Sehenswerte Sammlung in spektakulärem Neubau
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Direkt neben Goethes Geburtshaus in Frankfurt am Main ist das weltweit erste Museum entstanden, das sich ganz der Romantik widmet. Das Haus überzeugt dabei sowohl architektonisch als auch mit einer sehenswerten Dauerausstellung.
Die blaue Blume der Romantik ist nicht zu übersehen. Im Falle des neuen Deutschen Romantik-Museums ist sie aufgegangen in einem blauen Erker, der aus der in braun und beige gehaltenen Fassade des neuen Museums in den Großen Hirschgraben hineinragt, in dem Goethe gleich nebenan aufgewachsen ist. Ein Satz von Clemens Brentano als Leitmotiv für moderne Architektur: "Das Romantische ist also ein Perspektiv oder vielmehr die Farbe des Glases".
Einzigartige Sammlung von Handschriften
"Warum nun ausgerechnet in Frankfurt ein deutsches Romantikmuseum?" Diese Frage stellte gleich zu Beginn des Presserundgangs durch das neue Museumsgebäude Anne Bohnenkamp-Renken, die Chef-Kuratorin des neuen Museums:
"Mit Recht kann man sagen: Ist nicht eher Jena, Heidelberg, Berlin und München geeignet? Gibt es nicht viele Orte in Deutschland, die wesentlich mehr mit der Romantik assoziiert werden? Das ist natürlich richtig. Aber hier in Frankfurt liegt diese einzigartige Sammlung. So etwas gibt es sonst nirgendwo, und wir haben hier Goethe, und unser Thema ist auch das enge Verhältnis zwischen Goethe und der Literatur, der Kunst und den Gedanken der Romantik."
Die Sammlung – das sind Handschriften von Clemens und Bettine Brentano, von Novalis und den Brüdern Schlegel. Aber auch Josef von Eichendorfs handschriftlicher Entwurf zum Gedicht "Wünschelrute" oder Kompositionsentwürfe von Robert Schumann.
Ausgeklügeltes Lichtsystem für empfindliche Exponate
Sie werden durch ein ausgeklügeltes Lichtsystem in Vitrinen so zugänglich gemacht, dass die empfindlichen Originale nicht leiden. "Das Haus darf überhaupt kein Licht haben", sagt Architekt Christoph Mäckler. "Alle Ausstellungsgegenstände sind absolut lichtempfindlich, und wir hätten eigentlich eine zubetonierte Fassade machen müssen. Wir mussten aber zur Straße hin, also zum Hirschgraben, eine Straßenfassade mit Fenstern machen. Das haben wir nur geschafft, indem wir das Haupttreppenhaus, die sogenannte 'Himmelstreppe', hinter die Fassade zum Hirschgraben gelegt haben. Damit konnten wir ganz viele Fenster einbauen."
Diese sogenannte "Himmelstreppe", die die lichtempfindlichen Originalschriften der Romantikerinnen und Romantiker abschirmt, ist ein eigenes Kunstwerk geworden. Wer sich an den Fuß der Treppe, an die mittelalterliche Brandmauer des benachbarten Goethe-Hauses stellt, glaubt, die Treppe sei unendlich. Doch das ist eine optische Täuschung.
"Das Treppenhaus ist ein Bauteil illusionärer Art. Es ist unten ganz breit und hoch und wird oben immer schmaler, jünger, kleiner und enger. Und die Eingänge werden immer enger, in die einzelnen Ebenen hinein. Es ist eine reine Illusion", erklärt Christoph Mäckler. "Sie stehen unten und glauben durch die Perspektive, die mit der Verjüngung entsteht, in einen unendlichen Raum zu schauen. Wenn sie dann nach oben gehen oder wenn oben nur jemand heraustritt aus dem dritten Obergeschoss, da merken sie: Hoppla, da ist irgendwas nicht richtig! Das ist ein Thema der Romantik, diese Illusion herzustellen, die sich dann irgendwann auflöst."
Klar gegliederte Dauerausstellung
Die Dauerausstellung ist über drei Etagen sehr klar gegliedert: Eine Etage ist für die Malerei reserviert. Die spektakuläre Sammlung der Trägerinstitution "Freies Deutsches Hochstift" beinhaltet sehr bekannte Werke wie Caspar David Friedrichs "Der Abendstern" oder Johann Heinrich Füsslis "Der Nachtmahr". Die zweite Etage ist den Handschriften gewidmet, während die oberste Etage die Frage entfaltet, inwieweit die Epoche der Romantik bis heute nachwirkt. Etwas überraschend steht dabei der Kölner Dom im Mittelpunkt.
"Friedrich Schlegel ist einer derjenigen gewesen, die in Köln mit dem Dom zu tun hatten und die sich vor allem mit dem Mittelalter beschäftigt haben", erklärt Wolfgang Bunzel, Leiter der Abteilung Romantik-Forschung im Freien Deutschen Hochstift: "Schlegel hatte Kontakt mit den Brüdern Boisserée, die über die finanziellen Mittel verfügten, um mittelalterliche Bilder aufzukaufen. So ist die Sammlung Boisserée entstanden, und interessanterweise gelang es den Boisserées dann auch, Goethe für dieses Projekt zu interessieren, was gar nicht so selbstverständlich ist."
Goethe sah in der unfertigen Architektur des Doms einen Spiegel des imaginären Mittelalters – ein romantisches Motiv. Goethes Verhältnis zur Romantik war allerdings nicht unkritisch – einiges sagte ihm zu, anderes lehnte er ab.
Romantik bis heute?
Das Team der Kuratorinnen und Kuratoren der liebevoll gestalteten Ausstellung im ebenso liebevoll konstruierten Mäckler-Bau sei sich übrigens bei der Frage nicht einig gewesen, ob die Epoche der Romantik bis heute reiche oder nicht, sagt Chef-Kuratorin Anne Bohnenkamp-Renken: "Das war für die Konstruktion der Ausstellung gut, dass wir immer gestritten haben und nicht von Anfang an einer Meinung waren. Meine These wäre, dass wir im Grunde immer noch in der Epoche leben, die mit der Romantik begonnen hat. Und dass unsere Fragen mit den Fragen der Romantiker eng verwandt sind."
Etwa die Frage nach dem Unsichtbaren und dem Indirekten. Oder auch die Erfahrung existentieller Enttäuschung. Mit den Worten von Novalis: "Wir suchen das Unbedingte und finden immer nur Dinge." Die Dinge aber, die man im neuen Deutschen Romantikmuseum findet, sind absolut sehenswert!