Juri Sternburg: "Das ist Germania. Die Größen des Deutschrap über Heimat und Fremde"
Droemer Verlag, München 2020
256 Seiten, 20 Euro
Wie hältst du's mit Deutschland?
08:48 Minuten
Müssen Migranten immer wieder sagen, dass sie Deutschland mögen? In dem Youtube-Format „Germania“ füllen Influencerinnen und Rapper einen umstrittenen Begriff mit migrantischer Perspektive. Nun gibt es ein Buch dazu – ohne versöhnliches Ende.
Es könnte auf den ersten Blick wie das Porträt eines Deutschnationalen oder Reichsbürgers wirken: In dem Youtube-Format "Germania" des öffentlich-rechtlichen Onlineangebots "Funk" spricht eine aus dem Deutschrap oder durch die sozialen Medien bekannte Person über ihr Verhältnis zu Deutschland. Dann sieht man das Wort "Germania" in Frakturschrift und hört einige Takte des alten Volksliedes "Am Brunnen vor dem Tore".
Es folgt ein ungefähr fünfminütiger Bericht eines Künstlers oder einer Künstlerin mit Migrationshintergrund wie Capital Bra, Massiv, Shirin David oder Namika. Sie sprechen über Ausgrenzung und alltäglichen Rassismus genauso wie über Momente der Begeisterung und Dankbarkeit.
Musikjournalist und Theaterautor Juri Sternburg hat dieses Videoformat zum Anlass für ein Buchprojekt genommen. In dem Vorwort zu "Das ist Germania – Die Größen des Deutschrap über Heimat und Fremde" fragt er selbst, ob die Welt ein weiteres Werk brauche, in dem Migrantinnen und Migranten erzählen, dass sie auch zu Deutschland gehören.
Sternburg würde diese Frage zwar selbst nicht unbedingt mit "Ja" beantworten. Aber die Geschichten in dem Buch wollte er unbedingt erzählen – und sie sollten auch gehört werden.
Mehr als 40 Millionen Aufrufe
Besonders hängen geblieben sei bei ihm zum Beispiel die Geschichte des "King of Rap", Kool Savas, sagt der Autor: "Der sagt, dass er erst durch die Flüchtlingskrise 2015 überhaupt wahrgenommen hat, dass er wahrscheinlich ein Flüchtling ist – oder als Flüchtling gesehen wird in diesem Land." Eindrücklich sei auch die Geschichte der Influencerin Hatice Schmidt, die sehr offen über ihre Eltern gesprochen habe.
Das Videoformat "Germania" ist inzwischen mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Die Videos sind mehr als 40 Millionen Mal aufgerufen worden. Die Ursprungsidee des Formats sei gewesen, sich diesen "historisch kontaminierten Begriff anzueignen, ihn neu zu besetzen", sagt Sternburg. Das habe dank der migrantischen Künstlerinnen und Künstler auch gut funktioniert.
Die Videos endeten jedoch meist mit einem "versöhnlichen Ton". Bei den Geschichten im Buch sei das anders: Da habe Sternburg den Fokus eher auf den Alltagsrassismus oder die Erfahrungen der Eltern als "Gastarbeiter" gelegt.
(sed)
Julian Theilen über "Das ist Germania":
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