"Mutter Courage" wird in Berlin aufgeführt
Bertolt Brecht verfasste "Mutter Courage und ihre Kinder" im Exil. Nach der Uraufführung des Stücks in Zürich dauerte es acht Jahre, bis es 1949 auch in Deutschland zu sehen war - dort jedoch in einer verschärften Textversion.
Mutter Courage-Lied :
"Ihr Hauptleut, lasst die Trommel ruhen
Und lasst eur Fußvolk halten an:
Mutter Courage, die kommt mit Schuhen
In denen es besser laufen kann"
Und lasst eur Fußvolk halten an:
Mutter Courage, die kommt mit Schuhen
In denen es besser laufen kann"
Die Kunst hat ihre Mona Lisa. Das vielleicht berühmteste Bild der Theatergeschichte zeigt die Marketenderin Mutter Courage, die mit ihrem Planwagen über die Bühne zieht, im Dreißigjährigen Krieg dem Soldatentross durch halb Europa hinterherläuft, mit Hühnern und Hemden handelt, mit Gürtelschnallen und Schnaps. Und die letztlich auch ihre drei Kinder über die Kriegsklinge springen lässt.
Die großen Kriegsgeschäfte und die kleinen Leute
Durchblick allerdings fehlt ihr. Sie begreift "bis zuletzt" nicht, so ihr Erfinder Bertolt Brecht, "dass die großen Geschäfte, aus denen der Krieg besteht, nicht von den kleinen Leuten gemacht werden. Dass der Krieg, der eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich macht."
Brecht verfasste sein Lehrstück "Mutter Courage und ihre Kinder" Ende der 1930er-Jahre im dänischen und schwedischen Exil; eigentlich für seine skandinavischen Gastgeber, deren Hoffnung auf friedliche Handelsbeziehungen mit Hitler er absurd fand.
Modell für die Marketenderin stand ihm neben der "Courasche" von Grimmelshausen die Kriegswitwe Lotta Svärd aus einem Epos des finnischen Nationaldichters Johan Ludvig Runeberg. Aufgeführt wurde die "Mutter Courage" dort indes nicht mehr: "Die Bühnen waren viel zu früh in den Händen des großen Räubers. 'Mutter Courage und ihre Kinder‘ kam also zu spät."
Im Nachkriegsdeutschland das Stück der Stunde
Und war im Nachkriegsdeutschland doch das Stück der Stunde, von Brecht selbst am 11. Januar 1949 in Szene gesetzt. Wolfgang Langhoff, auch ein heimgekehrter Emigrant und nun Intendant des Deutschen Theaters, stellte ihm seine Bühne zur Verfügung.
Es sollte unbedingt die "Mutter Courage" sein, denn die Uraufführung des Dramas 1941 am Schauspielhaus Zürich hatte dem abwesenden Autor ziemliche Bauchschmerzen bereitet: Statt mit kühler Distanz eine "Hyäne des Schlachtfelds" zu studieren, bangte das Schweizer Publikum um ein "großes Mutterherz". Therese Giehse spielte die umjubelte Courage.
Noch im kalifornischen Exil verschärfte Brecht den Text, der Ton wurde zynischer. Der ebenfalls dorthin geflüchtete Paul Dessau komponierte ihm neue, garstigere Songs. Für die Deutsche Erstaufführung engagierte Brecht sein eigenes Ensemble und – als Co-Regisseur - Erich Engel, der schon die "Dreigroschenoper" uraufgeführt hatte. Was sollte da noch schiefgehen?
"Das Theater des neuen Zeitalters ward eröffnet, als auf die Bühne des zerstörten Berlin der Planwagen der Courage rollte", schrieb Brecht als Hommage an seine Frau Helene Weigel, die neue Mutter Courage. Die alte Zürcher Drehbühne führte durch die zwölf Szenen, in Berlin jedoch wurde das epische Theaterlabor grell ausgeleuchtet wie ein Wartesaal. Kriegskulissen brauchte man nicht, Ruinen gab es genug in der Stadt.
"Das Theater des neuen Zeitalters ward eröffnet, als auf die Bühne des zerstörten Berlin der Planwagen der Courage rollte", schrieb Brecht als Hommage an seine Frau Helene Weigel, die neue Mutter Courage. Die alte Zürcher Drehbühne führte durch die zwölf Szenen, in Berlin jedoch wurde das epische Theaterlabor grell ausgeleuchtet wie ein Wartesaal. Kriegskulissen brauchte man nicht, Ruinen gab es genug in der Stadt.
Heftig umstritten in der sowjetischen Besatzungszone
"Das Bühnenbild stand vor der Tür. Jeder brachte den Eindruck der Trümmerlandschaft in das Theater und projizierte seine unmittelbarsten Erfahrungen, die Gefühle der Enttäuschung, des Hungers, der Müdigkeit", erinnerte sich Manfred Wekwerth als Brechts Regie-Assistent an die unmittelbare Nachkriegszeit. "Der Premierenerfolg war enorm, weil man solche Wirkung vom Theater, solche Betroffenheit nicht mehr kannte."
Damit kein Zuschauer je wieder irgendwelche Sympathien für die "arme" Mutter Courage hegen konnte, dokumentierte Brecht seine Inszenierung im sogenannten Couragemodell: ein Musterkatalog mit akribischen Regieanweisungen, verbindlich für alle nachspielenden Bühnen.
Damit kein Zuschauer je wieder irgendwelche Sympathien für die "arme" Mutter Courage hegen konnte, dokumentierte Brecht seine Inszenierung im sogenannten Couragemodell: ein Musterkatalog mit akribischen Regieanweisungen, verbindlich für alle nachspielenden Bühnen.
Mutter Courage-Lied :
"Der Krieg is‘ nix als die Geschäfte
Und statt mit Käse ist’s mit Blei."
"Der Krieg is‘ nix als die Geschäfte
Und statt mit Käse ist’s mit Blei."
Das von Brecht so begeistert ausgerufene "Theater des neuen Zeitalters" brachte auch neue Fragen: In der sowjetischen Besatzungszone stritten die Kritiker heftig darüber, ob Brechts proletarische Nicht-Heldin wohl mit dem sozialistischen Realismus kompatibel sei. Dem Autor selbst kam die Kontroverse nicht ungelegen: Er war in aller Munde, Helene Weigel spielte vor voll besetzten Rängen.
Hymne für das eigene Theater
Noch im selben Jahr konnte das Paar sein eigenes Theater gründen: das Berliner Ensemble. Zunächst noch ohne festes Haus, aber schon mit einer Hymne: dem "Lied der Mutter Courage".
Mutter Courage-Lied:
"Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun."
"Und was noch nicht gestorben ist
Das macht sich auf die Socken nun."