Das "Rote Kreuz" für Kunstwerke
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat nun auch offiziell seine Arbeit aufgenommen. Rund 20 Mitarbeiter sollen klären, ob Kunstwerke ehemals von den Nazis geraubt wurden - und dafür sorgen, dass die rechtmäßigen Besitzer sie wiederbekommen.
Magdeburg, Humboldtstraße 12: So lautet die Adresse der neuen Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste. Sie residiert in einer Industriellen-Jugendstil-Villa, die einst dem Fliesenfabrikanten Paul und jetzt dem Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus gehört. Die Stiftung wurde in einer Rekordzeit von weniger als einem Jahr aufgebaut, sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters:
"Und zeigt, wie wichtig uns allen die Arbeit Provenienz-Recherche auch ist."
CDU-Mitglied Grütters ist die Stiftungsratsvorsitzende für die nächsten zwei Jahre, Stellvertreter ist Stephan Dorgerloh, der SPD-Kultusminister Sachsen-Anhalts. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ist die zentrale deutsche öffentliche Einrichtung des Bundes und aller Länder in Sachen Provenienz-Forschung.
"Wir haben aber die Mittel verdreifacht, von zwei auf sechs Millionen Euro bundesseitig. Weil wir auch wissen, dass es bundesseitig auch andere wichtige Aufgaben zu erledigen gibt, an die bisher nicht systematisch herangegangen wurde. Und es steht im Koalitionsvertrag, dass wir uns auch der Kulturgutverluste, die durch SBZ und DDR später geschehen sind, widmen müssen."
Auch private Besitzer sollen ihre Sammlungen erforschen lassen
Mit der Aufstockung der Bundes-Mittel – 600.000 Euro kommen von den Ländern – wolle man auch vermehrt private Besitzer von zweifelhaften Kunstwerken ansprechen, damit sie ihre Sammlungen erforschen lassen, ergänzt noch Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Bislang – so Grütters weiter – seien die Kapazitäten dafür nicht ausreichend gewesen.
Die in Magdeburg beheimatete Stiftung – mit etwa 20 Mitarbeitern – ist eine Art, wenn man es etwas salopp bezeichnen will, Rot-Kreuz-Suchdienst für Kunstwerke. Deren Haupt-Aufgabe wird aber weiterhin sein, die unzähligen Kunstwerke zu dokumentieren, die während des Nationalsozialismus – ob nun aus öffentlichen Einrichtungen oder privater Hand – verschleppt wurden und verschollen sind.
Priorität des Zentrums bleibt die Provenienz-Forschung
Ziel sei es, die Kunstwerke am Ende des Tages wieder seinem rechtmäßigen Besitzer zukommen zu lassen, unterstreicht Uwe Schneede. Der frühere Direktor der Hamburger Kunsthalle ist der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende des neuen Magdeburger Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.
"Die Priorität des Zentrums bleibt die Provenienz-Forschung, was NS-Raubgut angeht. Bei denen wir ja von Opfern und Opferfamilien sprechen, denen wir durch gerechte und faire Lösungen jedenfalls späte, aber faire Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen. Diese Tätigkeit bleibt die absolute Priorität unserer Tätigkeit."
Das Zentrum ist die zweite große Bundesstiftung in Sachsen-Anhalt
CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff ist der Stolz in die Augen geschrieben, dass nach der Bundeskulturstiftung in Halle nun mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste die zweite große Bundesstiftung nach Sachsen-Anhalt kommt.
"Ich sage Dankeschön, dass der Standort Magdeburg gewählt wurde. Weil damit auch der Nachweis geführt wird, dass der Einigungsvertrag immer noch mit Leben gefüllt wird. Wir kennen die alten Forderungen, dass mit der Wiedervereinigung in die neuen Bundesländer hinein neu zu gründende Bundeseinrichtungen platziert werden sollten. Das ist noch entwicklungsfähig, aber nicht was Ihr Haus anbelangt ..."
...sagt Haseloff in Richtung Monika Grütters, der Staatsministerin für Kultur und Medien.
Neben dem hauptamtlichen Vorstandvorsitzenden, dem früheren Thüringer Staatsekretär Rüdiger Hütte, wurde heute auch das 11-köpfige wissenschaftliche Kuratorium als Beratungsgremium berufen. Darunter ist die Holländerin Evelien Campfens vom Niederländischen Restitutionskomitee. Aber auch Ute Haug, die vielleicht renommierteste Provenienz-Forscherin Deutschlands, sowie Rüdiger Mahlo als Repräsentant der Jewish Claims Conference.
Aktuell sind 150.000 Kunstwerke im Online-Archiv verzeichnet
Als Mitunterzeichner der Washingtoner Erklärung hat Deutschland 1998 explizit die Selbstverpflichtung formuliert, eine gerechte und faire Lösung für diejenigen zu finden, denen während der Zeit des Nationalsozialismus Kunst entzogen wurde. Aktuell sind etwa 150.000 Einzelobjekte im Magdeburger Online Archiv verzeichnet, darunter 499 Werke aus dem Schwabinger Kunstfund, der Sammlung Gurlitt, die in einem speziellen Eintrag zu sehen sind.