Deutscher Sternekoch in Frankreich

Der große Appetit

Das Manoir de Rétival des deutschen Sternekochs David Goerne in Caudebec-en-Caux
Das Manoir de Rétival des deutschen Sternekochs David Goerne in Caudebec-en-Caux © Deutschlandradio Kultur / Jürgen König
Von Jürgen König |
David Goerne ist ein deutscher Koch, ein exzellenter, ein Sternekoch. Doch was Goerne einmalig macht, ist erst der Ort seines Schaffens: Goerne ist der einzige deutsche Sternekoch in Frankreich.
Von Paris aus mäandert die Seine westwärts durch die Normandie Richtung Meer, kommt nach 130 Kilometern an Rouen vorbei und nach weiteren 38 Kilometern trifft sie auf Caudebec-en-Caux, einen malerischen Ort am Fluss mit gut 2000 Einwohnern.
Schon Kelten und Römer siedelten hier. Den Besucher erwarten: ein Tempelritter-Haus aus dem 13., eine Kirche Notre-Dame aus dem 15. Jahrhundert und das "Manoir de Rétival" – ein Herrenhaus, etwa 300 Jahre alt. Erhöht schaut es über die Seine, Türme, Erker, Giebel und einen Vorgarten. Die Räume sind bald sechs Meter hoch, die Nase führt den Gast direkt in die Küche.
Dort bereiten Sternekoch David Goerne und sein Küchenchef Yannic Stockhausen das Menu vor.

Keine Karte, stattdessen ein Vorgespräch

Grundsätzlich gilt: Eine Karte gibt es nicht, gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Na ja, man wird schon nach Allergien gefragt und ob man bestimmte Dinge nicht mag. Aber wer wird sich gleich zu Beginn schon verweigern? Auf einer quadratischen Steinplatte präsentiert Yannic Stockhausen eine Blüte, die man mit einem Gänseblümchen verwechseln könnte:
"Also wir beginnen das Menu mit einer Szechuanpfefferblüte, das ist kein scharfer Pfeffer, ist ein elektrisierender Pfeffer. Und mit einem Schluck vom Champagner ist es dann wie eine kleine Explosion, wenn da dieser perlige Champagner mit diesem Effekt der Elektrik sehr gut harmoniert, und damit starten wir das Menu."
"G.a." hat David Goerne sein Restaurant genannt, elegant aufs Deutsch-Französische anspielend: hatte doch Voltaire einst Friedrich den Großen wissen lassen, dass er "g.A": "großen Appetit" habe und einer Einladung nach Sanssouci gerne folgen werde.
Wobei im Falle David Goernes der Begriff "Restaurant" eigentlich falsch ist: Nachdem er jahrelang nur in der Küche gestanden hatte, wollte er endlich mal Reaktionen auf seine Kochkünste erleben. Nun führt er eine "table d’hôte" und kocht wie für Freunde.

Gäste zum Gespräch in der Küche

"Beim 'table d’hôte' ist es so, dass die Gäste bei uns in der Küche sitzen, wir können uns mit denen unterhalten: Warum wir das kochen? Warum wir diesen Wein dazu servieren... Es ist halt so ein… échange… wie sagt man jetzt? - Austausch! Genau, danke!"
David Goerne ist 40 Jahre alt, hat sich jungenhaften Charme bewahrt. Er lacht gerne und viel und verbreitet damit eine geradezu familiäre Gelassenheit. Dass er der einzige deutsche Sternekoch in Frankreich ist, mag er immer noch nicht recht glauben. Er erfuhr davon im Urlaub:
"Ouuuh… ja, das war toll! Da lag ich abends am Strand und dann hat mich Frau Caspar angerufen, das ist die Chefin vom Guide Michelin, und mir erzählt, dass wir den Stern bekommen haben. Und das musste ich erstmal verkraften, bzw. das hab ich bis jetzt noch nicht verkraftet… also uns ist schon bewusst, dass sich hier was verändert hat."
16 Gäste passen in die Küche, weitere 16 in einen kleinen Speisesaal, auch die Nachbarn kommen - familiär geht es zu.
Der junge Benoît - während er die Austern öffnet, lobt er seinen Chef: Ganz anders sei er als ein französischer "patron":
"Oh, das ist ein himmelweiter Unterschied! David ist sehr offen, sehr großzügig, ein 'très bon chef'!"
Benoîts Arbeitstempo ist bewundernswert.
"Man kann Austern auf zweierlei Weise öffnen: Von hinten oder hier an der Seite. Man darf es nur auf gar keinen Fall zu kräftig machen. Wie wir sagen: Eine Auster ist wie ein Mädchen, man muss sich ihr mit Feinfühligkeit nähern."
Die Ergebnisse von Benoîts Arbeit drapiert Küchenchef Yannic Stockhausen auf einem Teller:
"Das ist unsere kleine Felsenauster aus Villerose, so heißt das, der Ort; dann haben wir die ein bisschen thailändisch gemacht, so eine thailändische Marinade aus Palmzucker, Fischsoße und Limettensaft. Dann haben wir den leckeren Störkaviar Imperial, dann haben wir Mandelkrokant, sautierten Blattgold und eine Misocrème."

Kräutercreme, Macaron, rohmarinierter Apfel

Gekocht wird klassisch französisch, wenn auch immer weiterentwickelt:
"Als zweites gibt’s den Thunfisch. Der wird in einer Gewürzmarinade mariniert und dann ganz scharf angebraten; dazu haben wir eine Lakritzsoße, also eine Süßholzsoße, dann eine Kräutercreme, ein Macaron und einen rohmarinierten Apfel. Guten Appetit!"
Die Foie gras, die Gänse- oder Entenleber darf nicht fehlen…
"Wir haben einen Cassis-Macaron gemacht, der ist auf Mandelgrieß- und Eiweiß-Basis und dazu gibt’s dann rohmarinierte Foie gras. Das ist unser kleiner Klassiker hier: Foie gras mit Portwein, reduziertem Portwein, Calvados, verschiedenen Spirituosen mariniert und das dann zugeschnitten, ausgestochen und dann so präsentiert auf dem Teller."
Und so geht es munter immer weiter…
"Als nächstes gibt’s eine Jakobsmuschel… danach gibt’s einen Kabeljau… dann gibt’s das Beef… wenn ich ganz nett bin, gibt’s noch ein kleines Sorbet zwischendurch… ja, und dann gibt’s das Dessert."
Für die Gäste ist das kein Essen, sondern ein Fest. Mit Champagner und Wein, Wasser und Brot. Sehr, sehr zufrieden sei sie, sagt eine Dame in Begleitung eines Herrn, deswegen kämen sie so oft.
"Oui, oui très, très contente! C’est pour ça qu’on vient souvent, oui!"
Und auch der Sternekoch strahlt, wenn es auch ein echtes Problem gibt:
"Also ich hab ja das Gefühl, dass die Küche jeden Tag kleiner wird!"
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