"Deutsches hysterisches Museum"

Von Martina Nix · 07.03.2007
Mit 23 erhielt Felicia Zeller ihren ersten Theaterpreis. Mit Dramen wie "Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in Haft" sorgte sie für Furore. In ihren Stücken montiert sie Reales und Absurdes. In ihrem neuesten Werk für das Theater Bielefeld entwirft sie ein Bild von der aussterbenden Gesellschaft.
Mit hochgestecktem blonden Haar sitzt Felicia Zeller in ihrer hellen Küche im Berliner Stadtbezirk Neukölln. Sie trägt eine rote Bluse, einen kurzen braunen Cordrock, dazu bunte Ringelstrumpfhosen. Eindringlich schaut sie durch ihre gelb eingefasste ovale Brille. Über sich erzählen, könne sie eigentlich nichts.

Felicia Zeller: "In meinem Leben passiert ja nichts, ich bin ja Schriftsteller und die haben gewöhnlich ein sehr langweiliges Leben es sei denn sie gehen Angeln, weil man halt viel sitzt und Zettel beschriftet. Ich meine, der klassische Hemingway-Schriftsteller geht ja Angeln. Ich habe mir auch ne Angel gekauft letztes Jahr. Aber ich hatte keine Einführung. Hier in Deutschland ist es sehr schwer mit dem Angeln."

Und weil das eben mit dem Angeln bisher noch nicht geklappt hat, sitzt die 37-jährige Dramatikerin - tagein tagaus - an ihrem Laptop und schreibt oder versucht zumindest zu schreiben.

"Da gibt’s dann so Dinge, mit denen man in seiner Küche kämpfen kann, wenn man Pech hat. So ist das und das war halt früher nicht da. Früher ne, ich bin ja auch schon so greisenmäßig eingestimmt heute. Eigentlich habe ich ununterbrochen geschrieben als ich jung war. Heutzutage schreibe ich nur noch selten eins, zwei Worte nieder."

Ab und an steht sie dann aber doch mal auf und verlässt ihre vier Wände.

"..allein damit ich meine Bewegungsfreiheit nicht verliere, und total verfette."

Das ist natürlich alles nicht ernst gemeint, sondern nur eine ironische Karikatur ihrer selbst. Denn die ein Meter und 68 Zentimeter große Autorin macht nicht nur einen lebenslustigen Eindruck, sondern ist auch ziemlich schlank und zart gebaut. Von Überfettung, auf die sie immer wieder amüsiert zu sprechen kommt, kann daher keine Rede sein. Und so wie ihre gesprochenen Sätze immer wieder ein Thema umkreisen, einen Gedanken aufnehmen, ins Absurde aber oft nicht zu Ende führen, schreibt sie auch. Das erinnert an die sich endlos wiederholenden Sprachwindungen von Thomas Bernhard, den sie mit 17 Jahren für sich entdeckte.

"Ich habe nach dem Abitur in so einem Altersheim gejobbt. In jedem Zimmer war immer eine andere alte Frau, die ihre Erinnerungsbröcke auf mich drauf erzählt hat und zwar fast täglich dieselben. Die hatten alle immer ein oder zwei Themen, in denen sie so gekreist sind. Da hab ich gedacht, das ist Thomas Bernhard in Realität. Und da habe ich zum Beispiel das aufgezeichnet, die verschiedenen Blöcke, geteilt durch den Arbeitsablauf."

Geschrieben hat die Tochter eines Kunsterziehers und einer Malerin so lange sie denken kann. Erst verfasst sie Lyrik, später mit 17 ihr erstes Theaterstück, um ein paar gut aussehende Jungs zu beeindrucken. 1992 beginnt sie an der Filmakademie Baden-Württemberg zu studieren. Und das nicht etwa, weil sie professionell lernen will, wie man Drehbücher schreibt, sondern natürlich nur, weil sich dort so interessante Menschen tummeln. Schnell stellt sich heraus, dass die Drehbuchseminare langweilig sind und..

"..dass die nur ein bisschen bekloppten, zurückgebliebenen Studenten Drehbuch studieren, und alle anderen studieren dann lieber so was anderes, Regie oder Animation oder Kamera und schreiben trotzdem Drehbücher. So sieht’s aus."

Felicia Zeller studiert dann das, was keiner will, nämlich Industriefilm mit dem Plan, hier einen großen Coup zu landen. Sie nennt sich fortan Lotio F. und der Erfolg bleibt nicht aus. Bereits ihre Diplom-Arbeit "Mut der Ahnungslosen" gewinnt Preise im Bereich "Neue Medien". Mit Bildern, Text und Ton kann man sich auf ihrer interaktiven CD-Rom durch eine absurde Welt klicken.

Ihre nach dem Studium gedrehten Kurzfilme laufen erfolgreich auf Filmfestivals. In ihrem "Videobrief" beispielsweise karikiert sie moderne Kommunikationsformen wie Handygespräche oder Emails, bei denen eben, wie jeder weiß, viele sinnlose Alltäglichkeiten ausgetauscht werden. Und obwohl sie schon mit 23 Jahren ihren ersten Dramatikerpreis gewinnt, dann schnell zum Shootingstar der Theaterszene avanciert, lässt der große Durchbruch noch immer auf sich warten. Die gebürtige Stuttgarterin schreibt nicht nur, sondern trägt ihre Stücke auch mit einem Sprachverzerrer vor.

Ihr neuestes Stück "Deutsches hysterisches Museum" ist ein Auftragswerk für das Theater Bielefeld. In diesem Stück entwirft Felicia komödiantisch ein Bild von der überalterten und aussterbenden Gesellschaft. Da schlucken die Alten Erinnerungspillen, albern im Pflegeheim herum und produzieren nebenbei Geschäftsmodelle. Und damit Außerirdische später etwas über die heutige Zeit erfahren, richtet der letzte Spross einer Familie in seiner Wohnung ein Museum ein.