Auszeichnung

Ist das Deutsche Sportabzeichen ein Auslaufmodell?

07:19 Minuten
Das Deutsche Sportabzeichen als Anstecknadel
Das Deutsche Sportabzeichen gibt es seit 1912. © dpa / picture alliance / Kunz
Von Eduard Hoffmann |
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Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination: In diesen vier Disziplinen müssen Prüfungen bestanden werden, um die Auszeichnung zu bekommen. Doch ist das Deutsche Sportabzeichen eigentlich noch zeitgemäß?
Sportabzeichenfest in Köln: Beim Hochsprung liegt die Latte auf 1,40 Meter. Arno meistert die Höhe nahezu problemlos. Er hat einen Bürojob und möchte testen, wie fit er noch ist.
Ich bin jetzt 43 und mach‘s jetzt das erste Mal abseits der Schule.  Und ein Kollege hat mir das letztes Jahr erzählt, dass einmal im Jahr dieses Fest ist und es sehr unkompliziert ist, das abzulegen“, erklärt er.

Eine von fünf Disziplinen in jedem Bereich

Arno hat die ganze Familie mitgebracht. Es kommt auf Ausdauer, Schnelligkeit, Kraft und Koordination an. In jedem dieser Bereiche muss eine von fünf Diziplinen ausgewählt werden. Entweder Laufen Springen, Radfahren, Schwimmen oder Turnen – die Klassiker.
Um etwa die nötige Ausdauer nachzuweisen, besteht die Wahl zwischen einem 3.000- oder 10.000-Meter-Lauf, 7,5 Kilometer Walking, 800 Meter Schwimmen oder 20 Kilometer Radfahren.
Entsprechend der Altersgruppe sind für Bronze, Silber und Gold bestimmte Zeiten, Weiten und Höhen festgelegt. Auch die Schwimmfähigkeit muss nachgewiesen werden.
Die Anforderungen sind wissenschaftlich erarbeitet und vor zehn Jahren im Rahmen einer großen Reform des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) eingeführt worden. Unter anderem als Reaktion auf anhaltende Kritik, erklärt Alber Popova vom Landessportbund Nordrhein-Westfalen.

Und zwar, dass die Leistungsanforderungen willkürlich zustande gekommen sind über die Jahre, das ist heute definitiv nicht mehr so. Also man hat wirklich mit wissenschaftlichen Standards gearbeitet und ein sehr gutes Produkt zustande bekommen. Die Altersklassen waren auch relativ willkürlich geordnet. Auch das hat man mittlerweile geändert.

Alber Popova, Landessportbund Nordrhein-Westfalen

Die Reform sollte den 100 Jahre alten und etwas angestaubten Fitnessorden attraktiver machen und setzte auf mehr Leistungsanreize. Bis dahin entschied die Anzahl der abgelegten Prüfungen über Gold, Silber oder Bronze.
Seit 2013 ist in den verschiedenen Altersklassen einzig die erbrachte Leistung entscheidend. Beim 43-jährigen Arno etwa reichten die 1,40 Meter im Hochsprung für Gold.
An der Weitsprunggrube ist derweil Karl-Heinz Muhs als Prüfer eingeteilt. Die Altersspanne der Teilnehmenden sei recht groß, sagt der 62-Jährige. Ich hab heute Morgen die ersten Jungs gehabt, sechs und sieben Jahre alt. Die haben hier echt gerockt. Man sieht, die haben echt Spaß dran, Sport zu machen. Und das ist vom Alter her wirklich einmal bunt gemischt von sechs bis – ich glaube, die älteste Teilnehmerin war jetzt hier 70.”

Bewerbung bei der Feuerwehr erfordert das Abzeichen

Zur ausreichenden Vorbereitung, für das Üben und Trainieren der Teilnehmer*innen – wie eigentlich vorgesehen – fehle allerdings die Zeit.
Bei Feuerwehr und Zoll ist das Sportabzeichen ebenso Voraussetzung für eine Bewerbung. Eine Garantie dafür, dass jedes Jahr eine große Anzahl abgelegt wird. Auch die Schulen sind ein Garant. 2019, also vor Corona, wurden von insgesamt 800.000 Abzeichen alleine 600.000 an Kinder und Jugendliche verliehen.
Der DOSB verbreitet Optimismus und Zuversicht. Mischa Kläber, zuständig für das Fitness-Abzeichen, sprach kürzlich von “steigenden Abnahmezahlen” und “dass die DNA des Deutschen Sportabzeichen weiterhin funktioniert”.
Vergleicht man aber die Zahlen vor der Corona-Pandemie mit den heutigen, offenbart sich eine riesige Lücke. Den 800.000 Abzeichen von 2019 stehen 2022 nur knapp 490.000 gegenüber. Der erhoffte Reformschub ist ausgeblieben.

Fehlende Attraktiviät bei jüngeren Menschen

In Köln verzeichnet man ebenfalls rückläufige Zahlen. Das bestätigt Eike Weinberg vom Stadtsportbund, der das alljährliche Sportabzeichenfest veranstaltet: Ich glaube, es wurde vielleicht auch in den letzten Jahren ein bisschen wenig dafür getan. Die Vereine haben es immer mehr aus dem Angebot raus genommen. Zuständig für das Sportabzeichen ist ja der DOSB in Deutschland, und die haben es vielleicht auch ein bisschen verschlafen, den Geist der Zeit mitzunehmen." Sie ergänzt:

Wenn ich mir anschaue, das Programm, worüber wir Bünde die Sportabzeichen noch beurkunden, das ist, ich weiß nicht wie alt, und auch natürlich mit dieser Prüfkarte noch immer rumzulaufen, das ist schön und gut für viele, die was in den Händen haben wollen. Aber die heutige Generation, wenn man’s attraktiver machen will, die wollen so was auf das Smartphone haben, die möchten es auch abrufen können, die möchten es uns digital schicken. Gar kein Postverkehr, die möchten die Urkunde vielleicht digital bekommen. Das soll kommen 2024. Aber ja - das würde uns sehr freuen. Das würde auch sehr, sehr viel erleichtern. Und noch mal eine andere Zielgruppe ansprechen.

Es sei ein langwieriger und zäher Modernisierungsprozess. Immerhin: Das Thema Digitalisierung stehe ganz oben auf der DOSB-Agenda, sagt Mischa Kläber. Und die Ziele sind hochgesteckt: “Wir streben schon länger eine große Zahl an: eine Million abgelegte Sportabzeichen pro Jahr.”
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