Deutschland tanzt

Von Elisabeth Nehring |
Die Kulturstiftung des Bundes will mit dem "Tanzplan Deutschland" den zeitgenössischen Tanz strukturell fördern. Dafür stellt sie für die nächsten fünf Jahre 12,5 Millionen Euro zur Verfügung. Etwa die Hälfte davon, insgesamt 6,4 Millionen Euro, wird jetzt in das Projekt "Tanzplan vor Ort" investiert, für das sich Städte mit Konzepten bewerben konnten, die der Profilierung des Tanzes durch den Ausbau vorhandener Strukturen dienen und die selber in den Tanz investieren.
Fünfjahrespläne kennen wir eigentlich noch aus anderen Zusammenhängen, und von denen wurde auch nie einer mit so viel Spannung erwartet wie dieser. Fast wie bei einer Olympia-Bewerbung! 14 Städte wollten etwas vom großen Kuchen abhaben, fünf sollten eigentlich ausgewählt werden, neun haben das Rennen schließlich gemacht. Welche das sind, hat Hortensia Völckers, die Chefin der Bundeskulturstiftung heute verraten.

" Bremen, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Essen, Hamburg, München, Potsdam und Berlin. […] Die Städte haben in der Regel in einer Kombination zwischen Land und Stadt, Kommunen und Ländern, uns 50 Prozent, also eine Summe zugesagt und wir haben die gleiche Summe noch einmal drauf gelegt. Das ist das Prinzip […]. Das hat acht Monate gedauert, ich finde, dass diese Kommunen und Länder unendlich schnell gearbeitet haben, weil das ist schwierig auf fünf Jahre voraus etwas zuzusagen […], also das war eine unglaubliche Aktion."
Gefördert werden vor allem groß angelegte Projekte, die auf Zusammenarbeiten und Koproduktionen verschiedener Institutionen setzen. "Vernetzung" heißt der Schlüssel zum Erfolg. Vernetzung von Stadttheatern und Freier Tanzszene innerhalb einer Region zum Beispiel wie in Norddeutschland oder verschiedener Hochschulen einer Stadt im Rahmen professioneller Ausbildungsprojekte wie in Berlin und Frankfurt oder unterschiedlicher Spiel- und Produktionsstätten, die sich gemeinsam um tänzerische Breitenarbeit kümmern wollen, wie in Düsseldorf.

Patricia Stöckemann berichtet über das Projekt "TANZtours - Norddeutsche Tanzlandschaft im Austausch", das von der Stadt Bremen initiiert wurde und unter anderem Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, Kiel, Braunschweig, Hildesheim, Hamburg und Greifswald miteinander verbinden soll:

"Im Kernbereich geht es um den Austausch der städtischen Ensembles im norddeutschen Raum. Weil ja jede Kompanie in einer Stadt, jede städtische Kompanie für ihr Publikum spielt und nur ihr Publikum vor Ort hat und wir haben jetzt die norddeutschen Städte an einen Tisch gebracht und gesagt, wir möchten, dass jede Kompanie die Möglichkeit hat, auch in anderen Städten aufzutreten, sich mit ihrer Ästhetik vorzustellen und dass das Publikum im norddeutschen Raum einfach einen Überblick und einen Gesamteinsdruck hat von dem, was an den städtischen Kompanien überhaupt an Vielfalt, an ästhetischer Vielfalt, an Produktionsvielfalt besteht. Und immer wieder miteinander zu vernetzen und in einen Austausch zu bringen."

Austausch, Vermittlung und Bildung sind die Stichworte, unter denen die "Tanzpläne vor Ort" realisiert werden sollen. Klingt alles ein bisschen abstrakt, führt aber zu ganz konkreten und realen Ergebnissen. In Düsseldorf und München z.B. werden Kinder Tanzunterricht in den Schulen und Freizeiteinrichtungen bekommen, der ihnen möglicherweise den Weg zum Beruf des Tänzers oder Choreographen ebnet. In Frankfurt entstehen neue Studiengänge und Lehrstühle sowie ein junges Tanzensemble aus Studienabgängern, die auf diesem Weg erste professionelle Bühnenerfahrungen sammeln können.

In Potsdam dagegen entwickelt die "fabrik Potsdam" ein Lehr - und Forschungsprogramm für zeitgenössischen Tanz, das Choreographen die Möglichkeit bietet, eine Weile ohne Erfolgs- und Produktionsdruck künstlerisch zu arbeiten, wie die Leiterin Sabine Schwalitz erklärt:

"Letztendlich ausgehend von der Möglichkeit, dass die Tänzer und Choreographen die Möglichkeit haben sollen, einen Ort zu finden, an dem nicht produziert werden muss, also an dem ich auch mal eine Idee verfolgen kann, wo ich hinterher feststelle, das ist nichts… […]. Weil letztendlich gerade für die freien Leute ist es ja ein unheimlicher Produktionsdruck eigentlich, Stücke zu machen, die auf den Markt zu bringen, die müssen dann erfolgreich sein, d.h. so ein Stück weit auch Tempo raus zu nehmen, Ruhe rein zu bringen und diesen Freiraum eben zu geben, zu sagen, da kann ich mal machen.

Das, was wir uns wünschen von den Künstlern, die zu uns in Residenz kommen, ist eigentlich der Wunsch, sich auch mit Publikum auszutauschen über die Arbeit, die dort passiert. Also, dass es nicht nur ein Rückzugsort ist, sondern auch ein Ort, an dem es Reibung mit der Gesellschaft, Reibung mit dem Publikum gibt, um da auch einen Austausch über den zeitgenössischen Tanz zu haben."

Eine Ausnahme unter den geförderten Städten bildet Berlin. Hier soll ein Pilotprojekt für ein "Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz" entstehen. Dafür werden die Universität der Künste, die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und die Staatliche Ballettschule mit Vertretern der Freien Szene zusammenarbeiten. Erstmals soll eine zeitgenössische Ausbildungsstätte für Tanz und Choreographie geschaffen werden, an der sich alle auf diesem Gebiet führenden Berliner Institutionen beteiligen. Eva Maria Hörster erläutert das Konzept:

"Das Besondere ist auf jeden Fall, dass es eine sehr individuelle Ausbildung sein wird, also die bisherigen Tanzausbildungen sind sehr stark verschult […] und es gibt sehr fixe Stundenpläne, und wir wollen das ganze etwas anders handhaben, es soll eine sehr individuelle Betreuung geben, es wird mit persönlichen Mentoren gearbeitet werden. Ganz wichtig ist, dass eigenständige künstlerische Arbeit direkt von Anfang an Bestandteil des Studiums ist und nicht erst im dritten Jahr dann plötzlich auf dem Stundenplan steht, das soll von Anfang an fester Bestandteil sein.

Es soll eine starke Verbindung geben von künstlerischer und theoretischer Praxis, das heißt der Aspekt der kritischen Reflektion der eigenen Arbeit und insgesamt des Kunstkontexts wird klarer Bestandteil des Studiums sein. Es wird wichtig sein, dass die Studenten sich artikulieren können. Das sind alles Bestandteile, die heutzutage wichtig sind, um sich auch im künstlerischen Feld später behaupten zu können."

Die finanziellen Zuwendungen für die einzelnen Städte fallen sehr unterschiedlich aus, von 440.000 Euro für den Tanzplan München bis über eine Million für die Groß-Projekte in Berlin und Frankfurt. Ein wichtigstes Kriterium der Auswahl ist die Nachhaltigkeit. Im besten Falle, so hofft Madeline Ritter, die die organisatorische Betreuung leitet, laufen die Projekte auch über die Fünf-Jahreszuwendung hinaus weiter:

"Der Tanzplan ist ja keine Einzelprojektförderung, sondern begreift sich als Strukturförderung. Ich nehme mal Düsseldorf als ein Beispiel: Dort ging es nicht drum, ein Projekt Tanz in der Schule zu realisieren, sondern in einer Allianz von ganz vielen Institutionen, die das Projekt auch stärken, auch über die Laufzeit des Tanzplans hinaus auch realisieren können, auf den Weg zu bringen. Es wurde also bei allen Projekten geguckt, wer macht da was zusammen, was sind die Ziele, die sich die Projekte gestellt haben und besteht eine Chance, wir haben natürlich keine Garantie, dass es auch über die fünf Jahre hinaus geht.

Deswegen haben wir ja auch immer drauf gedrängt, dass die Städte mit im Boot sind. Wenn es eine Einzelprojektförderung ist, wo mal die Stadt, mal nicht, oder mal das Land, mal nicht, sondern dass wir die in die Verantwortung gezogen haben und wenn die sich fünf Jahre verpflichtet haben, was ein Unding ist, natürlich unter dem Haushaltsvorbehalt, weil sie können ja nicht über ihre eigenen rechtlichen Grenzen gehen, dass sie das auch in die Zukunft hinein fortsetzen werden."