellung, wenn ich dann reingehe, kriege ich, wenn ich will, auch was zu essen?
Redlin: Nein, das ...
Kassel: Nicht?
Redlin: Das ist eine schöne Mischung. Es gibt zwei Restaurants im deutschen Pavillon, da bekommen Sie was zu essen. Es gibt eine kleine Kioskstation auf dem Landschaftsdach des Pavillons, da können Sie sich dann auch hinsetzen und Ihr Picknick machen. Und ansonsten gibt es natürlich eine sehr sinnliche Ausstellung, die komplett über Ernährung und um Essen geht.
Kassel: Wie wird denn das konkret umgesetzt, jetzt auch mal sehr ernsthaft. Es soll ja eben nicht nur um den Genuss gehen – schon auch –, aber es geht halt um die Zukunft der Menschheit, um die Ernährung der Menschheit, also, wie man das immer so nennt, um nachhaltige Ernährung. Wie setzen Sie das da konkret um?
Redlin: Unser Ansatz, der ist, der Pavillon appelliert eben an ein anderes Denken. und schafft ein Bewusstsein für die Kräfte der Natur. Und diese Kräfte der Natur, das sind die wesentlichen Quellen der Ernährung, das ist auch in der Architektur so ausgeformt. Und diese Kräfte, die gilt es eben in Zukunft zu schützen, besser zu schützen und intelligent zu nutzen. Und das ist so das Feld, das wir dort bestellen.
Es gibt den Vierklang, so nennen wir das immer, es ist nicht nur die sehr international sehr beachtete Umweltpolitik aus Deutschland, nicht nur die innovativen Unternehmen. Es ist eine ausgeprägte Forschungslandschaft und ganz besonders eine starke Zivilgesellschaft, die wir hier zeigen wollen. Und so aus diesem Vierklang, da zeigen wir viele Lösungsmöglichkeiten, Antworten, Initiativen, Exponate. Und das ist so eigentlich dieser Humus. Wir nennen das ja „fields of ideas", das sind die deutschen Ideen zur Welternährung, und die werden hier ausgebreitet.
Großbritannien stellt sich ganz anders dar
Kassel: Diese Zeiten, zu denen die Weltausstellung im 19. Jahrhundert und auch noch lange danach eine Leistungs- und auch eine Konkurrenzschau der Länder sein sollte, sind ja ein bisschen vorbei. Dieses Jahr soll es vor allen Dingen ja ein Diskussionsforum sein. Aber wenn man so einen Pavillon konzipiert, steht man da nicht trotzdem in Konkurrenz zu den anderen, und ist es nicht trotzdem ein Wettstreit.
Redlin: Natürlich ist es das. Und wenn Sie sich das jetzt vorstellen dort, das ist unglaublich, dieses Bild dieser vielen unterschiedlichen Länderdarstellungen. Sie gehen auf dieser Hauptachse entlang, und es ist total spannend, und es macht total an, finde ich jetzt persönlich. Und natürlich ist es dann plötzlich auch ein Wettstreit, und Sie müssen gegen Ihren Nachbarn, Kuwait zum Beispiel, und die Schweiz, da müssen Sie natürlich schön bestehen, und Sie müssen die Besucher natürlich auf Ihren Pavillon locken. Von daher ist es das.
Aber es ist natürlich auch ein wunderbares Erlebnis, also diese verschiedenen Gesichter zu sehen und den unterschiedlichen Ausdruck. Und es ist – also ich empfinde das immer als unheimlich sinnlich, also jetzt auch im Gegensatz zu unserer digitalen Welt. Es ist anfassbar, und ob Sie jetzt Großbritannien anschauen, das Land stellt sich komplett anders da als wir jetzt aus Deutschland. Das ist spannend, das zu sehen, wie unterschiedlich diese Bilder sind, die dort gezeigt und aufgerufen werden.
Kritik und Korruptionsvorwürfe
Kassel: Es gab allerdings auch viel Kritik an der Expo in diesem Jahr, vorher Korruptionsvorwürfe, großes Chaos. Angeblich ist auch vieles nicht fertig geworden. Können wir das ab morgen alles vergessen, oder sind auch Sie noch ein bisschen mit Just-in-time-production beschäftigt?
Redlin: Nein, nein, wir sind fertig. Es hat bei uns wunderbar geklappt. Wir hatten jetzt keine Berührung mit den vielen Korruptionsvorwürfen. Aber es wird sicher – oder man sieht sicher noch einige Baustellen. Das ist tatsächlich so, aber ich denke, das Bild für den Besucher wird trotzdem äußerst spannend sein.
Kassel: Herzlichen Dank! Peter Redlin war das, Kreativdirektor und Geschäftsführer der Agentur Milla & Partner. Mit ihm haben wir über den deutschen Pavillon auf der diesjährigen Weltausstellung geredet. Die Expo in Mailand eröffnet morgen ihre Tore, und sie bleibt dann bis zum 31. Oktober zugänglich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.