Deutschland in engeren Grenzen

Von Georg Gruber |
Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands 1945 trafen sich die Siegermächte im Potsdamer Schloss Cecilienhof, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Auf der so genannten Potsdamer Konferenz fixierten Truman, Churchill und Stalin die Teilung Deutschlands und die Grundlagen für die Nachkriegsordnung.
Truman- (9.8.1945): "I have just returned from Berlin, the city form which the germans intended to rule the world. It is a ghost city…"
"Its buildings are in ruins, its economy and its people are in ruins."

Der amerikanische Präsident Harry S. Truman am 9. August 1945. Zurück von der letzten großen Konferenz der siegreichen Anti-Hitler-Kriegskoalition, der Großen Drei USA, Großbritannien und Sowjetunion.

Truman: "War has indeed come home to germany and to the german people."

Der Krieg war nach Deutschland gekommen, wo alles begonnen hatte.

Führung Schloss Cecilienhof: "Wir sind sozusagen im sowjetischen Sektor des Hauses."

Hanna Grisebach (Potsdamer Tagebuch): "Ende Juni erreicht uns das Gerücht, dass die Konferenz der Großen Drei in Potsdam, und zwar in dem uns dicht benachbarten Schlosse Cecilienhof, dem früheren Wohnsitz des Kronprinzen stattfinden soll."

Führung Schloss Cecilienhof: "Hier im Ostflügel befanden sich die Räume der sowjetischen Delegation, die Briten, die Amerikaner bekamen ihre Räume hinter dem Konferenzraum, also im Westflügel des Hauses.
Hier vielleicht ganz interessant, durch diese Tür betrat Stalin das Haus, Churchill kam durch den großen Mittelhof und Truman kam durch den heutigen Hoteleingang, also aus Sicherheitsgründen kamen sie alle separat rein."

Potsdam, Schloss Cecilienhof: Führung durch den Tagungsort der Potsdamer Konferenz.

Hanna Grisebach (Potsdamer Tagebuch): "Unsere Bewegungsfreiheit ist nun in den folgenden Wochen sehr eingeschränkt. (…) Die neue Königinstraße ist leergefegt von Deutschen, aber dafür voller russischer Autos. Die Bauerntrecks aus Schlesien und dem Osten sind gezwungen, große Umwege zu machen."

Manfred Görtemaker: "Zwischen 1945 und 1990 hat die Potsdamer Konferenz tatsächlich eine sehr große Bedeutung gehabt, weil sie im Grunde die Nachkriegsordnung fixiert hat."

Prof. Manfred Görtemaker, Historiker an der Universität Potsdam,

Görtemaker: "es gab den Ostwestkonflikt, den Kalten Krieg, die Entspannungspolitik, aber es gab keine grundlegende Veränderung der Ordnung mehr, wie sie in Potsdam vereinbart worden ist."

Die Konferenz von Potsdam war die dritte große Konferenz der Anti-Hitler-Koalition nach Teheran 1943 und Jalta im Februar 1945. Der Krieg war beendet, zumindest in Europa.

Mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai hatten die Siegermächte ihr gemeinsames Ziel erreicht.

Seit dem Frühjahr 1943 liefen bereits die Planungen für die Zeit nach einer Kapitulation. Schon früh stand fest, dass Deutschland von alliierten Truppen besetzt werden sollte. Im Oktober 1943 einigten sich die Außenminister der USA, der Sowjetunion und Großbritanniens auf die Grundzüge der Deutschlandpolitik: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung. Eine interalliierte Kontrollkommission sollte die Regierungsgewalt übernehmen. Kriegsverbrecher sollten vor Gericht gestellt werden.

Gemeinsame Erklärung Stalin, Churchill, Roosevelt (1.11.43): "Mögen sich diejenigen, die ihre Hand bisher nicht mit unschuldigem Blut besudelt haben, davor hüten, sich den Reihen der Schuldigen beizugesellen, denn mit aller Sicherheit werden die drei alliierten Mächte sie bis an die äußersten Enden der Welt verfolgen und sie ihren Anklägern ausliefern, damit Gerechtigkeit geschehe."

In Teheran, wo Roosevelt, Churchill und Stalin Ende 1943 das erste Mal gemeinsam am Konferenztisch saßen, wurde auch über weitergehende Teilungspläne gesprochen: Churchill favorisierte eine bayerisch-österreichisch-ungarische Föderation und die Abtrennung Preußens vom übrigen Deutschland. Und es wurde über Polen gesprochen, über eine Westverschiebung, wobei Polen durch deutsche Abtretungen für Gebietsverluste im Osten entschädigt werden sollte.

1944: Der Morgenthauplan war der radikalste Entwurf für einen Umbau Deutschlands mit dem Ziel, dass von deutschem Boden nie mehr eine Gefahr für den Weltfrieden ausgehen sollte:

Benz: "Vollständige Entmilitarisierung, Abtrennung der Ostgebiete und der Saar, Rheingrenze, Aufteilung Deutschlands in zwei unabhängige Staaten, Entindustrialisierung, Kontrolle der Wirtschaft, politische Dezentralisation."

Im Herbst 1944 wurde der Plan allerdings schon zu den Akten gelegt. Im Februar 1945 folgte die Konferenz der Alliierten in Jalta. Kurz vor Kriegsende wurden die Differenzen deutlich: Stalin ging es vor allem darum, dass die Westmächte Ost- und Südosteuropa als sowjetische Interessensphäre anerkannten - zum Missfallen Churchills. Außerdem wollte Stalin die Reparationssumme festlegen, die Deutschland zu leisten habe: 20 Milliarden Dollar. Damit konnte er sich aber noch nicht durchsetzen, obwohl US-Präsident Roosevelt auf Kooperation setzte. In Jalta wurde die Westverschiebung Polens bestätigt, ohne allerdings schon die Grenzen im Westen genau festzulegen. In einer "Deklaration über das befreite Europa" werden den osteuropäischen Staaten freie Wahlen zugesichert – nur Stalin hält sich nicht daran. Professor Manfred Görtemaker:

Görtemaker: "Und das ist dann schließlich für Churchill der Beweis dafür, dass es eine Sowjetisierung der osteuropäischen Territorien durch Stalin geben wird. Und genau das passiert und insofern steht die Potsdamer Konferenz dann unter völlig neuen Vorzeichen, es ist klar, dass in dem Maße, in dem die sowjetische Armee vorrückt, diese Gebiete sowjetisiert werden, und dass man jetzt Regelungen finden muss, die dann für den Rest Europas, für das westliche Europa, eine vernünftige Entwicklung zulassen."

Churchill (6.5.1945): "Es will mir scheinen, dass wir die Dinge auf schriftlichem Wege nicht weiter fördern können und die drei Regierungschefs so bald wie möglich persönlich zusammen kommen müssen."

Winston Churchill an Harry S. Truman, den Nachfolger des im April verstorbenen amerikanischen Präsidenten Roosevelt, am 6. Mai 1945.

Churchill: "Bis dahin sollten wir beharrlich festhalten an den Positionen, die unsere Armeen in Jugoslawien, in Österreich, in der Tschechoslowakei, an der zentralen Hauptfront der Vereinigten Staaten und an der britischen Front bis hinauf nach Lübeck, Dänemark eingeschlossen, erreichten oder zu erreichen im Begriff sind."

Churchill schlägt Jena für ein Treffen der Großen Drei vor, man einigt sich schließlich auf Potsdam:

Führung Schloss Cecilienhof: "Das Haus wurde zwischen 1913 und 1917 gebaut und es ist das letzte Schloss der kaiserlichen Familie in Potsdam, das modernste, unterkellert, mit Zentralheizung, mit elektrischem Licht, mit Badezimmern, Telefonanlage, ein Wohnschloss mit 176 Räumen und hier lebte der älteste Sohn vom letzten deutschen Kaiser, der Kronprinz Wilhelm von Preußen, zu Ehren der Kronprinzessin Cecilie wurde das Haus Cecilienhof genannt. "

Anfang Juni stehen Ort und Termin für die neue Konferenz fest. Code-Name: Terminal. Gastgeber ist Stalin. Frankreich wird nicht eingeladen.

Führung Schloss Cecilienhof: "Bestimmt spielte eine große Rolle die Lage des Schlosses, nicht sehr weit von Berlin, ziemlich weit vom Stadtzentrum, das zerstört war, der große Park, das viele Wasser, man konnte die Konferenz gut absichern. "

Grisebach (Potsdamer Tagebuch): "Niemand von der Bevölkerung darf sich mehr an oder auf dem Wasser aufhalten. Dagegen reiten die Russen ihre Pferde zur Schwemme am Havelufer, nackt auf den ungesattelten Rücken der Tiere und wie in mythischer Vorzeit mit ihnen verwachsen scheinend."

Führung Schloss Cecilienhof: "Vielleicht spielte es auch eine symbolische Rolle, dass dieses Haus dem letzten Kronprinzen gehörte oder in Potsdam auch Hitler hier empfangen worden ist bei den Kronprinzen oder auch Garnisonkirche, wo Hitler den ersten Reichstag eröffnete im März 33.
Das wichtigste wahrscheinlich: dass es gut abzusichern war, und nicht zerstört war und gut zu erreichen."

3. Juli 1945, Brief von Harry S. Truman an seine Mutter und seine Schwester:

Brief Truman (3.7.1943): "Ich bereite mich vor, Stalin und Churchill zu treffen, und das verursacht allerhand Umstände. (…) Meine Aktenmappe ist voll mit Unterlagen über die früheren Konferenzen und Verhaltensvorschriften für mein Tun und Reden. Ich würde lieber nicht gehen, aber ich muss; ein Zurück gibt es nicht mehr."
Truman war ein Neuling in der internationalen Politik. Ein Pragmatiker. Als er Washington verließ, ging es ihm nicht nur um die Neuordnung Europas, sondern vor allem um eine Zusage der Sowjetunion zum Kriegsantritt gegen Japan. Denn im Pazifik war der Krieg noch nicht zu Ende, amerikanische Militärs rechneten mit eigenen Verlusten von mindestens 500.000 Soldaten.

Görtemaker: "Truman ist eben derjenige, der klare und auch nachvollziehbare Beschlüsse sucht und nicht in irgendwelchen Wolkenkuckucksheimen schwebt, wie das vorher bei Roosevelt gewesen war. Truman verhält sich mehr wie ein Pokerspieler, der auf seinen klaren Gewinn aus ist, auf klare Verhältnisse abzielt und völlig frei ist von Visionen, die Roosevelt gewählt hatte."

Churchill, der britische Premier, warnt vor zu vielen Zugeständnissen gegenüber den erstarkenden Sowjets, er war deswegen auch schon in Jalta von seinen Teilungsplänen wieder abgekommen, um Deutschland als mögliches Gegengewicht nicht zu sehr zu schwächen.
Stalin scheint auf dem Höhepunkt seiner Macht, der Krieg gewonnen, die Einflusssphäre ausgebaut bis in die Mitte Europas.

Görtemaker: "Churchill ist frustriert, und auch jemand, der nüchtern erkennt, genauso wie Truman, dass mit dieser Sowjetunion unter Stalin natürlich weiter gehende Kompromisse nicht möglich sind. Da kann man im Grunde nur einen Waffenstillstand vereinbaren, eine Festschreibung des Status quo vollziehen und nichts anderes ist passiert."

Führung Schloss Cecilienhof: " Ja, jetzt kommt der Konferenzraum, das war dann früher die Wohnhalle des Schlosses, der größte Raum, der repräsentativste im Schloss, zwölf Meter hoch mit Eichenholz getäfelt und während der Konferenz eben der Plenarsaal, am runden Tisch traf man sich zu den Sitzungen, der Tisch kommt übrigens aus Moskau, wurde in Moskau angefertigt nach Potsdam gebracht."

Churchill und Truman treffen am 15. Juli in Deutschland ein, Stalin verspätet sich, so dass Churchill und Truman am 16. Juli Gelegenheit haben für einen Ausflug im offenen Wagen - in das zerstörte Berlin.

Truman: "Noch deprimierender als der Anblick der zerstörten Gebäude,"
schreibt Truman in seinen Memoiren,

"wirkte jedoch die nie endende Kette von alten Männern, Frauen und Kindern, die ziellos auf der Autobahn und den Landstraßen einherwanderten und den Rest ihrer Habe vor sich herschoben oder nachschleppten. In dieser zweistündigen Fahrt wurde ich Zeuge einer große Welttragödie, und ich war aus tiefstem Herzen dankbar, dass meinem Land diese unvorstellbare Zerstörung erspart geblieben war."

Niederschrift der sowjetischen Delegation, Erste Sitzung, 17. Juli 1945

Churchill: "Wer soll auf unserer Konferenz den Vorsitz führen?"

Stalin: "Ich schlage den Präsidenten der USA, Truman, vor."

Churchill: "Die englische Delegation unterstützt diesen Vorschlag."

Truman übernimmt den Vorsitz der Potsdamer Konferenz.

Führung Schloss Cecilienhof: "Die drei Flaggen zeigen in die Richtung, wo man saß, auf dem großen bequemen Armlehnstuhl jeweils der Chef der Delegation, in der Mitte Truman, im großen Stuhl rechts Stalin und links Churchill, später Clement Attlee, die Sitzordnung war immer gleich, überhaupt lief hier alles streng nach Protokoll, rechts vom Regierungschef saß der Außenminister, weiter sein Stellvertreter, links ein Dolmetscher, daneben ein Botschafter, also immer fünf Vertreter einer Delegation in der ersten Reihe, dann gab es eine zweite, die bildeten diese Stühle, die sie heute an den Wänden sehen, und da saßen sehr viele militärische Berater drauf."

Vormittags bereiten die Außenminister die Plenarsitzungen vor, die nachmittags und abends stattfinden.
Görtemaker: "Die Verhandlungen waren insgesamt sehr zäh, aber schon im Vorfeld der Konferenz, man war sich einig in der Tat über sehr allgemeine Formulierungen, wie man Deutschland behandeln sollte: demokratisieren, entnazifizieren, entmilitarisieren und natürlich auch entflechten, was die Wirtschaft anbetraf, aber das war so allgemein gehalten, dass daraus eigentlich jeder machen konnte, was er wollte."

Trotz der Spannungen und Differenzen wahrt man die Fassade, lädt zu Empfängen, gibt Konzerte in den Villen in Babelsberg.

Man einigt sich auf die Errichtung eines Rates der Außenminister, diskutiert über die Verteilung der deutschen Kriegs- und Handelsflotte. Die entscheidenden Knackpunkte sind aber die Frage der Reparationen und die polnische Westgrenze, die fast in allen Sitzungen mehr oder weniger ausführlich zur Sprache kommt.

Churchill widersetzt sich der Forderung Stalins, die Oder-Neiße-Grenze zu billigen. Auch nach der Behauptung Stalins, in den deutschen Ostgebieten gebe es schon jetzt keine Deutschen mehr. Eine polnische Delegation wird gehört, ihr kommt allerdings nicht mehr als die Rolle von Statisten in diesem Machtpoker zu. Die Umsiedlung und Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten und aus der Tschechoslowakei, die schon in vollem Gange ist, wird von den Alliierten nicht prinzipiell in Frage gestellt. Der Historiker Jürgen Danyel:

Jürgen Danyel: "Die Alliierten standen unter dem Problemdruck, dieses Feld zu verhandeln und mit praktischen Maßnahmen zu unterstützen, da die Aufnahmekapazitäten in den Besatzungszonen sehr erschöpft waren, die Flüchtlingswelle zu großen sozialen Problemen geführt hat, die Versorgungssituation war katastrophal und das alles hat sich zu einem Problembündel kumuliert, das in Potsdam während der Tagung einfach nicht ignoriert werden konnte."

In dem Abschlussdokument heißt es dann schließlich:

Potsdamer Abkommen XIII: "Die drei Regierungen (…) erkennen an, dass die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muss. Sie stimmen darin überein, dass jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise erfolgen soll."

Danyel: "Und insofern ist die Potsdamer Konferenz in der Erinnerung, in der späteren Zeit zu einer Art Symbol dafür geworden, dass versucht wurde, den Prozess von Flucht und Vertreibung zu regulieren und zu steuern, gleichzeitig wurde er in den ost-mitteleuropäischen Nachbarländern auch aufgeladen, quasi als eine Art Legitimation für den gesamten Prozess der Vertreibung, was bei genauerem Hinsehen so nicht zu halten ist."

In die Tage der Potsdamer Konferenz fällt auch ein Ereignis, das im August 1945 den Krieg gegen Japan entscheidet und dem amerikanischen Präsidenten ein ganz anderes Auftreten gegenüber Stalin erlaubt: der erste erfolgreiche amerikanische Atombombentest am 16. Juli. Was Truman und Churchill nicht wissen: Für Stalin ist die Nachricht von der Bombe keine Neuigkeit. Das nukleare Wettrüsten ist schon im Gange.

Am 25. Juli muss die Konferenz unterbrochen werden. In Großbritannien wird das Unterhaus neu gewählt. Das Ergebnis ist eine Sensation: Churchill wird abgewählt, er kehrt nicht an den Verhandlungstisch zurück. Sein Nachfolger Clement Attlee von der Labour Party reist nach Potsdam, hat aber im weiteren Verlauf wenig zu melden. Denn Stalin und Truman haben sich in Abwesenheit der britischen Delegation schon auf eine Paketlösung geeinigt: Sie haben die Regelung zur Westgrenze Polens mit der Reparationsfrage verknüpft. Ein Wendepunkt der Konferenz, mit weit reichenden Konsequenzen. Der Historiker Manfred Görtemaker:

Görtemaker: "Im Prinzip ist das eine saubere Lösung: Anerkennung der Westgrenze Polens entlang der Oder und westlichen Neiße, dafür die Regelung: jeder entnimmt Reparationen aus seiner Zone. Das ließ den Amerikanern die Möglichkeit, wie auch den Briten, ihre eigenen Zonen zu stabilisieren, wirtschaftlich zu stabilisieren, sie waren also an die Reparationsforderungen der Russen nicht mehr gebunden."

Die Sowjets werden sich in großem Umfang in ihrer eigenen Zone bedienen. Im Gegensatz zu den USA, die an Reparationen kein Interesse haben - eine Lehre aus dem Ersten Weltkrieg und Versailles, denn die hohen Reparationen waren einer der Hauptgründe für die Instabilität der Weimarer Republik

Görtemaker: "Um das zu vermeiden, war für die USA diese Reparationsfrage, der Paketkompromiss, ungeheuer wichtig. Und für mich ist das immer der Beweis, dass die Potsdamer Konferenz tatsächlich eine Status-quo-Konferenz war, dass man die Grenzen festschrieb, wie sie tatsächlich auch waren, und dass dann beide Seiten daran gehen konnten, ihre Einflussgebiete zu konsolidieren und so zu entwickeln, wie sie es für richtig hielten."

Grisebach (Potsdamer Tagebuch): "Inzwischen war Ende Juli herangekommen. Allmählich spüren wir unser Gefangenenlos als bedrückend und sehnen das Ende der Konferenz herbei. Das ständige 'Dwai-Dwai' oder 'zuhrick' und 'Na Haus!' der Posten wird uns lästig. Endlich, am 2. August, hören wir Flugzeuge über uns hinwegdröhnen, und es geht das Gerücht, dass in ihnen Truman und Attlee, der Churchill bei der Konferenz ablöste, zurückfliegen."

Am Ende unterzeichneten die drei Regierungschefs das Potsdamer Abkommen – ein Dokument mit vagen Absichtserklärungen und Kompromissformeln. Mehr war angesichts der aufbrechenden Gegensätze unter den Alliierten nicht erreichbar. Deutschland, so wurde vereinbart, sollte als wirtschaftliche Einheit behandelt werden – auch das nur eine vage Absichtserklärung. Entscheidend war, dass in der Reparationsfrage jede Besatzungsmacht nach eigenen Vorstellungen in der eigenen Zone verfahren konnte: In dieser Regelung lag der Keim zur Spaltung Deutschlands.

Ähnlich die Regelung zur Oder-Neiße-Linie. Das Potsdamer Abkommen markierte sie als deutsche Ostgrenze – mit dem Zusatz, dass die endgültige Regelung einem Friedensvertrag vorbehalten bleibe. Faktisch sollte sich diese Festlegung als endgültig erweisen, da es im heraufziehenden Kalten Krieg nicht mehr zum Abschluss eines Friedensvertrages kam. Der Historiker Wolfgang Benz vergleicht das Potsdamer Abkommen von 1945 mit dem Friedensvertrag von Versailles 1919:

Benz: "Potsdam hatte mit Versailles auch einiges gemeinsam, nicht zuletzt die Tatsache, dass die Sieger sich zerstritten. Die Dimensionen waren aber 1945 anders als 1919. Zur Teilung der Beute waren die Großmächte in Potsdam zusammengekommen, als sie auseinander gingen, hatten sie nicht nur Deutschland, sondern auch Europa und die Welt geteilt."

Auf eine erstaunliche Weise wirkte das Potsdamer Abkommen friedenstiftend in Mitteleuropa. Jahrzehntelang war die Frage der deutschen Ostgrenze nicht endgültig geklärt. Als der Kalte Krieg schließlich 1990 überwunden war, erkannte die Regierung des wiedervereinigten Deutschland die Regelung des Potsdamer Abkommens zur deutsch-polnischen Grenze an. 45 Jahre nach Kriegsende hatte auch die CDU-geführte Bundesregierung keine andere Wahl – obwohl die CDU immer gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gekämpft hatte. Nun zeigte sich: 1990 war die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze in Deutschland politisch und psychologisch durchsetzbar. In den 50er Jahren hätte das zu einem Aufruhr geführt, der vielleicht das politische System der Bundesrepublik bedroht hätte. Das war der große Vorteil der vorläufigen Regelung im Potsdamer Abkommen: Sie ließ den Deutschen Zeit, sich an die bittere Konsequenz des verlorenen Krieges zu gewöhnen.
Wie sehr dies nötig war, zeigen zahllose Reden westdeutscher Politiker in den 40er und 50er Jahren.

Kurt Schumacher: "Das Dritte Reich hat auch das politische Erkenntnisvermögen anderer Völker sehr getrübt (Beifall)"

Kurt Schumacher, SPD, im August 1947 auf einer Kundgebung in Berlin

Schumacher: "(Beifall) Wir brauchen uns bloß an die fatalen Tage des Potsdamer Abkommens zu erinnern. Wir brauchen uns bloß ins Gedächtnis zurückzurufen, was im Potsdamer Abkommen alles steht, kein Mensch damals, weder im deutschen Volk noch in der Welt hat angenommen, dass das deutsche Volk vor die Schicksalsfrage gestellt wird, wie kann ich meine Einheit als Volk bewahren!"

Abgesehen von der KPD wurde das Potsdamer Abkommen im Westen Deutschlands quer durch alle Parteien abgelehnt. Vor allem wegen der faktischen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Konrad Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung 1949:

Konrad Adenauer (20.9.1949): "Wir werden nicht aufhören, in einem geordneten Rechtsgang unsere Ansprüche auf diese Gebiete weiter zu verfolgen. (Zuruf: Sudetendeutschland nicht vergessen!) Ich weise darauf hin, dass die Austreibung der Vertriebenen im vollen Gegensatz der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens vorgenommen worden ist."

Was nicht ganz stimmte, denn die Umsiedlungen – Bevölkerungstransfers - waren im Potsdamer Abkommen festgelegt worden.
Unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht erkannte die DDR-Führung schon im September 1949, vor der formellen Staatsgründung, die Oder-Neiße-Grenze an, während die Bundesregierung in Bonn dies ablehnte. Prof. Jost Dülffer von der Universität Köln:

Jost Dülffer: "Die Deutschen, das heißt die Westdeutschen, hatten das Problem mit den Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen, und denen konnte und wollte man nicht sagen, weder eine CDU unter Adenauer, noch eine FDP, noch die Sozialdemokraten: das ist ein für alle mal weg. Da wurde dieser Strohhalm von Potsdam, das heißt in einem Friedensvertrag wird erst darüber entschieden, dieser Strohhalm wurde dazu: 'das kommt dann auch, das wird dann revidiert, ihr könnt dann wieder zurück'. Die Rechtsposition diente zur inneren Integration der Bundesrepublik."

Jahrzehntelang hatten die Deutschen in der Vorstellung gelebt, sie seien ein "Volk ohne Raum". Hitler hatte den Krieg, um "Lebensraum im Osten" zu erobern. Nun war das Ergebnis dieses Krieges, dass die Deutschen zusammen mit Millionen Flüchtlinge auf viel engerem Raum leben mussten als vor 1939. Das Erstaunliche war: es ging! Prof. Manfred Görtemaker:

Görtemaker: "1945 ist diese Katastrophe so tief, dass es eigentlich eine Erfahrung ist, dass diese Expansion so nicht mehr fortgesetzt werden kann, man kann es auch etwas banaler formulieren: Deutschland brauchte einen zweiten Weltkrieg um zu begreifen, dass es den ersten verloren hatte. Aber diese Einsicht ist letztlich gekommen und nach 1945 war Deutschland nicht mehr aggressiv."

Das so genannte "Volk ohne Raum" überlebte auch in viel engeren Grenzen und strafte so die nationalsozialistische Propaganda Lügen.

Wirtschaftswunderlied Wolfgang Neuss: "Einst waren wir mal frei, nun sind wir besetzt"

Die Deutschen hungerten nur in den ersten Nachkriegsjahren, dann ging es bergauf

Wirtschaftswunderlied: "Jetzt kommt das Wirtschaftswunder, jetzt kommt das Wirtschaftswunder, der deutsche Bauch erholt sich auch und wird schon sehr viel runder …"

Die Flüchtlinge und Vertriebenen wurden bald als Arbeitskräfte gebraucht und waren Teil des Wirtschaftswunders. Auf dem engen Raum der drei Westzonen erwirtschaftete die Bundesrepublik einen Wohlstand, der in früheren Zeiten unvorstellbar war.

Reportage (8.8.1955): ""Der südafrikanische VW-Importeur begrüßte die Massen in der Zulu Sprache."

Volksfest in Wolfsburg 1955: Eine Million Käfer sind produziert. Der VW und die Massenmotorisierung werden zum Symbol für das Wirtschaftswunder.

Nach dem fehlgeschlagenen Versuch, die Welt zu erobern, ermöglicht die Nachkriegsordnung der Bundesrepublik, den Weltmarkt zu erobern – und der Wohlstand verschafft der Demokratie in Deutschland endlich die Legitimation, die ihr bis 1933 gefehlt hat.

Schwieriger ist die Situation für die DDR.

Walter Ulbricht (1970): "Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Einschränkung der Macht der Monopole, das sind die wichtigsten Bestimmungen des Abkommens von Potsdam. Sie wurden in der DDR schon vor 20 bis 25 Jahren umgesetzt."

Walter Ulbricht 1970. Für die SED-Führung ist das Potsdamer Abkommen eine Art Gründungsurkunde, ein Mittel zur Abgrenzung gegen den Westen. Denn die DDR tritt mit dem Anspruch auf, der bessere deutsche Staat zu sein, der die Macht der Monopole gebrochen, die Entnazifizierung durchgesetzt und die Remilitarisierung bekämpft hat. Im propagandistischen Vergleich dieser Ziele des Potsdamer Abkommens schneidet die Bundesrepublik schlecht ab.

Ulbrich (1970): "Ihre Erfüllung steht in der westdeutschen Bundesrepublik noch immer aus. Ich frage also, wann endlich wird Westdeutschland dieses Gebot von Potsdam erfüllen und sich damit der deutschen und europäischen Geschichte ehrlich machen?"

Potsdam als Ort der Identitätsstiftung.

Ulbricht: "Das Potsdamer Abkommen bot dem deutschen Volk die große Chance, sich ein Leben in Freiheit und Demokratie aufzubauen."

Auf andere Weise, als er selbst ahnte, hat Ulbricht mit diesem Satz Recht behalten. Das Potsdamer Abkommen gab den Besatzungsmächten freie Hand, ihre Zonen nach ihren eigenen Vorstellungen zu entwickeln. So entstand aus den Westzonen die Bundesrepublik, aus der Ostzone die DDR. Für eine Übergangszeit existierten die beiden Staaten nebeneinander – doch die Dynamik der von den Westmächten aufgebauten Bundesrepublik untergrub auf längere Sicht die Stabilität des zweiten deutschen Staates. Ende der 80er Jahre war der Unterschied zwischen Wohlstand und Freiheit im Westen und Mangel und Unfreiheit im Osten so groß, dass dies die Legitimation der SED-Herrschaft zerstörte. So dauerte es nach dem Mauerfall nicht einmal ein Jahr, bis die DDR in der Bundesrepublik aufgegangen war.

George Bush: "There is a wonderful germany."

US-Präsident George Bush 1995: Zum 50-jährigen Jubiläum der Potsdamer Konferenz besuchte er den Tagungsort, Schloss Cecilienhof.

George Bush: "There is a wonderful germany."

Das Potsdamer Abkommen hatte den Rat der Außenminister der vier Mächte etabliert – jahrzehntelang war dieser Rat praktisch bedeutungslos. Erst nach dem Mauerfall erhielt diese Einrichtung des Potsdamer Abkommens historische Bedeutung. Der Historiker Manfred Görtemaker:

Görtemaker: "Der Außenministerrat wird sozusagen wieder eingesetzt, erweitert um die Außenminister der beiden deutschen Staaten, 2+4, die Außenminister der beiden deutschen Staaten sollten mit den Außenministern der vier Mächte in diesem Außenministerrat gewissermaßen die Details der deutschen Wiedervereinigung aushandeln, und genau das ist geschehen."

Heraus kam der "Vertrag über die Abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland", die Basis für die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.

George Bush: "There is a wonderful germany."

45 Jahre nach dem Ende der Potsdamer Konferenz ist das Ziel der Absichtserklärung erreicht: Deutschland ist eine wirtschaftliche und politische Einheit.
Die Wunden, die der Zweite Weltkrieg geschlagen hat, sind aber noch immer nicht verheilt. Das ist zu spüren, wenn sich die Vertriebenenverbände zu Wort melden oder Vereinigungen wie die "Preußische Treuhand" Besitzansprüche in den ehemaligen deutschen Ostgebieten formulieren. Der Historiker Jürgen Danyel:

Danyel: "Es gibt ein großes Bedürfnis besonders in der deutschen Gesellschaft, sich auch über diese Frage zu verständigen, auch die Erinnerung an Flucht und Vertreibung Raum zu geben. Und es geht darum, dieser Erinnerung Raum zu geben, sie zu praktizieren und sie gleichzeitig auch zum Gegenstand einer dialogischen Verständigung auch mit den Nachbarn zu machen, und das ist eine Gradwanderung, wie die letzten Debatten gezeigt haben, die nicht ohne Schwierigkeiten ist. "

Zum 60. Jahrestag der Potsdamer Konferenz veranstaltete das Zentrum für Zeithistorische Forschung eine Historikerkonferenz in Potsdam. Der Gedanke, die Regierungschefs der einstigen Siegermächte symbolträchtig in Potsdam zu versammeln, wurde verworfen. Potsdam ist für sie Geschichte. Keine siegreiche Schlacht, kein Triumph, der staatsmännische Auftritte vor den Kameras der Welt ermöglicht. Kein Anlass zum Feiern. Obwohl das Potsdamer Abkommen mit seinen vagen Bestimmungen für die Regelung der Nachkriegsordnung erfolgreicher war als so mancher Friedensvertrag.