500 Jahre Bauernkrieg
Anfang vom Ende: Herzog Ulrich schlägt die Bauern bei Balingen im März 1525 © IMAGO / H.Tschanz-Hofmann
Fünf Dinge, die sie zum Bauernkrieg wissen müssen

Ein Drama, das bis heute nachwirkt: vor 500 Jahren proklamieren Bauern in Süddeutschland mehr Freiheit und Mitsprache. Die Aufständischen treten mit Mistgabeln gegen Kanonen an. Martin Luther schlägt sich auf die Seite des Adels. Es endet in einem Blutbad.
Heute ist Freiheit in Deutschland im Grundgesetz verankert, von den meisten wird sie als Selbstverständlichkeit gesehen. Im Jahr 1525 blüht die Idee von mehr Freiheit nur ein paar Monate. Schon zuvor hatten sich, ermutigt von den umwälzenden Gedanken der Reformation, einzelne Gruppen von Bauern in Mittel- und Süddeutschland erhoben - gegen die Ausbeutung durch Adel und Kirche.
Sie überfallen Klöster und Städte und schrecken vor Gewalt nicht zurück. Den einfachen Männern gelingt jedoch auch Unerhörtes: sie formulieren Forderungen, denen Gedanken von Freiheits- und Menschenrechten zugrunde liegen. Stoff für eine Revolution, doch das Vorhaben scheitert weitgehend.
Die Rache der Obrigkeit ist fürchterlich. Die aufständischen Bauern werden an verschiedenen Orten „niedergemacht“. Die Zahl der Todesopfer wird auf 70.000 bis 100.000 geschätzt. Die Sieger bestimmen die Geschichtsschreibung und stempeln die Bauern mit den Worten Martin Luthers als „mordende und plündernde Horden“ ab – kaum ein Wort zu deren Zielen. Auf Freiheit müssen die Deutschen danach lange warten.
Inhalt
1. Bauernkrieg – Lehren für heute
Oxford-Historikerin Lyndal Roper ist überzeugt: Herausforderungen, die die Bauern damals bewegten, sind noch heute aktuell. Dazu zählt sie die Frage, wie man die Ressourcen der Erde zum Nutzen aller schützt – eine ökologische Dimension, eng verknüpft mit dem damals tiefen Glauben an „Gottes Schöpfung“.
Abgeleitet aus dem Evangelium forderten die Bauern außerdem mehr Gleichheit und Mitbestimmung. Vieles davon ist heute selbstverständlich.
Und zu guter Letzt geht es um den großen Begriff der Freiheit. Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau sprach im Jahr 2000 über die Bauernkriege und zog daraus unter anderem die Lehre, dass Freiheit „ersehnt, erkämpft und verteidigt“ werden müsse. Dabei komme es stets auf jeden Einzelnen an.
2. Zwölf Artikel von Memmingen – Revolutionärer Ruf nach Freiheit
Das zentrale Manifest des Bauernkrieges entsteht im März 1525. Etwa 50 Vertreter der Bauerngruppen aus Oberschwaben kommen in Memmingen zusammen, um über gemeinsame Forderungen zu verhandeln. Sie bringen die zwölf Artikel der Bauernschaft zu Papier.
Nach der Magna Charta ist es das erste schriftliche Dokument in der Geschichte Europas, dem Überlegungen von Menschen- und Freiheitsrechten zugrunde liegen. Alle Männer seien frei und niemandem leibeigen fordern die Bauern, jede Gemeinde soll sich ihren Pfarrer selbst aussuchen dürfen und die Steuern seien auf ein erträgliches Maß zu senken. Willkürliche Strafen lehnen die Verfasser ab, außerdem müsse Gemeingut, wie Wiesen und Wälder eines Ortes, wieder gemeinsam bewirtschaftet werden.
Die weltlichen Forderungen sind gleichzeitig ein theologisches Dokument, denn alle Artikel sind mit Verweisen auf das Neue Testament belegt. Die Gedanken der Reformation haben die Bauernschaft zu ihrem Widerstand gebracht. Nach ihrem Verständnis wollen sie keine grundstürzende Revolution, sondern die „Auswüchse“ der Drei-Stände-Gesellschaft zurückdrehen.
3. Vom Aufstand zum Bauernkrieg – die Rolle des Buchdrucks
In Windeseile verbreiten sich die zwölf Artikel im Land. In wenigen Wochen werden an die 25.000 Flugschriften produziert und von Boten verteilt. Sie sind das meistgedruckte Werk der frühen Reformation, erklärt Thomas Kaufmann, Kirchenhistoriker und wissenschaftlicher Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen.
Er sieht im Bauernkrieg deshalb auch ein Medienereignis. Kleinere, regionale Bauernaufstände hatte es schon zuvor gegeben. Durch die Flugschriften mit einem gemeinsamen Programm wird jedoch aus einzelnen Widerstandsgruppen, sogenannten „Bauernhaufen“, eine Massenbewegung.
4. Ermunterung und Ablehnung – die Rolle der Reformatoren
Zündfunke für die Erhebung der Bauern ist auch die Reformation. Wenige Jahre zuvor hatte Martin Luther seine Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ veröffentlicht, die unter anderem die Herrschaftsordnung radikal in Frage stellt. Für Kirchenhistoriker Kaufmann ist der Bauernkrieg dementsprechend Teil des Prozesses der Reformation. Die Aufstände haben immer eine religiöse Dimension. Historikerin Roper spricht von einer „bäuerlichen Theologie“– die allerdings von bekannten Reformatoren höchst unterschiedlich bewertet wird.
Thomas Müntzer, Prediger und zunächst Luther-Anhänger, entwickelt sich zum radikalen Bauern-Anführer im thüringischen Mühlhausen. „Dran, dran, weil das Feuer heiß ist. Lasst euer Schwert nicht kalt werden von Blut“, schreibt er in einem Brief nach Allstedt Ende April 1525. Reformationsexperte Kaufmann sieht in ihm einen „krassen religiösen Fanatiker“, der Gewalt als legitimes Mittel propagierte.
Luther unterstützt zunächst einige Forderungen der Bauern, setzt sich aber für Verhandlungen ein. Als die Gewalt eskaliert, werden er und seine Lehre dafür verantwortlich gemacht. Luther grenzt sich scharf ab, will seine Botschaft als rein geistlich verstanden wissen und fordert von der Obrigkeit, die Bauern zu bekämpfen: „Drum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, dass nichts giftigeres, schädlicheres, teuflischeres sein kann denn ein aufrührerischer Mensch.“
5. Vereinnahmung der Geschichte – Deutung des Bauernkriegs
Der Bauernkrieg war die größte Volkserhebung vor der französischen Revolution. Als solche wurde sie später von verschiedenen Seiten vereinnahmt. Friedrich Engels, Mitbegründer des Marxismus, sah im Bauernkrieg Elemente einer frühbürgerlichen Revolution. Die Nationalsozialisten hoben den Kampfesmut hervor und benannten eine SS-Division nach Bauernführer Florian Geyer. Das an dessen Taten erinnernde Lied „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“ gehörte zum festen Repertoire der SS.
Auf dem Gebiet der DDR machte sich die SED die Geschehnisse aus der frühen Neuzeit zunutze. Der Bauernkrieg war für sie eine Etappe auf dem Weg in eine klassenlose Gesellschaft. Thomas Müntzer wurde zum sozialistischen Helden aufgebaut.
Und heute? Noch immer nehmen Protestbewegungen Bezug auf die Geschehnisse von 1525 – nicht zuletzt die Bauern, bei ihren Protesten Anfang 2024.
jk