Eine wechselvolle (Militär-) Geschichte
Sie waren Freunde und Feinde, Kriegsgegner und Verbündete − Russen und Deutsche haben eine lange gemeinsame Militärgeschichte. Die reicht vom preußischen "Soldatenkönig" bis zum Abzug der Roten Armee aus der ehemaligen DDR.
(Musik: Marsch "Der Alte Dessauer")
An seinen Generalfeldmarschall, den Fürsten von Anhalt Dessau, bekannt als der "Alte Dessauer", schrieb Friedrich Wilhelm von Preußen, der "Soldatenkönig":
"Ich habe 54 Moskowiter bekommen. Meist im ersten und 4. Glied recht schöne Kerls..."
Der Brief ist datiert vom 27. Oktober 1716: das früheste Dokument einer militärischen Beziehung zwischen Preußen und dem russischen Zarenreich. Ein freundliches Geben und Nehmen: Peter der Große bekam vom Preußenkönig das berühmte Bernsteinzimmer, aus dem Berliner Stadtschloss ausgebaut, und schickte im Gegenzug Lange Kerls, die dem Soldatenkönig eine größere Augenweide waren als Bernstein.
Als aber Friedrich der Große 1740 dem Soldatenkönig auf dem Thron folgte, änderte sich der Umgang miteinander. Er brachte 1756 mit dem Siebenjährigen Krieg eine Koalition ausländischer Mächte gegen sich auf, erstmals überschritten 1757 russische Truppeneinheiten die Grenze nach Westen und eroberten Ostpreußen und Königsberg, die Stadt, in der 1701 erstmals ein brandenburgischer Kurfürst zum preußischen König gekrönt worden war.
Erstaunlich war: Sowohl in Königsberg als auch in Berlin nahm die Bevölkerung die Eroberung durch ein russisches Armeekorps gelassen hin. Gotthold Ephraim Lessing als Augenzeuge verlor kein Wort darüber und merkte lakonisch an:
"Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes keinen Begriff, und sie scheint mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gerne entbehre."
Für Friedrich waren die Einnahmen Königsbergs und Berlins eine Schmach, aber mitten im Krieg löste er das Problem realpolitisch und zahlte mit geliehenem Geld die anderthalb Millionen Taler zum Freikauf der Stadt. Preußische Zeitungen durften kein Wort darüber verlauten lassen und die Besatzer verschwanden, wie sie gekommen waren.
(Musik: Russischer Militärmarsch)
"Die siegreichen Banner Seiner Majestät des Zaren wehen über Berlin"
So triumphierte ein Oberkommandierender der russischen Armee am 4. März 1813. Die Bevölkerung jubelte. Seit an Seit hatten Preußen und Russen Napoleon besiegt.
(Musik: Russische Folklore)
Nach diesem siegreichen Feldzug zog der Zar seine Truppen aus Westeuropa wieder zurück. Preußen-König Friedrich Wilhelm III. behielt 1826 einige wenige in Potsdam verbliebene Russen bei sich.
"Es ist Meine Absicht, als ein bleibendes Denkmal der Erinnerung an die Bande der Freundschaft zwischen Mir und des Hochseeligen Kaisers Alexander von Rußlands Majestät, bei Potsdam eine Colonie zu gründen, welche ich mit den, von Seiner Majestät mir überlassenen Russischen Sängern als Colonisten besetzen und Alexandrowka benennen will."
Doch damit endete die noch heute in Potsdam zu besichtigende Romantik preußisch-deutsch-russischer Beziehungen. In den Jahrzehnten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, insbesondere nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs, folgten Russland und Deutschland ihren imperialen Interessen, bis die deutsch-russischen Kriegserklärungen 1914 den Ersten Weltkrieg auslösten.
Geheime Partnerschaft
Als 1918 der Krieg zu Ende war, begann das merkwürdigste Kapitel deutsch-russischer Militärbeziehungen: Deutschland war durch den Versailler Vertrag gezwungen, sich weitgehend zu entmilitarisieren, das revolutionäre Russland bot eine geheime Partnerschaft an – denn schließlich hatten die deutschen Militärs, als sie im Krieg Lenin nach Russland geschleust hatten, der Oktoberrevolution den Weg geebnet.
Illegale Rüstungslieferungen wurden vereinbart, ab 1924 entwickelte sich daraus eine verdeckte militärische Zusammenarbeit. Russland hatte Interesse an deutschen Kriegserfahrungen, den Deutschen wurde im Gegenzug eingeräumt, moderne Flieger, Panzer und Kampfgas auf russischem Gebiet zu erproben.
Die geheime Treiben zwischen Reichswehr und Roter Armee funktionierte dank einer bemerkenswerten Offenheit und eines Vertrauens trotz ideologischer Gegensätze. Mit der Machtübernahme Hitlers und der offenen deutschen Aufrüstung endete dieses Zusammenspiel. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt 1939, der Aufteilung Polens als gemeinsamer Beute, gab es noch einmal ein geheimes Zusammenspiel, dem 1941 aber der Angriff Deutschlands auf Russland und der Vernichtungskrieg folgte.
Noch einmal näherten sich deutsche und sowjetische Interessen im "Nationalkomitee Freies Deutschland" sowie im "Bund Deutscher Offiziere" an. Im Juli 1943, also mitten im Zweiten Weltkrieg, wurden sie in Abstimmung mit Moskau von deutschen Kriegsgefangenen gebildet.
"Die eröffnen der russischen Seite die Möglichkeit, mit Wehrmachtsgeneralen an der Front verhandeln zu können in Augenhöhe, von gleich zu gleich."
... sagt Jörg Morré, Leiter des Karlshorster Deutsch-Russischen Museums.
"Hier sieht die russische Seite eine Chance, wirklich durch Überzeugungsarbeit, durch Propaganda, zu einem Waffenstillstand, zu einer Waffenruhe an der Front zu kommen."
Die Anstrengungen der kriegsgefangenen Offiziere fanden bei Hitlers Generälen keinen Widerhall. Deutschland verlor den Krieg, wurde besetzt – und so mündete nach über zweihundert Jahren die russisch-deutsche Geschichte mit der Besetzung eines Landesteils durch die Rote Armee. Staatliche Zweiteilung für über 40 Jahre, Wiedervereinigung – und der Versuch, neu anzufangen.