Deutschland und Türkei

Endlich klare Kante zeigen!

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD, l) wird am 05.06.2017 in Ankara (Türkei) vom Außenminister der Republik Türkei, Mevlüt Cavusoglu, vor einem bilateralen Gespräch begrüßt. Gabriel reist für einen eintägigen Besuch in die Türkei.
Außenminister Sigmar Gabriel und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu bei einem Treffen in Ankara © dpa / Gregor Fischer
Von Memet Kılıç · 25.10.2017
Normalisierte deutsch-türkische Beziehungen: Niemand zweifelt daran, dass dies nötig und wünschenswert sei, meint Memet Kılıç. Dazu müssten allerdings die in Ankara regierenden Islamisten das Feld räumen, kommentiert der Grünen-Politiker.
Vor zwei Wochen sagte der türkische Außenminister Richtung Deutschland: "Wenn Ihr einen Schritt auf uns zugeht, gehen wir zwei". Und tatsächlich hat die türkische Regierung schon den ersten Schritt gemacht - rückwärts. Vor wenigen Tagen wurde der deutsche Botschafter in der Türkei innerhalb von zwei Jahren zum 18. Mal einbestellt.
Jetzt wollen Erdogan und seine AKP die Beziehungen zu Deutschland also normalisieren. Dass das nötig und wünschenswert ist, wird niemand bezweifeln. Dazu ist vor allem eins nötig: Die regierenden Islamisten in Ankara müssen das Feld räumen.

Von Putins Reaktionen lernen

Wie könnte ein Schritt von deutscher Seite aussehen? Man kann da von Putin lernen: Als die türkische Luftwaffe im November 2015 einen russischen Kampfjet an der syrischen Grenze abschoss, brüstete sich die türkische Regierung sogar damit. Die Russen reagierten mit Wirtschaftssanktionen. Türkische Tomaten blieben fortan in den Regalen und die russischen Touristen kamen nicht mehr.
Sieben Monate später entschuldigte sich Erdogan bei Putin und ließ den Piloten, der den russischen Kampfjet abgeschossen hatte, festnehmen. Da Despoten aus dem gleichen Holz geschnitzt sind, kennen sie den richtigen Umgang miteinander.

Geldhahn zudrehen, Vermögen einfrieren

Deutschland hat viele Instrumente in der Hand: Islamisten haben zwei Götter: Geld und Macht. Wenn man den Geldhahn zudreht und Macht demonstriert, liegen sie sofort auf dem Boden und wedeln mit dem Schwanz. Allein ein verschärfter Reisehinweis der Bundesregierung zur Türkei hat die Islamisten zittern lassen.
Deutschland muss sich für einen sofortigen Stopp der EU-Beitrittshilfen einsetzen. Diese Gelder benötigt die Zivilgesellschaft in der Türkei. Die Handelsbeziehungen sollten spürbar zurückfahren und Hermesbürgschaften annulliert werden. Die seit 1996 existierende Zollunion zwischen der Türkei und der EU gehört auf den Prüfstand. Das Vermögen von Erdogan und seinen Leuten im europäischen Raum muss eingefroren werden.
Der Moscheeverband von Erdogan in Deutschland darf nicht mehr mit jährlichen 1,5 Millionen Euro unterstützt werden. Erdogan darf nie wieder eine Wahlkampfhilfe gewährt werden, wie Frau Merkel es im November 2015 bei der entscheidenden Wahl getan hat. Diese Liste kann man noch endlos verlängern, denn die beiden Länder sind eng verflochten.

Welche Rolle spielen geplante Waffenlieferungen?

Warum ist die Bundesregierung so zögerlich? Weitere Flüchtlinge oder das Wohlergehen der inhaftierten Deutschen in der Türkei können sicherlich Argumente sein - oder ist es doch die Aussicht auf weiteren Waffenhandel mit Erdogan?
Große Waffenlieferungs-Aufträge von Erdogan wurden mit den Worten von Herrn Gabriel momentan "on hold" gestellt. "On Hold"? Was ist das? Das heißt, dass diese Aufträge in die "Warteschleife" gestellt worden sind. Also werden diese bald "abgeholt"!
Vier Jahre lang hat Herr Gabriel die Waffenaufträge mit "Bauchschmerzen" genehmigt, die von der FDP vorher beschlossen worden waren. Jetzt kann die FDP vier Jahre lang mit "großen Bauchschmerzen" die Waffenlieferungen genehmigen, die zuvor von der SPD "On Hold" gestellt wurden. So sieht die Realpolitik der Versöhnung aus.

Memet Kılıç, Bündnis 90/Die Grünen, 50 Jahre alt, kam 1990 nach Deutschland. Er ist Mitglied der Anwaltskammern Ankara und Karlsruhe und im Vorstand des Bundesintegrationsrates. Zuvor war er Bundestagsabgeordneter – mit Sitz im Innenausschusses sowie Integrationspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion (2009-2013), ferner Mitglied des Rundfunkrates des Südwestrundfunks (1998-2008) sowie des "Beirates für Fragen der Inneren Führung der Bundeswehr" (2002-2010).

© Quelle: privat
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