Deutschlands berühmtester Architekt aller Zeiten
Schinkel-Neulinge dürften enttäuscht sein. Denn anders als der Verlag behauptet, findet man in diesem Buch keine Biografie über den preußischen Baumeister von Weltrang, sondern erhellende - aber etwas trockene - wissenschaftliche Kost zum künstlerischen Werk und zum Stand der Forschung.
Er ist Deutschlands berühmtester Architekt aller Zeiten. Keiner hat wie er einer ganzen Epoche seinen Stil aufgeprägt. Kein anderer war so vielfältig begabt wie Karl Friedrich Schinkel, der als Maler genauso reüssierte wie als Designer. Und keiner ist bis heute so populär.
Kein Wunder, dass es eine unübersehbare Zahl an Publikationen zu Schinkel gibt. Der Berliner Kunsthistoriker Jörg Trempler, der bereits in mehreren Büchern unter anderem die Motivgeschichte sowie die Wandmalereien am Alten Museum untersuchte, hat nun eine weitere Studie zu Leben und Werk vorgelegt.
Ins Zentrum stellt er den malerisch arbeitenden Schinkel, den Historisten und den modernen Schinkel, auf den sich Architekten bis heute berufen. Gezeigt wird, wie in dessen Werken Tradition und Moderne zusammenspielen, griechisch-römische Antike, Mittelalter und die Techniken der frühen Industrialisierung. Dabei überrascht, dass der Autor dem Zeichner und Maler fast mehr Aufmerksamkeit widmet als dem Baumeister, der nur mit seinen Meisterwerken in Berlin auftritt, der Neuen Wache, dem Schauspielhaus und Alten Museum, der Bauakademie.
Minutiös, doch mit Sinn für die zugespitzte Formulierung schildert Trempler den Werdegang des jungen Eleven, die für ihn wegweisende Prägung durch den Lehrmeister Friedrich Gilly etwa, von dem er lernt, wie die Architektur mit ihrer Umgebung zu verschmelzen sei, ebenso wie durch den Hamburger Maler Philipp Otto Runge, der in ihm den Sinn für das Zyklische in der Natur erweckt.
Mit seinen Gemälden erreichte er, so legt Trempler nahe, durchaus europäisches Niveau. Doch Schinkel beschränkte sich nicht allein auf das Tafelbild, ebenso wenig auf die idealistische Kunstauffassung, wie die bisherige Forschung glauben machen wollte. Dass der berühmteste Künstler Preußens vor allem die Gunst des Publikums suchte, weist der Autor anhand von Skizzen zu den großformatigen, leider verloren gegangenen Panoramabildern nach. "Der Brand von Moskau 1812" etwa, vor dem die Berliner in langen Schlangen warteten. Dort erprobte er eine illusionistische Technik, die er sich in der Darstellung gotischer Kathedralen zunutze machte.
Auch mit anderen Schinkel-Stereotypen räumt Trempler überzeugend auf. Dass dessen Sinn für das Praktische ein Klischee ist, weist er an der Bauakademie nach, diesem Werk, das seiner kühnen Konstruktion wegen direkt in die Moderne führt. Weil das Ebenmaß seines Kubus durch geöffnete Fensterflügel gestört worden wäre, entwarf der Perfektionist einen Mechanismus, dank dessen die Flügel seitlich in der Wand versenkt wurden. Aus Kostengründen allerdings nur im zweiten Stock. Im ersten mussten sie zum Putzen abgeschraubt werden.
So gelehrt das Buch auch ist, in der Auslegung der ästhetischen Qualität von Schinkels Arbeiten, so akribisch es sich den Quellen verpflichtet, so unbestimmt bleibt allerdings die Person Schinkel. Auch wenn dieser in der Tat mit Selbstauskünften geizte, so zeigten sich doch seine Zeitgenossen umso gesprächiger. Man vermisst – bis auf wenige Ausnahmen – an anderer Stelle publizierte Äußerungen des Freundes Clemens Brentano, des Schinkel-Förderers Wilhelm von Humboldt oder Fürst Pücklers.
So ist das Buch weniger eine Biografie, wie der Verlag behauptet, als vielmehr eine profunde, gut gemachte Studie über das künstlerische Werk sowie den Stand der Forschung. Damit kommt es für Schinkel-Neulinge nicht in Frage. Umso mehr aber für Kenner.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Jörg Trempler: Karl Friedrich Schinkel - Baumeister Preußens
C.H. Beck, München 2012
222 Seiten, 22,95 Euro
Kein Wunder, dass es eine unübersehbare Zahl an Publikationen zu Schinkel gibt. Der Berliner Kunsthistoriker Jörg Trempler, der bereits in mehreren Büchern unter anderem die Motivgeschichte sowie die Wandmalereien am Alten Museum untersuchte, hat nun eine weitere Studie zu Leben und Werk vorgelegt.
Ins Zentrum stellt er den malerisch arbeitenden Schinkel, den Historisten und den modernen Schinkel, auf den sich Architekten bis heute berufen. Gezeigt wird, wie in dessen Werken Tradition und Moderne zusammenspielen, griechisch-römische Antike, Mittelalter und die Techniken der frühen Industrialisierung. Dabei überrascht, dass der Autor dem Zeichner und Maler fast mehr Aufmerksamkeit widmet als dem Baumeister, der nur mit seinen Meisterwerken in Berlin auftritt, der Neuen Wache, dem Schauspielhaus und Alten Museum, der Bauakademie.
Minutiös, doch mit Sinn für die zugespitzte Formulierung schildert Trempler den Werdegang des jungen Eleven, die für ihn wegweisende Prägung durch den Lehrmeister Friedrich Gilly etwa, von dem er lernt, wie die Architektur mit ihrer Umgebung zu verschmelzen sei, ebenso wie durch den Hamburger Maler Philipp Otto Runge, der in ihm den Sinn für das Zyklische in der Natur erweckt.
Mit seinen Gemälden erreichte er, so legt Trempler nahe, durchaus europäisches Niveau. Doch Schinkel beschränkte sich nicht allein auf das Tafelbild, ebenso wenig auf die idealistische Kunstauffassung, wie die bisherige Forschung glauben machen wollte. Dass der berühmteste Künstler Preußens vor allem die Gunst des Publikums suchte, weist der Autor anhand von Skizzen zu den großformatigen, leider verloren gegangenen Panoramabildern nach. "Der Brand von Moskau 1812" etwa, vor dem die Berliner in langen Schlangen warteten. Dort erprobte er eine illusionistische Technik, die er sich in der Darstellung gotischer Kathedralen zunutze machte.
Auch mit anderen Schinkel-Stereotypen räumt Trempler überzeugend auf. Dass dessen Sinn für das Praktische ein Klischee ist, weist er an der Bauakademie nach, diesem Werk, das seiner kühnen Konstruktion wegen direkt in die Moderne führt. Weil das Ebenmaß seines Kubus durch geöffnete Fensterflügel gestört worden wäre, entwarf der Perfektionist einen Mechanismus, dank dessen die Flügel seitlich in der Wand versenkt wurden. Aus Kostengründen allerdings nur im zweiten Stock. Im ersten mussten sie zum Putzen abgeschraubt werden.
So gelehrt das Buch auch ist, in der Auslegung der ästhetischen Qualität von Schinkels Arbeiten, so akribisch es sich den Quellen verpflichtet, so unbestimmt bleibt allerdings die Person Schinkel. Auch wenn dieser in der Tat mit Selbstauskünften geizte, so zeigten sich doch seine Zeitgenossen umso gesprächiger. Man vermisst – bis auf wenige Ausnahmen – an anderer Stelle publizierte Äußerungen des Freundes Clemens Brentano, des Schinkel-Förderers Wilhelm von Humboldt oder Fürst Pücklers.
So ist das Buch weniger eine Biografie, wie der Verlag behauptet, als vielmehr eine profunde, gut gemachte Studie über das künstlerische Werk sowie den Stand der Forschung. Damit kommt es für Schinkel-Neulinge nicht in Frage. Umso mehr aber für Kenner.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Jörg Trempler: Karl Friedrich Schinkel - Baumeister Preußens
C.H. Beck, München 2012
222 Seiten, 22,95 Euro